"Es geht ums Ganze!"

Umwelt, Menschen und Tiere - global und lokal

   
UN-Friedensbotschafterin Jane Goodall hat diesen dringlichen Gedanken vor 25 Jahren in die Herzen von zwölf Studenten aus Tansania gepflanzt. Daraus ist ein globales Netzwerk aus verschiedensten Umwelt- und Naturschutz-Projekten gewachsen, durch­geführt von 150.000 Mitgliedern in 130 Ländern. forum gratuliert zum Geburtstag.
 
Foto: © Jane Goodall Institut Deutschland"When I first met with high school students 25 years ago in Dar es ­Salaam, ­Tanzania, – the first group of Roots & Shoots – I hoped that it would spread to other countries. I could not have dreamt that a quarter of century later it would represent thousands of young people around the world learning about local problems, planning projects and creating so many hands on activities to benefit their communities, animals and the environment we all share. I am immensely proud of all those who have been a part of the programme over the years and hope that 2016 will be a year of celebration of all that Roots & Shoots has achieved and a platform to launch us even further in the years ahead.”

Dr. Jane Goodall, DBE
 
 
Im Jahr 1991 auf einer Veranda im schwülwarmen Tansania: Zwölf Studenten treffen sich voller Spannung mit der bekannten Primatenforscherin und späteren Umweltaktivistin Jane Goodall, um verschiedene lokale ökologische und soziale Probleme zu diskutieren. Mit aller Energie und höchster Motivation wollen sie die Situation in ihrem Land aktiv verbessern. Dies ist die Geburtsstunde des inzwischen weltweit aktiven Kinder- und Jugendprogramms „Roots & Shoots". Inspiriert von der wundervollen Begegnung folgten den ­Worten bald Taten, für die Kofi Annan, der damalige UN-General­sekretär, Jane Goodall 2002 zur UN-Friedens­botschafterin ernannte.

Gemeinsam für Mensch, Tier und Umwelt
25 Jahre nach seiner Gründung blickt das Netzwerk auf über 150.000 Mitglieder, die sich in mehr als 130 Ländern in regio­nalen Projekten für Mensch, Tier, Natur und ein friedliches Miteinander engagieren und dabei global vernetzt sind. Denn: „Es geht ums Ganze", wie immer öfter erkannt wird. So divers wie die Probleme und Herausforderungen, so vielfältig sind auch die Gruppen und ihre Aktivitäten: Das Spektrum reicht von der Wiederaufforstung abgeholzter Wälder in Tansania, Informationskampagnen zu den Folgen des steigenden Palmölkonsums, gemeinsamen Projekten mit Angehörigen indigener Völker über die Rettung des seltenen Flussdelphins in Indien oder des bedrohten Elefanten in Kenia bis hin zu Spiel- und Musikabenden mit Senioren in Deutschland.

Wurzeln sprengen Mauern
Die Aktionen setzen schon bei der jüngsten Generation an und sensibilisieren für ökologische sowie soziale Themen und deren Brisanz in der heutigen Gesellschaft. Doch das Teilnehmerspektrum reicht von Kindern im Schulalter bis hin zu Studenten und zunehmend auch gemischten oder reinen Erwachsenengruppen. Bei allen orientiert sich der Lernprozess an den Aspekten „Learn – Care – Act – Connect" (lernen – Sorge tragen – handeln – vernetzen) und stößt so eine positive Entwicklung in der jeweiligen Region an. Jane Goodall betonte häufig den grundlegenden Gedanken hinter dem Netzwerk: Jeder Einzelne kann tagtäglich seinen Beitrag zu einer besseren Welt leisten und gemeinschaftlich Großes bewirken. Denn, wie die Metapher „Roots & Shoots" bereits andeutet, hunderte Wurzeln (engl. „roots") und Sprösslinge (engl. „shoots") können sogar Mauern durchbrechen. Und damit dies weltweit erfolgt, fördert Roots & Shoots den interkulturellen, internationalen und sozialen Austausch. Viele der Jugendlichen, die damals zu den Pionieren von Roots & Shoots in Tansania zählten, verfügen inzwischen über einen akademischen Abschluss und nehmen Schlüsselpositionen im Natur- und Umweltschutz oder in sozialen Belangen des Landes ein. Nicht selten werden aus führenden Roots & Shoots-Mitgliedern wichtige Multiplikatoren und Young Leaders in der Gesellschaft – und das häufig ganz bewusst im eigenen Land, um sich vor Ort gegen Probleme wie Korruption, Wilderei, Ausbeutung der Natur und Armut einzusetzen. Seit 2012 gibt es auch in Deutschland junge „Roots & Shoots-Change-Makers" und die Anzahl an Projekten wächst kontinuierlich. Die Bandbreite der Themen ist beein­druckend, einige Beispiele sollen dies verdeutlichen.

