Verschwenden ...

... und wiederverwenden!

Sparen und einschränken bringt nichts - ein Leben ganz ohne Abfall muss her, sagt der Erfinder des Cradle to Cradle® Konzepts. Die Natur ist sein Vorbild.

"Die Natur verschwendet doch auch, sehen Sie sich nur mal Kirschbäume im Frühling an", begründet Michael Braungart sein Konzept, das auf Qualität statt Quantität setzt.
Foto: © Gerhard Eichstetter, www.pixelio.de
Eine auf stetiges Wachstum ausgerichtete Welt stößt zunehmend an die fernab geglaubten Grenzen der Ressourcenentnahme. Derzeitige Lösungsansätze zur Behebung dieser Probleme beruhen auf der effizienten Gestaltung von Prozessen, Dienstleistungen und Produkten. Doch können diese Maßnahmen den drohenden Kollaps wirklich verhindern? Nein, denn auf diese Weise "verbrauchen" wir unseren Planeten dennoch, wenn auch nur langsamer. Vor diesem Hintergrund sind innovative Ideen wichtiger denn je.

Die Menschen sind die einzigen Lebewesen auf unserem Planeten, die Abfälle verursachen. Alle anderen Lebensformen auf der Erde produzieren dagegen ausschließlich Nährstoffe, die sie in Kreisläufen führen. Das, was von einem Organismus innerhalb des natürlichen Systems nicht mehr benötigt und abgestoßen wird, dient für eine andere Lebensform als wertvoller Nährstoff und Lebensgrundlage. Alles ist Ressource - Abfall ist Nahrung.

Insofern spielt die Menge der eingesetzten Materialien keine Rolle, da diese fortlaufend innerhalb von Kreisläufen zirkulieren. Dabei sind die natürlichen Prozesse nicht öko-effizient, sondern öko-effektiv. Die Natur spart nicht, sondern "verschwendet", allerdings mit geeigneten Ressourcen.

Intelligent produzieren
Doch wie entkommen wir aus dem derzeitigen Dilemma heutiger linear ausgerichteter Wirtschaftsweisen, bei denen Nährstoffe in Müllverbrennungsanlagen und auf Deponien für immer eingebüßt werden? Ein Lösungsvorschlag heißt einfach "intelligent produzieren", indem alle eingesetzten Materialien in technischen und biologischen Kreisläufen zu führen sind. Dies bedeutet, nicht weniger schädliche Produkte herzustellen als zuvor, sondern vielmehr solche, die sowohl für die Menschen, als auch für die Umwelt förderlich sind und deren Inhaltsstoffe nach Gebrauch biologisch oder technisch nützlich sind.

Anstatt die linearen Stoffflüsse heutiger Produkte und Produktionsweisen "von der Wiege zur Bahre" zu verringern, sollten wir uns an der Kreislaufschöpfung der Natur - "von der Wiege zur Wiege" - orientieren.

Im Gegensatz zur Minimierung propagiert die Öko-Effektivität die Umwandlung von Produkten und der damit zusammenhängenden Materialströme in zyklische Stoffwechselkreisläufe. Damit bietet die Öko-Effektivität eine positive Alternative zu traditionellen Ansätzen der Öko-Effizienz, was die Entwicklung gesunder und ökologisch unbedenklicher Produkte und Systeme angeht. Bereits heute lassen sich Systeme errichten, die der Intelligenz, der Fülle und der Effektivität der Natur nachgebildet sind.

Wertstoffe, Sonne, Vielfalt
Aus dieser Ideologie heraus entstand das Cradle to Cradle®-Design Konzept, welches einen begrifflichen Rahmen für die Neugestaltung der Grundbeziehung zwischen Mensch und Umwelt liefert. Den Prinzipien der Natur entsprechend, beruht die Idee der naturnahen Produktion auf drei grundlegenden Prinzipien:

  • Jedes Produkt ist so konzipiert, dass es ein Nährstoff für ein anderes Produkt ist (Abfall = Nahrung)

  • Jedes Produkt wird erzeugt durch die ständig vorhandene Kraft der Sonne

  • Jedes Produkt trägt zur Vielfalt bei - sei es im Hinblick auf Konzept, Kultur oder Biodiversität



Das Cradle to Cradle®-Design definiert den Rahmen für die Entwicklung von Produkten und industriellen Abläufen, in denen Materialien zu Nährstoffen werden, die innerhalb des biologischen oder technischen Kreislaufs zirkulieren.

