Nachhaltig wirtschaften

Ja, wie denn sonst?!

forum im Gespräch mit Markus Graf Matuschka von Greiffenclau über sinnvolle Investitionen, den Wachstumsmarkt Asien und die Erziehung zur Eigenverantwortung.

Herr Matuschka, welche Motivation haben Sie, in Nachhaltigkeit zu investieren?

Diese "Nachhaltigkeit" ist unter Umständen für eine Gesellschaft, die in erster Linie der Konsumreligion nachhängt, etwas Neues. Ich bin überzeugter Christ und mache immer große Augen, wenn mich die Leute fragen, warum ich nachhaltig wirtschafte: Ja, wie denn sonst? Grundsätzlich ist man schließlich dazu verpflichtet, so zu leben, dass man anderen keinen Schaden zufügt. Und egal was man tut, letztlich ist Nachhaltigkeit, wenn man über einen längeren Zeitraum denkt, auch der erfolgreichere Weg.

Welche Art von Projekten unterstützen Sie?

Ich versuche, langfristige Bewegungen zu erkennen. Und eine Bewegung, die langfristig zu sehen ist, ist, dass die Produktion sich immer mehr verlagert - zum Beispiel nach China oder Indien. So entstehen immer mehr Büros, der Papierbedarf steigt, Produkte müssen verpackt werden. Aber die Ökosysteme in Asien sind sehr viel komplexer als der Nadelwald Skandinaviens. Das heißt, der Skandinavier hat es sehr viel einfacher mit seiner Forstwirtschaft und mit der Papierproduktion. Der Druck der Öffentlichkeit auf die Firmen, die den Regenwald abholzen, wird immer größer und auch die Einsicht der Leute vor Ort wächst, dass das eine schlechte Idee ist. Aber sie brauchen trotzdem Papier. Vor fünf bis sechs Jahren haben wir also gesagt, wir müssen eine Möglichkeit finden, Papier herzustellen, ohne den Regenwald abzuholzen. Wir haben es zunächst mit Kenaf versucht - eins der am schnellsten wachsenden Gräser, das sich sehr gut zur Papierherstellung eignet. Technisch haben wir es schließlich geschafft, zu einem halbwegs vernünftigen Preis Papier aus Kenaf herzustellen. Dann kam der Biomasseboom aus Europa. Wir waren also plötzlich im Wettbewerb mit Sojabohnen und Biosprit. Das machte das Papier aus Kenaf so teuer, dass wir gegen Baumpapier nicht bestehen konnten. Ökologische Produkte haben meines Erachtens nur Erfolg, wenn sie mindestens gleich gut und gleichzeitig preiswerter sind. Dann wird der Konsument den Markt machen.

In der Pilot-Fabrik wird aus Pflanzenresten hochwertiger
Papierbrei hergestellt.

Was war die Lösung?

Die Regierung von Malaysia hatte uns zunächst angeboten, Regenwald zu roden und die Kleinbauern Kenaf anbauen zu lassen. Davon haben wir natürlich Abstand genommen, denn das wäre wirklich Absurdistan gewesen. Es bestehen aber in Indonesien, Thailand und Malaysia große Palmölplantagen, deren Ernteabfälle in riesigen Mengen verbrannt werden. Unsere Ingenieure haben nun ein Verfahren entwickelt, mit dem sich aus Pflanzenabfall hochwertiger Papierbrei herstellen lässt. Jetzt sind wir qualitativ mindestens gleichwertig und preislich sehr wettbewerbsfähig.

Der Wermutstropfen bei diesem Projekt ist nur, dass auch für die Palmölplantagen Regenwald hat weichen müssen, nicht?

Ja, das stimmt. Aber die Plantagen sind nun mal da und dann ist es immer noch sinnvoller, aus dem Abfall einen hochwertigen Rohstoff herzustellen, statt ihn zu verbrennen. Wir senken den CO2-Ausstoß pro Tag um 225 Tonnen, indem dieser Abfall nicht mehr verbrannt wird. Außerdem schützt diese eine kleine Pilot-Fabrik im Jahr 3,6 Millionen Quadratmeter Regenwald. Und wir haben zwei Dutzend "grüne" Arbeitsplätze geschaffen. Ich finde, das ist ein Erfolg.

Der wertvolle "Rohstoff" für den Papierbrei:
Ernteabfälle von Palmölplantagen

Würden Sie sich als Social-Business-Unternehmer bezeichnen?

Nein, ich bin jemand, der ordentlich Geld verdienen will - aber anständig. Ein Unternehmer ist kein Kapitalist. Ein Finanzkapitalist erfindet unter Umständen Wertpapiere, die nachher nichts wert sind. Aber meine Unternehmen schaffen Mehrwert und ich habe hohe Verantwortung für meine Mitarbeiter und deren Familien. Ich führe mit neudeutsch "Empowerment". Das ist bei all meinen Unternehmungen so. Die Mitarbeiter müssen mir vorlegen, wo sie in drei Jahren sein wollen. So fangen Menschen plötzlich an, über Ziele nachzudenken - und zwar nicht nur über wirtschaftliche. Wenn ich mir Ziele bewusst mache, fange ich an, etwas dafür zu tun. Meine Mitarbeiter müssen zeigen, was sie in drei Jahren alles können wollen und dann machen wir gemeinsam Pläne, wie die Firma ihnen dabei helfen kann. Ein Unternehmer hat in der Regel ein größeres Netzwerk, hoffentlich genügend Kapital und kann über solch eine Gemeinschaft für den einzelnen mehr erreichen als ein einzelner selbst. Das bezeichne ich als soziale Verantwortung - in Thailand, in Japan, in den USA, in Frankreich, in all meinen Firmen. Und es funktioniert, egal in welches Gesellschaftssystem man kommt. Man muss die Leute führen - aber zur Selbstständigkeit. Das ist genau das gleiche wie beim Mikrokreditwesen. Wir erziehen die Menschen dazu, selber zu denken.

Was ist das wichtigste bei solchen Projekten?

Am wichtigsten sind die Leute, Disziplin und Teamgeist. Innovationen und Ideen gibt es jede Menge. Das Problem dieser innovativen Menschen ist es, jemanden zu finden, mit dem sie diese Ideen teilen können und der ihnen dann diese Idee finanziert und eine Firma aufbaut. Kurz: Mit den Mitarbeitern, mit dem Team steht und fällt eine Firma.

Quelle:
Gesellschaft | Pioniere & Visionen, 07.08.2009

     
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