Die engagierte Roots & Shoots-Gruppe München West hat die dortige Würm renaturiert und damit Biotope sowie ein Erholungsgebiet für Jung und Alt geschaffen. // Foto: © Jane Goodall Institut Deutschland

AirBnB für Bienen
Sehr kleine „Mitbürger" in Not schützen beispielsweise Schüler des Lilienthal-Gymnasiums in Berlin mit ihrem Roots & Shoots-Projekt „Bees Please". Es unterstützt die Ansiedlung von Wildbienen vor allem im Botanischen Garten Berlin und Umgebung. Im vergangenen Jahr wurde hier im Beisein von Jane Goodall ein Wildbienenhotel „AirBnB" (für „Bees and Bumblebees") eröffnet. In Deutschland leben über 550 verschiedene Wildbienenarten – sie alle spielen, wie auch die Honigbienen, eine zentrale Rolle als Bestäuber von Bäumen, Blumen und Nutzpflanzen. Fast die Hälfte der Wildbienen­arten ist jedoch durch den Verlust ihres Lebensraums bedroht. „Bees Please" möchte nicht nur über Wildbienen und ihre Situation informieren, sondern Besucher, andere Schulen und Gruppen dazu anregen, im eigenen Garten oder auf dem Balkon selbst Nistmöglichkeiten zu errichten. Die Gruppe „Beekeepers" aus Kirchberg widmet sich der Wiederansiedlung der Dunklen Europäischen Honigbiene, die schon fast ausgestorben und weniger empfindlich gegen die Ursachen des Bienensterbens ist. Ständig kommen neue Bienen-Gruppen hinzu, die in Kürze auf einem „Bees Blog" ihre Erfahrungen, Beobachtungen und Fragen austauschen können.

Mitnehmen in die neue Heimat
Internationale Zusammenarbeit und Integration sind Jane Goodall ein besonderes Anliegen. Eine deutsche Roots & Shoots-Gruppe setzt dies in einer Schulaktion konkret um. // Foto: © Jane Goodall Institut DeutschlandDer Flüchtlingsthematik nimmt sich die Roots & Shoots-­Gruppe „MSC-Team" der Martin-Luther-Schule in Rimbach an. Dort lassen sich die Jugendlichen zusammen mit ihren Lehrkräften immer wieder etwas Neues einfallen, um geflüchtete Mitschüler bestmöglich zu integrieren und in der neuen Heimat willkommen zu heißen. So luden sie auf Initiative einer Schülerin zahlreiche Flüchtlingskinder in den Chemiesaal ihrer Schule ein und führten gemeinsam faszinierende Experimente aus Biologie, Chemie und Physik durch. Sie konstruierten beispielsweise „Natur-Batterien" aus Zitronen und stellten Farben selbst her. Die anfängliche Unsicherheit, ob der Kontaktaufbau funktionieren würde, war schnell verflogen: „Die Stimmung am Nachmittag war super und gar nicht steif", so Kim Damer, die Initiatorin der Aktion. Bei den gemeinschaftlichen Lernerlebnissen bauten die Schüler rasch interkulturelle Brücken und knüpften neue Kontakte.

