SmartGrid - Die Energieversorgung der Zukunft

Expertengespräch über intelligente Stromnetze

Ludwig Karg
Wie sieht die Energieversorgung von morgen aus? forum sprach mit Ludwig Karg von der B.A.U.M.-Group, der die Begleitforschung zum Projekt E-Energy der Bundesregierung leitet (www.e-energy.de), und Christian Feißt, dem Leiter Energieversorgung bei Cisco.


Was sind die Eckpunkte des E-Energy-Programms?

Ludwig Karg: Lassen Sie mich zunächst die Strukturen und Rahmenbedingungen erläutern. Mittels E-Energy soll ein auf Informations- und Komunikationstechnologien (IKT)-basiertes Energiesystem der Zukunft entwickelt werden. Es ist eine Technologie-Förderinitiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi). Aus einem Wettbewerb gingen Konsortien in sechs Modellregionen als Sieger hervor. Seit Dezember 2008 entwickeln und erproben diese Leuchtturmprojekte Kernelemente für ein Internet der Energie. In ressortübergreifender Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) unterstützt das BMWi die entsprechenden Forschungs- und Entwicklungs(FuE)-Aktivitäten der sechs Technologie-partnerschaften mit insgesamt rund 60 Millionen Euro. Die Partner investieren dafür weitere rund 80 Millionen Euro, so dass für die E-Energy-Modellprojekte insgesamt rund 140 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Zusätzlich hat das BMWi, ebenfalls in Zusammenarbeit mit dem BMU, einen neuen FuE Förder-schwerpunkt "IKT für Elektromobilität" geschaffen, der eng an E-Energy anknüpft und in dem ein Gesamtbudget in Höhe von weiteren ca. 120 Millionen Euro zur Verfügung steht.

Das Ziel von E-Energy ist ein Internet der Energie, das die vielen Akteure des Energiesystems von der Erzeugung über den Transport und die Verteilung bis hin zum Verbrauch vernetzt. Jedes Gerät, das an das Stromnetz angeschlossen ist - sei es Erzeuger oder Verbraucher - wird im Sinne von Plug & Play in das Regelsystem aufgenommen. So entsteht ein integriertes Daten- und Energienetz mit völlig neuen Strukturen und Funktionalitäten. E-Energy spannt gewissermaßen ein Dach über die Themen SmartMetering, SmartGrid und SmartHome und ergänzt sie um einen komplett neuen Marktplatz für zukünftige Dienstleistungen in der Energiewirtschaft. Damit leistet E-Energy nicht nur einen Beitrag zur Liberalisierung der Energiewirtschaft, sondern bereitet auch einen Weg für die Nutzung erneuerbarer Energien.
Christian Feißt


Wie sieht der Haushalt der Zukunft aus?

Christian Feißt: Im "Smart-Home" der Zukunft werden kluge Helfer wie Waschmaschinen oder Trockner über neue Kommunikationsschnittstellen im "Smart-Grid" kommunizieren. Leitzentralen können dann Haushaltsgeräte, die mit einem Steuerchip ausgestattet sind, über den Zustand im Netz informieren und Anreize für ein energieeffizientes Betreiben geben. Dank eines elektronischen Signals wie beispielsweise dem aktuellen Strompreis kann Last abgeworfen und der Strombedarf der Haushalte via Smart-Grid effizient gesteuert werden. Mehrere Haushalte lassen sich zu einer Stromabnehmereinheit zusammenschließen. Dadurch spielt man mit der Nachfrage und gleicht sie an die verfügbare Energie an. In Echtzeit schickt der Versorger dazu seine Tarifliste an den Gebäuderechner.

Haushaltsgeräte oder Wärmepumpen gehen so automatisch zum günstigsten und regelungstechnisch optimalen Tarif ans Netz und sparen so ihren Besitzern bares Geld ein.

Gibt es bis zur Verwirklichung des "Smart-Homes" eine Brückentechnologie? Nicht jeder wird gleich neue Haushaltsgeräte anschaffen können.

Christian Feißt: In einem Zwischenschritt kommen intelligente Steckdosen oder Zwischenstecker zum Einsatz, mit denen sich die Endgeräte ansteuern lassen. In den USA laufen mit der "Alliance IP for smart Objects" bereits erfolgversprechende Piloten.

Ludwig Karg: Auch in Deutschland sind wir hier schon recht weit. So erproben in Baden Württemberg einige Konsorten des E-Energy-Projekts, vor allem die Industriepartner IBM, Siemens, SAP sowie EnBW im Modellvorhaben zusammen mit Haushaltsgeräteherstellern wie Bosch und Siemens Hausgeräte Pilotanlagen in Gebäuden
Komponenten eines IKT-basierten Energiesystems; Copyright Siemens


Was ist Stand der Technik und worauf können sich Stromkunden einstellen?

