Die schöne Else

Die Elsbeere sorgte vor einigen Monaten für eine kleine Sensation: Die heimische und dennoch fast unbekannte Art wurde zum Baum des Jahres 2011 auserkoren.

Die Elsbeere gehört trotz ihrer stattlichen Anmutung, dem guten Geschmack ihrer Früchte und dem Nutzen ihres Holzes zu den seltensten heimischen Baumarten. Ein Anzeichen für ein Umdenken in der Gesellschaft?

Von Thomas Kellner

Die schöne Else
Foto: © Wolf-Peter Polzin, www.wolfslight.de/wolf
Vor über 30 Jahren entdeckte ich sie das erste Mal: Die schöne Else, wie die Elsbeere im Volksmund genannt wird. Ich war damals als Waldarbeiter tätig, beschäftigte mich mit Heilkräutern, war jung und wollte die Welt verändern. Die "Forstwirtschaft" war auf Masse ausgerichtet, heimische Raritäten wie Elsbeere, Speierling, Eibe etc. führten wie auch heute noch ein Schattendasein im deutschen Ordnungswald. Große alte knorrige Bäume haben wirtschaftlich keinen Wert, ideell dagegen sehr. Bäume sind uralte, arteigene gewachsene Persönlichkeiten. Holzfehler gibt es keine, sondern, wie so oft im Leben, ist alles ein Problem der eigenen begrenzten Sicht und Denkweise.

Holz ist gewachsene Schönheit, Lebenskraft, gespeicherte Sonnenenergie und Sauerstofflieferant. Bäume sind geniale natürliche Produktionsanlagen für zahlreiche Rohstoffe. Heimische Wildbäume bilden einen fast unerschöpflichen Vorrat an kostbaren, vitamin- und vitalstoffreichen Früchten, sofern man sie überhaupt wachsen lässt und ihnen Lebensfreiraum bietet.

Die Wahl der Elsbeere zum Baum des Jahres 2011 eröffnet Möglichkeiten, nachhaltig die Baumwelt zu verändern und zu entdecken.

Der Baum des Jahres - Die Elsbeere
Da kommen nicht nur die Bienen ins Schwärmen: Die weißen Doldenblüten der Elsbeere sind so schön wie selten. Doch mit Pflanzaktionen und echt (!) nachhaltiger Waldwirtschaft soll sie wieder mehr Verbreitung finden.
Foto: © Wolf-Peter Polzin, www.wolfslight.de/wolf
Der Anblick: Selbst aufmerksame Naturfreunde sagen, sie hätten noch nie eine Elsbeere gesehen. Oft wächst sie am Waldrand an sonnigen Hängen und ist bei genauem Hinschauen an ihrer typischen Blattform und der markanten Rinde gut zu erkennen. Die Elsbeere (sorbus torminalis) ist das größte heimische Rosengewächs. Der Baum kann durchaus Höhen von 30 Meter erreichen. Über 200 verschiedene Namen wurden in der deutschsprachigen Literatur für die früher viel weiter verbreitete Baumart Elsbeere gefunden - so z.B. Adlitzbeere, Arlesbeere, Erlitze, Elsebeere, Elfenbaum und schöne Else. Die Blätter der schönen Else sind Ahorn und Weißdorn ähnlich, die Rinde erinnert im Alter an Apfel- und Birnbaum. Die weißen Doldenblüten bringen im Mai die Bienen zum Schwärmen.

Die Leckerei: Eine besondere Spezialität sind die Früchte: rotbraun und fast so groß wie Hagebutten. Schon die Römer schätzten die Elsbeere nicht zuletzt aus medizinischen Gründen: Die getrockneten Früchte dienten bei Bedarf gegen den "zu weichen Leib und Magen". Im Mittelalter wurden die Früchte getrocknet und wegen ihres Vitamin C-Gehalts und Aromareichtums als Delikatesse genossen.

In Österreich und Frankreich hat die Nutzung der Elsbeerfrüchte für die Branntweindestillation lange Tradition. Doch die Ernte der Früchte ist mit Mühsal verbunden. Das macht den "Adlitzbeerenbrand", wie diese Kostbarkeit in Österreich genannt wird, zum wohl teuersten Schnaps Mitteleuropas... und fast hat man den Eindruck, dass die wenigen, bäuerlichen Erzeuger den Edelbrand selbst für über 300 Euro je Liter nur ungern abgeben!