Zurück zur Natur
Die Roots & Shoots-Gruppe München West entstand aus einer Arbeitsgruppe an der lokalen Grundschule, die sich über zehn Jahre lang für ein Renaturierungsprojekt ein­setzte. Das Ergebnis darf sich sehen lassen: Die Grundschüler renaturierten gemeinsam mit dem Wasserwirtschaftsamt und dem städtischen Gartenbauamt einen Abschnitt der heimischen Würm, der jetzt als Naherholungsgebiet lebhaft genutzt wird. Bald sollen in weiteren Bereichen die Artenvielfalt gefördert und Biotope gepflegt werden. Eine weitere Aktion der unermüdlichen Roots & Shoots-Gruppe ist die Öko-Rallye am Muttertag, bei der sie den Teilnehmern ihr Naturschutzprojekt näher bringen und „Würm-Ranger" akquirieren. Im nächsten Jahr bereitet die Gruppe einen „Navi Natur GPS Guide" im Geocaching-Format vor, der am Muttertag erstmals vorgestellt werden soll und die Kinder an „Points of Interest" führt. Initiiert und betreut werden die Roots & Shoots-Gruppen in Deutschland durch das Jane Goodall Institut mit Sitz in München. Neben Unterstützung und Motivation gibt das Institut dort Hilfestellung, wo die jungen Aktivisten an ihre Grenzen stoßen.

Von Laura-Louise Gettman
 
Monica Lieschke, Geschäftsführerin des Jane Goodall Institutes, erzählt im forum Interview von ehrgeizigen Plänen.

Monika Lieschke leitet mit viel Herz, Verstand und Energie die Geschicke des Jane Goodall Institutes in Deutschland und unterstützt mit großem Engagement die jungen Roots & Shoots-Gruppen. // Foto: © Lieschke

Frau Lieschke, was ist Ihr Anliegen hinsichtlich Roots & Shoots (R&S)?
R&S verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, der Verbindungen zwischen Mensch, Tier und Umwelt lokal und global aufzeigt. Unsere Gruppen haben dadurch die Chance, sich mit anderen Gruppen innerhalb Deutschlands oder in anderen Ländern austauschen und vernetzen zu können. Immer mehr Kinder und Jugendliche erkennen, dass es „ums Ganze" geht, und sie schätzen es, dass sie sich nicht zwischen Umwelt- oder Tierschutz einerseits und sozialem Engagement andererseits entscheiden müssen. Uns ist es ein besonderes Anliegen genau diesen ganzheitlichen Ansatz anhand konkreter Beispiele aufzuzeigen und herauszuarbeiten. Ein Beispiel: Elefanten sind durch Wilderei und Elfenbeinhandel massiv vom Aussterben bedroht. Möchte eine Roots & Shoots-Gruppe aus München auf diesen Umstand hinweisen und am „Global March for Elephants" teilnehmen, dann kommen die Kinder selbst auf die Idee, zuvor Roots & Shoots-Gruppen in Kenia, Tansania oder Südafrika zu bitten, ihnen Plakate und Mitteilungen zu schicken, um so deren Botschaft in Deutschland verbreiten zu können.

