Leichter Fußabdruck erwünscht

Product Carbon Footprint kann zu Energieeinsparungen beitragen

Von Ludger Nuphaus und Simone Walg

Der Product Carbon Footprint drückt die Umweltbelastung eines Produktes durch die Menge der emittierten Treibhausgase aus. Er schafft Transparenz entlang der Wertschöpfungskette eines Produktes und deckt somit Energieeinsparpotenziale auf. In einem Forschungsprojekt werden nun die Möglichkeiten zur Umsetzung in kleinen und mittleren Unternehmen untersucht.

Verteilung der Treibhausgasemissionen einer Weinkellerei
Foto: © Simone Walg
Vor wenigen Jahren begannen englische Handelsunternehmen damit, einen konkreten Kohlendioxid-Wert als Carbon Footprint auf einzelne Produkte aufzudrucken. In diesem Augenblick waren deutsche Unternehmen, die nach Großbritannien exportieren, ebenfalls gefordert. Sie mussten sich dem Thema Footprint stellen, wollten sie ihren Absatzmarkt auf der Insel nicht verlieren. Für eine Weinkellerei in Bingen war dies der Anlass, einen Footprint erarbeiten zu lassen. In Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Bingen ließ das Unternehmen die mit der Herstellung von Wein verbundenen Emissionen im Rahmen einer Diplomarbeit berechnen. Als Ergebnis stellte sich heraus, dass die Emissionen aus der Herstellung der Glasflasche den größten Anteil an klimawirksamen Emissionen verursachten. An zweiter Stelle folgten die Emissionen aus dem Transport des Flaschenweins nach Großbritannien. Dies gilt allerdings nur für die bei den Berechnungen zugrunde liegenden Rahmenbedingungen: Die Freisetzung von klimawirksamen Gasen in der Anbauphase des Weins sowie in der Vertriebs- und Entsorgungsphase wurde dabei nur teilweise betrachtet. Die Berechnung bezieht sich auf die Anlieferungen von Most, Wein und Süßreserve am Werkstor der Kellerei bis zum ersten Lager in Großbritannien.

Definition Footprint
Der Product Carbon Footprint bezeichnet die Bilanz der Treibhausgasemissionen entlang des Lebenszyklus eines Produktes in einer definierten Anwendung und bezogen auf eine definierte Nutzeinheit [Entwurf ISO 14067 "Carbon footprint of products"]


Systemgrenzen beachten
Das Beispiel der Weinkellerei verdeutlicht, dass die genauen Systemgrenzen für die Berechnung des Footprints bei seiner Interpretation stets zu beachten sind. Jedoch ist dies in der Praxis häufig nicht immer darstellbar und wird in manchen Fällen auch von Auftraggebern nicht gewünscht.
Möchte eine Firma die mit den Vorprodukten verbundenen Umweltbelastungen ermitteln, kann sie von ihren Zulieferern entsprechende Angaben einfordern. Will hingegen ein Konsument wissen, welche Klimabeeinträchtigung insgesamt mit dem Produkt verbunden ist, muss sich der Footprint auf den gesamten Lebensweg beziehen, von der Rohstoffgewinnung über Produktion und Distribution bis hin zur Nutzungsphase und zur Entsorgung.

Zu unterscheiden sind deshalb folgende Möglichkeiten der Begrenzung eines Footprints:

Zielsetzung Bezeichnung Untersuchungsumfang
Konsumenten Cradle to grave Kompletter Lebenszyklus von Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung
Lieferketten Cradle to gate Rohstoffgewinnung, Produktion, evtl. Distribution
Interne Nutzung Gate to gate Partieller interner Carbon Footprint


Werbung mit dem Carbon Footprint.
Foto: © Georg Cichorowski
Interesse bei Unternehmen
Die Möglichkeiten zur Anwendbarkeit des Footprints in Deutschland wurden bisher in einem vielbeachteten PCF Pilotprojekt Deutschland untersucht [ ]. Manche Teilnehmer nutzen die Ergebnisse schon im Marketing (Abb. 2). Eine wichtige Erkenntnis des Pilotprojekts war, dass die Angabe eines konkreten Wertes für den Fußabdruck nicht zielführend ist. Dies liegt zum einen an den unterschiedlichen Systemgrenzen bei der Berechnung eines Footprints, zum anderen an den fehlenden Vergleichswerten für den Verbraucher.

Neues Forschungsprojekt: Anwendbarkeit auf KMU
Jetzt untersuchen vier verschiedene Hochschulinstitute im einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundprojekt die Anwendbarkeit der Methodik bei kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU). Ziel des Vorhabens ist es, die Praxistauglichkeit des CO2-Fußabdrucks und seine Anwendbarkeit für KMU zu testen. Ebenfalls wird ermittelt, wie und mit welchem Erfolg sich die Ergebnisse in Richtung der Kunden kommunizieren lassen.
Mitte November 2010 wurden bei einem Projektworkshop in Darmstadt das Vorhaben, seine Randbedingungen und die beteiligten Unternehmen vorgestellt. In der Diskussion mit den Unternehmen aus verschiedenen Branchen[ ] zeigte sich, dass es für Unternehmen besonders im internationalen Wettbewerb immer wichtiger wird, sich zu Fragen von Umwelt- und Klimaschutz zu positionieren.

