Paradiese auf Erden durch Permakultur
Ein ganzheitliches Konzept, das essbare Landschaften gestaltet
Bill Mollison begründete das nachhaltige Konzept der Permakultur in den 1970er Jahren. Inzwischen erfährt dieses Konzept auch in der gesellschaftlichen Mitte Anerkennung und Wissenschaftler, Unternehmer und sogar die Vereinten Nationen beginnen sich für diese „Landwirtschaft und Kultur der Langfristigkeit” zu interessieren. Permakultur soll die Qualität landwirtschaftlichen Bodens nicht nur bewahren, sondern verbessern, zerstörte Lebensräume wiederherstellen und benachteiligten Bevölkerungsgruppen neue Lebensperspektiven bieten.
Permakultur oder permaculture ist ein Kunstwort, das sich aus permanent für "dauerhaft” und agriculture/culture für Landwirtschaft beziehungsweise Kultur zusammensetzt. Der 1928 in Tasmanien geborene Umweltschützer und Biologe Bruce Charles (Bill) Mollison war von der rücksichtslosen Zerstörung seines Heimatlandes durch Abholzung entsetzt und wollte nachhaltige Lösungen entwerfen, die ein erfreuliches Leben im Einklang mit der Natur bieten und die Lebensgrundlagen für die kommenden Generationen erhalten sollten. Zusammen mit David Holmgren veröffentlichte Mollison 1978 sein erstes Buch: Permaculture one, drei Jahre später wurde ihm für seine Verdienste im Umweltschutz der alternative Nobelpreis verliehen.
Permakultur – ein ganzheitliches Konzept für die Gestaltung essbarer Landschaften
Angelehnt an Mollisons ursprüngliche
Definition ist Permakultur die bewusste Gestaltung sowie Unterhaltung
von essbaren Landschaften, die über Diversität, Stabilität und
Widerstandsfähigkeit eines (Ur-)Waldes verfügen. Die Philosophie der
Permakultur arbeitet mit und nicht gegen die Natur, sie beinhaltet
fortlaufendes und aufmerksames Beobachten, überlegtes und gewissenhaftes
Planen sowie kongruentes Handeln – nicht ständigen, gedankenlosen
Aktionismus. Sie betrachtet Systeme in der Vielfalt ihrer Funktionen,
anstatt nur eine Art von Ertrag abzuverlangen, und sie erlaubt diesen
Systemen, ihre eigene Evolution zu entfalten. Die Weltanschauung der
Permakultur wird von vielen Autoren in drei Punkten zusammengefasst:
- Sorge für die Erde (earth care)
- Sorge für die Menschen (human care)
- Begrenze Konsum und Wachstum (fair share)
Am Anfang jeder Permakultur steht Planung und Gestaltung mit der Natur als Vorbild
Permakultur befasst sich in der Praxis vor
allem mit dem Thema „Design”. Gärten und landwirtschaftliche Betriebe
bedürfen einer sorgfältigen Planung und Gestaltung vor ihrer Neuanlage
oder Umstellung. Die Überlegungen hierzu berücksichtigen ein Denken in
Systemen, in denen alles mit allem direkt oder indirekt verbunden ist,
also in weitgehend geschlossenen Stoff- und Wirtschaftskreisläufen, in
denen möglichst jeder Beteiligte angemessen profitiert und nicht zu
Schaden kommt. Am Anfang der Planungsarbeiten für ein Stück Land steht
daher die Beobachtung und Wahrnehmung, das Lesen der Natur. Besonders
folgende Fragen sind von Bedeutung: Was kann auf diesem Boden und unter
den vorliegenden klimatischen Verhältnissen besonders gut gedeihen? Wie
intensiv ist die Sonneneinstrahlung? Woher weht der Wind, wieviel Regen
fällt? Ist das Gelände abschüssig und kann es dadurch zur Bodenerosion
kommen? Welche Wildpflanzen wachsen dort und welchen Hinweis geben sie
auf die Qualität des Standorts?
Nun interessiert sich auch die Wissenschaft für die Permakultur
Vom 8. bis 9. September 2015 fand die 12.