Ludwig Karg: Die Technologie ist ziemlich weit im Bereich von SmartMetern, mittels derer Verbrauchs- oder Einspeisewerte regelmäßig fernausgelesen werden können. Im Internet der Energie messen die SmartMeter nicht mehr nur den Stromverbrauch oder die eingespeiste Strommenge, um eine Abrechnung erstellen zu können. Sie versorgen die intelligenten IKT-Gateways, die es noch zu entwickeln gilt, mit den notwendigen Informationen, damit diese zeitgenau Erzeugung, Netzbelastung und Verbrauch weitgehend automatisiert aufeinander abstimmen können. Das hilft, den Bedarf an teurem, teils mit veralteten Kraftwerken erzeugten Strom in Spitzenlastzeiten zu verringern, die Netze zu entlasten und die Versorgungssicherheit auch bei einer zunehmenden Zahl Erneuerbarer-Energie-Anlagen zu erhalten. Dadurch wird auch die Effizienz, die Transparenz und der Wettbewerb entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Kraftwerks- über den Netzbetrieb bis zum Endverbraucher gesteigert.
Neu im E-Energy-Netz sind Prognosesysteme, die - abhängig von dem über SmartMeter erfassten Verhalten der Konsumenten, dem zur Verfügung stehenden Erzeugungspark und von der Witterung - den Verbrauch und die Erzeugung von Strom vorhersehen. Davon ausgehend werden dann beispielsweise Preissignale an die intelligenten E-Energy-Netzknoten (IKT-Gateways) in Haushalten und Gewerbetrieben einerseits und an die Steuerungsanlagen von Energieerzeugern andererseits gesendet. Im Rahmen von vorher gewählten Einstellungen können diese IKT-Gateways dann das Einschalten von Verbrauchsanlagen aufeinander abstimmen, kleine Blockheizkraftwerke zuschalten oder Strom aus Speichern einspeisen. Wer solche Interventionen zulässt, kann sich das natürlich honorieren lassen auf dem noch zu entwickelnden elektronischen "Marktplatz der Energien", der damit weit über das Verkaufen von Strom hinausgeht. Dienstleister aller Art können sich dort mit neuen Produkten präsentieren. Möglich werden beispielsweise konkrete Angebote zum Energiesparen, die Überwachung und Fernsteuerung von Geräten oder das Laden des Elektromobils mit günstigem, gerade bereitstehendem "grünem" Strom. Auch die Stromkunden können auf diesem Marktplatz eine aktive Rolle spielen. Beispielsweise als Kleinanbieter von selbst erzeugtem Strom von ihrer Photovoltaik-Anlage, von ihrem Kleinst-Blockheizkraftwerk oder später auch aus der Batterie ihres Elektrofahrzeugs. Die Herausforderung besteht darin, neue, intelligente Produkte für den Energie-Marktplatz zu entwickeln und sie in das Portfolio der bisherigen Anbieter zu integrieren.

Wie lässt sich an Performance bei der Netzsteuerung gewinnen?

Ludwig Karg: Das Verteilnetz muss deutlich an Intelligenz gewinnen. Bisher erfolgt die Regelung im Netz auf der Basis von Standardlastprofilen. Wenn kurzfristig Regelenergie gebraucht wird, muss sie teuer zugekauft werden. Mit der steigenden Zahl von Anlagen Erneuerbarer Energien tut sich das Netz, das ja wie der Name sagt für die Verteilung konzipiert wurde, besonders schwer. Im Rahmen des Projekts AlpEnergy, das wir gerade mit Partnern im gesamten Alpenraum durchführen, haben die italienischen Partner gezeigt, dass solche Anlagen bis zu einem bestimmen Grad zwar stabilisierend auf das Netz wirken können - in vielen Teilnetzen gibt es aber bereits so viele Anlagen, dass Spannungs- und Frequenzhaltung eine große Herausforderung darstellen. Vieles wird einfacher, wenn es für die Einspeiser im Verteilnetz Speichermöglichkeiten gibt und das Einspeisen aus den Speichern wirtschaftlich möglich und attraktiv gemacht wird. Sei es durch eine entsprechende Änderungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz oder eben durch den neuen E-Energy-Marktplatz.

Was können die Verbraucher und Energieerzeuger tun auf dem Weg zum Internet der Energien?

Ludwig Karg: Es ist viel gewonnen, wenn die Lastspitzen nicht nur in den Gewerbebetrieben - da haben energie- und kostenbewusste Betriebe bereits ihre Lastwächter im Einsatz - sondern auch in den Haushalten reduziert werden. Die IKT-Gateways von E-Energy können dafür sorgen, dass nicht gleichzeitig die Umwälzpumpe für das Warmwasser und der Kühlschrank laufen. Wenn man ein sehr gut gedämmtes Haus und eine Solarthermieanlage für das Warmwasser hat, braucht man keine Erdgasleitung und keinen Heizkessel mehr. Es genügt ein Speicherofen, in dem Strom für Heizzwecke gespeichert wird, wenn er beispielsweise gerade von den Photovoltaikanlagen im Überfluss zur Verfügung steht. Die Batterie des künftigen Elektroautos sollte dann geladen werden, wenn ausreichend günstiger Strom aus erneuerbaren Energiequellen zur Verfügung steht, vielleicht könnte diese dann ja sogar auf kurzem Weg den Strom für den Fernseher liefern. Das alles setzt natürlich komplett neue Tarifsysteme voraus, die im Idealfall jede Minute einzeln abrechnen. Nicht zu unterschätzen ist der folgende Komfortgewinn: Man kann vom Urlaubsort aus prüfen, ob der Herd ausgeschaltet ist!

Wie dezentral ist die Energielandschaft der Zukunft?

Ludwig Karg: Wir brauchen den gesamten Mix - jeweils angepasst an die Potenziale und die Bedürfnisse der jeweiligen Region. Für Immenstadt im Allgäu machen wir beispielsweise gerade ein energetisches Gesamtkonzept. Da sind wir sehr zurückhaltend mit der Windenergie, um nicht das touristische Potenzial zu zerstören. In einem schmalen Band im Alpenvorland kann und sollte man das Portfolio um Tiefengeothermie ergänzen. Und wo es viel Industrie gibt, ist oft die Abwärme eine hervorragende Energiequelle. Die wichtigsten Komponenten im Strombereich sind wohl die IKT-Gateways und die neuen Produkte, die auf dem E-Energy-Marktplatz eingesetzt werden. Weil sie dafür sorgen, dass alle diese Energiequellen optimal genutzt und aufeinander abgestimmt werden.



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Quelle:
Technik | Energie, 26.10.2009

     
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