Das Holz der Elsbeere wurde auf der Pariser Weltausstellung im Jahre 1900 zum schönsten Holz der Welt gekürt. In der Zwischenzeit hat es im exklusiven Möbelbau und bei Holzliebhabern einen exzellenten Ruf erlangt. Mit Erlösen bis über 15.000 Euro/cbm für furnierfähiges Wertholz gibt die Elsbeere immer wieder Anlass zu Schlagzeilen. Durch seine Härte, Feinheit und Eleganz eignet sich das Holz besonders gut für zeitlose Möbel und Einrichtungen. Es lässt sich hervorragend bearbeiten, die samtige und sympathische Oberfläche eröffnet ein einzigartiges Tasterlebnis für die Sinne.

Der Nachwuchs: Die Elsbeere ist heute noch vereinzelt in hellen, wärmeren Mischwäldern und an Waldrändern zu finden. Sie wächst gerne bei Hainbuchen, Feldahorn, Eiben und ist sozusagen die heimliche Geliebte der Eiche. In den heutigen Hoch- und Wirtschaftswäldern hat sie kaum Überlebenschancen, da sie viel Licht und Pflege braucht.




Deutschland pflanzt eine Million Elsbeeren
Wichtige Gründe, um die "schöne Else" zu schützen, gibt es genügend. Daher ruft die "Bürger-Allianz zur Rettung der Elsbeere vor dem Vergessen" (Stiftung Baum des Jahres) zu einer einzigartigen - sich über mehrere Jahre erstreckenden - Pflanzaktion auf. Prof. Beate Jessel vom BfN und Umweltminister Norbert Röttgen sind schon mit gutem Beispiel vorangegangen.
www.baum-des-jahres.de oder
www.elsbeerallianz.de
Das Schattendasein: Leider werden die seltenen heimischen Edelhölzer durch die industriell verarbeiteten Massenhölzer wie Buche und Fichte verdrängt. Unsere gesamte deutsche Forstwirtschaft kann derzeit kaum einige hundert Kubikmeter nachhaltig gewachsenes Elsbeerholz pro Jahr liefern. Ihr wertvolles Holz ist der Elsbeere zum Verhängnis geworden, ebenso wie der Eibe, dem Buchsbaum und dem Speierling, nachdem es seit Jahrhunderten als hervorragendes Möbel- und Konstruktionsholz geschätzt wurde. Die gut gewachsenen, geraden, vitalen Bäume ergeben das beste Nutzholz und werden erbarmungslos gefällt. Wenn über lange Zeiträume nur die bedrängten und drehwüchsigen Bäume verschont werden, führt dies zur Negativauslese - jeder Züchter kann sich die Folgewirkung vorstellen. Der immens hohe Wildverbiss tut ein Übriges dazu. Kein Wunder also, dass in heutigen Wäldern, wenn überhaupt, meist nur noch schwachwüchsige Elsbeeren im wahrsten Sinne des Wortes ihr Schattendasein führen.

Die Waldwirtschaft: Nachdem über Generationen hinweg bei der Waldbewirtschaftung fast nicht auf die "seltenen Baumarten" geachtet wurde, zeigt sich jetzt die Armut des deutschen Waldes an Werthölzern. Es gibt kaum noch alte Bäume, kaum noch Maserbäume und fast keine Wildfruchtbäume mehr. Es ist offensichtlich, dass der Bedarf vieler Kleinverarbeiter, Tischler und auch der Furnierwerke nicht aus eigener Erzeugung gedeckt werden kann. Dieser Trend ist kurzfristig kaum umkehrbar: Baumstämme benötigen 140 Jahre bis zur Reife - das bedarf 140 Jahre wiederholter Pflege von der Verjüngung an bis zum Baumholzalter. Alle Wald- und Landbesitzer sind daher gefordert, die seltenen Baumarten auf den ihnen zusagenden Standorten anzupflanzen, zu schützen sowie konsequent und nachhaltig zu fördern. Nur so kann mit den Jahren ein höherer Anteil erreicht werden.