Internationale Permakultur-Konferenz in der britischen Metropole London
statt. Über 1.000 Teilnehmer, darunter Universitätsprofessoren,
Forscher, Agraringenieure, Praktiker, Umweltaktivisten und andere
Interessierte aus insgesamt 70 Ländern, hatten sich – zwei Wochen vor
dem UN-Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung – versammelt, um in
Workshops und Vorträgen Erfahrungen auszutauschen und Kontakte zu
knüpfen. Trotz guter Stimmung ging es um ein ernsthaftes Thema: Wie die
Menschheit in Zukunft leben und überleben kann, in Selbstverantwortung,
Fülle und Frieden – trotz oder gerade wegen des Klimawandels, der
zunehmenden Verknappung von Rohstoffen, fortschreitender Entwaldung und
Verwüstung von Lebensräumen sowie steigendem Bevölkerungsdruck. Auf der
Konferenz präsentierte der Agrarökologe Dr. Rafter Sass-Ferguson von der
Universität Illionis seine Studienergebnisse zur Permakultur. Bei
seinen Untersuchungen stellte er fest, dass fast die gesamte Literatur
hierzu nicht-wissenschaftlicher Art ist. Sie richte sich vornehmlich an
Naturbegeisterte und habe sich mit der Fachwelt aus der Landwirtschaft
bisher kaum auseinandergesetzt.
Sass-Ferguson wies jedoch auch darauf hin, dass viele der in der Permakultur üblichen Praktiken sehr wohl durch wissenschaftliche Studien belegt seien. Allerdings wurden diese dem Fachbereich der Agrarökologie zugeordnet. Der eigentliche Beitrag der Permakulturisten liege vielmehr in der Ganzheitlichkeit und Interdisziplinarität ihres Ansatzes: die Verbindung von wirtschaftlichen mit ökologischen und sozialen Aspekten, die in sämtliche Bereiche des menschlichen Lebens hineinreichen, wie Bauwesen, Technologien, Finanzen, Bildung, Gesundheit oder Spiritualität.
Permakultur in Deutschland und in der Welt
In Deutschland findet Permakultur
hauptsächlich bei Hausgartenbesitzern eine Anhängerschaft. In den USA
hingegen gibt es eine Reihe von professionellen Permakulturbetrieben.
Permakulturist Jerome Osentowski aus Colorado bietet zum Beispiel eine
Besonderheit: Er plant Gewächshäuser, die ohne fossile Energie geheizt
oder gekühlt werden können (crmpi.org).
Insbesondere Kleinbauern in Entwicklungsländern können von den Ansätzen der Permakultur profitieren, hierzu gibt es bereits zahllose Beispiele aus Asien, Lateinamerika und Afrika. Aber auch in Deutschland kann Permakultur in Zeiten des Klimawandels eine zunehmende Bedeutung in der Landwirtschaft erlangen. Auf der Konferenz in London wurden deshalb auch Permakulturprojekte mit einer kommerziellen Zielsetzung jenseits von Hobby oder Selbstversorgung präsentiert – eines davon war der Obstbaubetrieb Jelanisol & Montebello in Südspanien nahe Sevilla.
Der Betrieb gehört Friedrich Lehmann, zugleich Geschäftsführer des in Mönchengladbach ansässigen Unternehmens Lehmann natur, Gesellschaft zur Erzeugung und zum Vertrieb ökologischer Produkte mbH. Die 1988 gegründete Importfirma liefert ihre Ware an den Einzelhandel, wie es auf deren Webseite heißt – kontrolliert ökologisch und nachhaltig – von Auberginen bis Zucchini, von Aprikose bis Zitrone.
Lehmann natur hatte sich schon bei Firmengründung das Ziel gesetzt, allen Verbrauchern den Genuss von nachhaltig angebautem Bio-Obst und Bio-Gemüse zu ermöglichen. Doch der Firmenchef wollte mit seinem Unternehmen noch einen Schritt weiter gehen: von der Nachhaltigkeit zur Regenerierung. Deshalb startete er mit dem Obstbaubetrieb Jelanisol & Montebello in Südspanien Versuche mit regenerativer Landwirtschaft. Für Lehmann bedeutet Permakultur das Schaffen von landwirtschaftlichen Paradiesen und nicht weniger als die natürliche Zukunft für unsere Erde und somit für uns und unsere Kinder.