Der biologische Kreislauf bildet die zyklischen Prozesse der Natur ab: Der Abfall des einen Geschöpfs ist Nahrung für ein anderes. Dieser biologische Nahrungsbegriff wird - metaphorisch - auf technische Dinge, wie Autos, Waschmaschinen oder Fernseher übertragen. Auch diese Materialien sollen so konstruiert sein, dass sie in einer neuen Generation von Produkten wieder Verwendung finden können.




Das Cradle to Cradle®-Festival in Berlin war ein voller Erfolg. Wie es sich für ein richtiges "Festival" gehört, wurde ausgelassen gefeiert - doch nicht mit Tanzflächen oder DJs, sondern mit dem Cradle to Cradle®-Konzept, das sich am Überfluss und der Vielfalt der Natur erfreut und diese für Produkte nutzbar macht.

Kern des Festivals in Berlin war eine große Ausstellung rund um die Cradle to Cradle®-Produkte, -Hersteller und -Philosophie. Das Spektakel mit rund 80 Ausstellern wurde zudem durch hochkarätige Workshops und Diskussionen, Filmvorführungen und sogar durch eine Modenschau niederländischer, deutscher und schwedischer Designer ergänzt.

Für knapp zwei Monate zog das Festival mindestens 6.000 Besucher aus der ganzen Welt an und schloss am 16. März seine Türen in Berlin, um nun auf große Europatournee zu gehen. Feiern Sie mit! Los geht's in Münster vom 6. Juni bis 6. Juli 2011. Als Medienpartner wünscht forum Ihnen viel Freude und Inspirationen!
Produkte nach dem Cradle to Cradle®-Design-Konzept funktionieren genau so. Sie sind darum eine wichtige Antwort auf die drängendsten Herausforderungen unserer Zeit. Sie werden im Hinblick auf ihren gesamten Lebenszyklus entwickelt. Stoffströme für sämtliche Güter zirkulieren in technischen oder biologischen Kreisläufen. Ein T-Shirt zum Beispiel, dessen Produktionsprozess keine schädlichen Bestandteile enthält und das biologisch abbaubar ist, kann kompostiert werden. Es geht in den biologischen Kreislauf zurück und ist ein biologischer Nährstoff. In einem technischen Kreislauf können Materialien zirkulieren - Voraussetzung dafür ist, dass Produkte sich wieder in ihre Bestandteile zerlegen lassen und dadurch technische Nährstoffe für Folgeprodukte werden. So kann jeder Fernseher und jede Waschmaschine wieder zu einen neuen Gerät werden. Was in dem einen Lebenszyklus Abfall ist, ist dann in einem anderen, gleichwertigen Lebenszyklus wichtiger Nährstoff.

Mittels "intelligenter Verschwendung" nach dem Cradle to Cradle®-Design-Konzept muss der Mensch sich nicht züchtigen, seinen ökologischen Fußabdruck zu minimieren. Bei positiver und förderlicher Einwirkung darf und soll jener getrost groß sein. Alles neu zu erfinden, so dass es umfassend positiv ist, befreit Kreativität, bedeutet Wettbewerbsvorsprung und sorgt dafür, dass sich der Einfluss der Menschheit förderlich auf die Flora und Fauna dieser Erde auswirkt.


Von Michael Braungart
 
 

Im Profil
Foto: © Enith Stenhuys


Prof. Dr. Michael Braungart ist Dozent für Verfahrenstechnik an der Universität Lüneburg, Leiter des "Cradle to Cradle®"-Lehrstuhls an der Erasmus Universität in Rotterdam sowie Direktor eines interdisziplinären Masterprogrammes für Stoffstrom-Management an der Universität Twente. Darüber hinaus ist er Gründer sowie wissenschaftlicher Geschäftsführer der EPEA Internationale Umweltforschung GmbH in Hamburg.







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Quelle:
Umwelt | Ressourcen, 11.04.2011

     
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