Ob die heutigen Zertifizierungssysteme wie FSC und PEFC förderlich für die seltenen Baumarten sind, ist nach wie vor ungewiss. Denn ist eine Art erst einmal verschwunden, kann sie sich auch nicht mehr natürlich verbreiten, auch wenn die Schlagworte von "naturgemäßer Waldwirtschaft" und "Naturverjüngung" gut klingen. Wenn der Waldbau ausschließlich mit natürlicher Verjüngung und ohne Pflanzung arbeitet, wird sich die Elsbeere in Deutschland auch auf den ihr zusagenden Standorten immer weniger behaupten können.

Unser Einfluss: Es hat keinen Sinn, sich über Fichten- bzw. Buchenmonokultur und die Abholzung des Regenwaldes zu beklagen, wenn dafür andererseits nicht die Bereitschaft besteht, seltenen heimischen Baumarten die ihnen gebührende Unterstützung zu bieten, die sie zum Überleben brauchen. Jeder Einzelne von uns hat durch sein Kauf- und Konsumverhalten Verantwortung für die Zukunft unserer Heimat. Wollen wir Gift und Gülle oder Biolandwirtschaft fördern? Auch der Staats- und Gemeindewald ist unser gemeinsames Erbe, und es liegt an uns, wie die Wälder der Zukunft aussehen werden: Monokulturen, Holzäcker, Teakholzplantagen oder artenreiche Mischwälder, mit einer Vielzahl gepflegter Baumarten?

Geburtstage, Taufen, Feste, Jubiläen und andere Anlässe gibt es genug, um eine Elsbeere zu pflanzen oder zu spenden. Vielleicht wird die Elsbeere mit ihrer Ehrung zu einem Symbol für ein neues Zeitalter, in dem die bewusste Förderung von Kultur, Miteinander und Menschlichkeit über kurzfristiges Profitdenken und Egoismus gestellt wird.

Weitere Informationen:
  • www.elsbeere.com

  • www.urholz.de

  • Broschüre "Die Elsbeere", Stiftung LBBW und

  • DVD "Die Elsbeere",

sind bei Urholz erhältlich.




Dürfen Bäume wieder in Ruhe uralt werden?
Ein Konzept für nachhaltige Holzmöbel

Gefällte Elsbeerstämme als Industrieholz zur Herstellung von Klopapier? "Da ist doch der (Holz- )wurm drin", dachte sich Thomas Kellner und erwarb das im Mittelalter hoch geschätzte kostbare Holz. Mit einem geerbten Zieheisen, der Geburt des ersten Kindes und einer Kinderwiege begann die Geschichte von Urholz.

Mit ihrer Möbelgestaltung will die Firma Urholz dazu beitragen, vergessenes Wissen und natürliche langlebige Schönheit im Wohnumfeld des Menschen wieder einzubürgern. Urholz beschäftigt sich schon seit Jahren mit der Nachzucht, Förderung und Aufklärung über verborgene heimische Baumarten. Den Wald sieht das Unternehmen nicht nur als Rohstofflieferant, sondern auch als Klimaregulator, Wasserspeicher und Erholungsort.


Foto: © Thomas Kellner, Urholz
Holz ist einzigartig - die daraus gefertigten Urholz-Möbel sollten dies auch sein. Jeder Baum besitzt seine ureigenste Ausstrahlung und Struktur - er stellt mit seinem Wuchs, seiner Maserung, den Ästen und seinen Eigenheiten immer eine neue Herausforderung dar. Dabei kommt für Urholz ausschließlich die Verwendung von Massivholz in Frage, da es nur so möglich ist dauerhafte Werte zu schaffen, welche über Generationen gewachsen, auch Generationen erhalten bleiben.

Oft verwendet Urholz für Möbelunikate vom Sturme gefällte Bäume - z.B. für maßgefertigte originelle Schreibtische, ausgefallene Büroeinrichtungen, Couch- und Esstische, Schrankwände und Betten. Durch Skulpturen und Raumsäulen kommt außerdem die innere Schönheit des Holzes zum Vorschein.

Die Verwendung einheimischer Edelhölzer schärft das Bewusstsein der Menschen für hier vorhandene Werte und durch das Prinzip von Angebot und Nachfrage wird die Anpflanzung neuer Edelhölzer in den Wäldern gefördert. Mit einer eigenen kleinen Baumschule und Baumpflanzaktionen sorgt Urholz für eine weitere Verbreitung besonderer Hölzer und ist aktiv an Förderkreisen für seltene heimische Bäume beteiligt.



Quelle:
Umwelt | Biodiversität, 11.05.2011

     
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