Jelanisol & Montebello: Regenerative Landwirtschaft im Obstbau Südspaniens
Seit dem Besuch von zwei Permakultur-Beratern
vor einigen Jahren hat sich auf Jelanisol & Montebello vieles
verändert. Wer den Obstbaubetrieb besucht, wird mit frischem Obst der
Saison und lautem Vogelgezwitscher begrüßt: Zwei Forscher vom Zentrum
für Agrarökologie, Wasser und Resilienz (CAWR) der University of
Coventry, ein Biochemiker und eine Pflanzen-Ökologin, verbrachten im
Juni zwei Wochen auf dem 50 Hektar großen Demeter-Betrieb, der seit 1990
hauptsächlich Avocado und Orangen, neuerdings auch Kumquat und
Granatapfel anbaut.
Das Forschungszentrum in Coventry hat sich zum Ziel gesetzt, die Veränderungen auf Jelanisol & Montebello zu dokumentieren und zu bewerten. Die Ersterhebung zur Nachhaltigkeit erfolgte durch einen offiziellen Fragenkatalog (SAFA1) der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO (Food and Agriculture Organisation). Das Ergebnis zeigt, dass der Betrieb seit seiner Umstellung große Fortschritte gemacht hat.
Verschiedene Obstbäume werden in Mischkultur mit blühenden Kräutern und Klee als Untersaaten zur dauernden Bodenbedeckung angebaut, ein spezielles Verfahren zur Kompostierung dient der Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit. Für Wildtiere und Insekten bietet ein etwa acht Meter breiter Heckensaum am Rand der Fläche ein großes Rückzugsgebiet, Artenvielfalt wird somit begünstigt. Weitere Maßnahmen haben den Verbrauch an Wasser um etwa 25 Prozent verringert, die Stromkosten halbiert und die Produktion innerhalb von fünf Jahren verdoppelt. Manolo Báez Lozano, der Betriebsleiter, ist stolz auf diesen Erfolg – man sieht es ihm an, und er arbeitet bereits an der nächsten Betriebsumstellung. Diesmal sind es 100 Hektar unweit der portugiesischen Grenze. Friedrich Lehmann ist nunmehr der Überzeugung, dass Permakultur auch in größeren landwirtschaftlichen Betrieben funktionieren kann. Hierzu bedarf es geeigneter Methoden, die aktuell von seinem Team entwickelt werden. Eine besondere Herausforderung bereitet noch die Umstellung von Gemüse produzierenden Betrieben auf eine nachhaltigere Anbauweise – aber er geht davon aus, dass die Permakultur auch hierauf Antworten finden wird.
Kontaktadressen für Permakultur-Interessenten
- Permakultur Akademie, Berlin, in Zusammenarbeit mit dem PermaKultur Institut e. V., Hoffnungsthal, Deutschland, als Herausgeber des Permakultur Magazins www.permakultur-akademie.de
- Permakultur-Akademie im Alpenraum PIA, Stainz, Österreich, des Österreichischen Instituts für angewandte Ökopädagogik E.R.D.E. www.permakultur-akademie.com
- Permakultur Schweiz, Wattenwil, vermittelt neben Kursen auch Regiotreffs und -gruppen. www.permakultur.ch
- Permaculture Association, Großbritannien, verbindet mit der Informationsplattform die Permakultur in Europa mit den anderen englischsprachigen Ländern der Welt. www.permaculture.org.uk
Dr. Immo Fiebrig
war als promovierter Biochemiker
viele Jahre im Gesundheitswesen tätig. Seit 2008 interessiert er sich
für Permakultur und entschied sich daraufhin, sich bei den
Permakulturisten Sepp Holzer und Rosemary Morrow Theorie und Praxis
dieses Konzepts anzueignen. An der Universität Coventry baut er derzeit
das Forschungsgebiet Monitoring & Evaluierung von
Permakultursystemen auf.
Marion Buley
ist Agraringenieurin und
Europaökonomin und seit über 25 Jahren in der Ökolebensmittelbranche
tätig. Sie widmete sich unter anderem dem Aufbau von internationalen
Lieferketten und Ökolandbauprojekten. Nach Kursen bei Sepp Holzer legte
sie einen Permakultur-Streuobstgarten an und bietet seitdem Planung und
Management von Permakulturprojekten an.
Lesen Sie hier das Interview mit Friedrich Lehmann.
1 Sustainability Assessment for Food and Agriculture Systems: Nachhaltigkeitsbewertung für Nahrungsmittel- und landwirtschaftliche Systeme
Umwelt | Biodiversität, 01.08.2016
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2016 - Zukunft der Arbeit erschienen.
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