Der Footprint liefert Unternehmen eine Möglichkeit,
  • Energie verbrauchende Prozesse im Lebensweg des Produkts aufzudecken,
  • Energieeinsparpotenziale zu erkennen und zu nutzen,
  • dadurch Umweltbelastungen zu vermindern und so
  • Wettbewerbsvorteile gegenüber Mitbewerbern zu erzielen, sowie
  • das Image in Richtung nachhaltiges Unternehmen auszubauen.

Der PCF kann also ein geeignetes Instrument darstellen, um die Klimawirksamkeit von Waren und auch Dienstleistungen zu ermitteln, zu beurteilen, zu verbessern und zu kommunizieren. Er erlaubt es, Energieeinsparpotenziale bei Herstellung der Rohstoffe und der Vorprodukte, bei der eigentlichen Produktion und beim Vertrieb, sowie bei der Nutzung und bei der Entsorgung des Produkts aufzudecken.
Die Forschungspartner sind sich dabei bewusst, dass der Carbon Footprint nur eine von mehreren ökologischen Kenngrößen für Produkte ist. Sie bezieht sich lediglich auf die Freisetzung von klimarelevanten Gasen und somit auf den Treibhauseffekt. Nicht berücksichtig werden andere Umweltwirkungen, wie z. B. Wasserverbrauch oder die Freisetzung von Schadstoffen.

Datenbeschaffung nicht immer einfach
Zur Erstellung eines Footprints ist eine differenzierte Analyse der einzelnen Produktions- und Entsorgungsprozesse, der eingesetzten Stoffe, der Logistik und des jeweiligen Energieaufwandes erforderlich. Dabei sollen auch CO2-Senken ermittelt werden und in die Berechnungen einfließen. Große Unternehmen sind vielfach in der Lage, die für einen Footprint erforderlichen Daten von ihren Lieferanten einzufordern. Sie können auf Daten innerhalb des eigenen Unternehmens zurückgreifen. Für kleine und mittelständische Unternehmen jedoch ist es nicht so leicht, alle erforderlichen Daten von den Lieferanten zu erhalten. Sie verfügen in vielen Fällen nicht über detaillierte Bilanzierungen ihrer Material- und Energieströme.
Besonders diese Situation ist für die Wissenschaftler von Interesse: Gelingt es den KMU mit vertretbarem Aufwand, einen Footprint für sich oder für ihre Kunden zu erstellen? Welche Primärdaten können sie bereitstellen und welche Daten stehen von anderer Seite zur Verfügung? Welche normativen Vorgaben können umgesetzt werden, welche nicht? Diese Fragestellungen werden in dem Forschungsprojekt nun näher untersucht. Mit dem anschließenden Vergleich der Erfahrungen über verschiedene Unternehmensgrößen, Produktarten und Branchen hinweg werden Erkenntnisse erarbeitet, die für die Bewertung der Praxistauglichkeit des Konzepts Carbon Footprint herangezogen werden können.

Für die Binger Weinkellerei haben die Erkenntnisse mit dazu beigetragen, die Verpackung von Wein für den englischen Markt zu ändern. Künftig wird der Wein auch in PET-Flaschen abgefüllt. Dadurch wird der Energiebedarf für die Transporte der Flaschen nach England vermindert. Ebenfalls wurden in der Kellerei Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz umgesetzt, z. B. Abwärmenutzung bei den Kompressoren und Optimierung der Kühlung. Somit verringert die Weinkellerei den Carbon Footprint ihres Weines und leistet einen Beitrag zur Verwirklichung von mehr Nachhaltigkeit.

Fazit:Während in England, Schweden und Frankreich schon weitergehende Erfahrungen mit dem Product Carbon Footprint bei Unternehmen und Konsumenten vorliegen, haben deutsche mittelständische Unternehmen bislang nur geringe Erfahrungen mit der Anwendbarkeit des CO2-Fußabdrucks. Ziel des Forschungsvorhabens "PCF-KMU" ist es, die Praxistauglichkeit des Kohlendioxid-Fußabdrucks zu testen und herauszufinden, ob und inwieweit dieses Konzept für KMU tauglich ist und wie es sich gegenüber den Kunden vermitteln lässt.


Autoren
Dipl.-Ing. (FH) Ludger Nuphaus
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institute for Environmental Studies and Applied Research der Fachhochschule Bingen
Berlinstr. 109
55411 Bingen
T. +49 (0)6721 919 337
nuphaus@fh-bingen.de
www.fh-bingen.de

Dipl.-Ing. (FH) Simone Walg
Mitarbeiterin in der Transferstelle für Rationelle u. Regenerative Energienutzung Bingen (TSB)
Berlinstr. 107a
55411 Bingen
T. 06721 9842413
walg@tsb-energie.de
http://www.tsb-energie.de

Quelle:
Technik | Energie, 08.09.2011

     
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