Wie erfolgt die genaue Umsetzung in Deutschland?
Die ursprüngliche Idee Jane Goodalls war es, dass Kinder und Jugendliche selbst ein Thema wählen oder ein konkretes Problem aus ihrem Umfeld aufgreifen – was gerade bei älteren R&S-Gruppen oft der Fall ist. Doch manchmal müssen wir auch einladen mitzumachen – etwa bei Aktionen wie dem „Plastic Run", „Wildlife in your Backyard", „Bees Please", „Letters to Trees", „Positive News" und vielen mehr. Häufig melden sich Eltern oder Großeltern bei uns und helfen beim ersten Anschub. Manche stellen ein Projekt auf die Beine und wir sehen sie nie wieder, andere kommen nach einer Pause wieder auf uns zu und etwa ein Drittel ist dauerhaft aktiv. Auch Kinder arbeiten heute eher „projektorientiert". Und: Der Freizeitstress vieler Kinder stellt eine große Konkurrenz dar. Besonders aktive R&S-BotschafterInnen stellen ihre Projekte bei großen internationalen Konferenzen oder dem Umwelttag des Bundespräsidenten auf eigene Initiative vor. Solch intensives Engagement muss erst mal mit Schule und anderen Aktivitäten vereinbart werden.

Was ist die Zielsetzung für die Zukunft?
 Wir wollen eine „kritische Masse" von Gruppen erreichen und diese gut betreuen, wozu wir mehr Personal benötigen. Zusätzlich wollen wir die Qualität und Nachhaltigkeit von Aktionen und Kampagnen weiter steigern. Wir wollen außerdem unsere Kernthemen mit denen des globalen Lernens, der Friedenspädagogik sowie als globale Initiative auch mit den sogenannten SDGs (Sustainable Development Goals) verbinden – nicht umsonst ist Jane Goodall ja UN-Friedensbotschafterin. R&S besitzt dadurch ein Riesenpotenzial. Allianzen und Synergien mit anderen NGOs und Bildungsinitiativen sind weitere Chancen. Der KLETT-Schulbuchverlag greift R&S zum Beispiel in den Online-Materialien für den Englischunterricht und in den Online-Kursen für LehrerInnen auf. Für viele Kinder und Jugendliche sind der Mensch und die Ikone Jane Goodall sowie ihre spannende Biographie Auslöser, um sich selbst zu engagieren. Sie spüren, dass hier jemand weiß, wovon sie spricht und dies auch (vor-)lebt. Im Gegensatz zu manchen Politikern wird das Konzept Nachhaltigkeit hier greifbar, glaubwürdig und nachvollziehbar. Das ist eine große Chance für uns.

„Baum-Botschaften"
Die Aktion „Baum-Botschaften" wurde gemeinsam mit dem Botanischen Garten 2016 in München gestartet und soll auf weitere Städte ausgedehnt werden. Unter dem Motto „TREES DON’T HAVE A VOICE – YOU DO!" können Sie zum Beispiel Lieblingsbäumen einen Brief schreiben oder ihnen mit selbst gestalteten, inspirierenden Text-Bild-Botschaften eine Stimme verleihen. Für jeden unter www.janegoodall.de/baum-botschaften eingereichten Beitrag pflanzt das Jane Goodall Institut in Kooperation mit der National Tree Planting Campaign einen Baum in Tansania. Dieses zukunftsweisende Netzwerk von tansanischen Roots & Shoots-Gruppen gründete sich anlässlich des 25-jährigen Jubiläums von Roots & Shoots und hat seit Januar bereits über eine Million Bäume gepflanzt.

Unter allen Text-Bild-Botschaften wählt eine Jury besonders berührende oder inspirierende Beispiele aus. Diese werden dann mit Zustimmung des Urhebers als Postkarte oder E-Card in Umlauf gebracht. Die schönsten Briefe werden veröffentlicht und im Rahmen des diesjährigen Deutschlandbesuchs von Jane Goodall präsentiert. Die weltbekannte Umweltschützerin und UN-Friedensbotschafterin wird von 7. bis 9. Dezember 2016 in Frankfurt am Main, Tübingen und Stuttgart zu Besuch sein. Informationen zu den Veranstaltungen sowie dem Kartenverkauf unter www.janegoodall.de


Umwelt | Umweltschutz, 01.11.2016
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2016 - Klima, Krieg und gute Taten erschienen.
     
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