Urlaub von Verantwortung?

Wirtschaftliche Entwicklung auf Kosten einzigartiger Naturwunder

Während die Tage in unseren Breiten am kürzesten sind und der Winter Einzug hält - was klingt da verlockender als ein Urlaub in der Wärme fernab unserer täglichen Verantwortung? Und damit stehen wir hier im Norden keinesfalls allein da - Tourismus ist die größte Industrie der Welt, Wachstumstendenz weiterhin steigend. Während Urlauber sich nach einzigartigen Reisezielen sehnen, die authentische Kultur, unberührte Natur und eine atemberaubende Tierwelt versprechen, kommen Anbieter kaum hinterher, überhaupt noch abgelegene und naturbelassene Reiseziele ausfindig zu machen, in denen der Tourismus noch nicht seine Spuren hinterlassen hat.

Vor diesem Hintergrund ist es kaum verwunderlich, dass Afrika im Rennen der beliebtesten Urlaubsdestinationen im letzten Jahrzehnt in Führung gegangen ist - eine Entwicklung, zu der auch die Fußballweltmeisterschaft in Süd-Afrika ihren Beitrag geleistet haben dürfte. Statistiken zeichnen ein ähnliches Bild: Die Anzahl internationaler Touristen, die Afrika jährlich besuchen, stieg von 15,1 Millionen im Jahr 1990 auf 33,4 Millionen für 2004. Damit stieg das Bruttoinlandsprodukt allein durch Reiseverkehr und Tourismus von ?22 Milliarden auf ?53,5 Milliarden respektive. Der World Travel and Tourism Council prophezeit mit 77 Millionen Besuchern im Jahr 2020 sogar einen Anstieg auf mehr als das Doppelte.

Wenn man bedenkt, dass Afrika anderen Wirtschaftsmächten in Bezug auf Produktion und Dienstleistungsangeboten bei weitem nicht das Wasser reichen kann, scheint sich Tourismus geradezu als Allheilmittel gegen die Entwicklungsherausforderungen des Kontinents anzubieten. Schenkt man jedoch der langläufigen Meinung Glauben, der beste Tourist sei immer noch der, der zuhause bleibt, stellt sich die Frage, ob die zwei Wochen in Afrika in Anbetracht des eigenen ökologischen Fußabdrucks und des Unbehagens gegenüber einiger Regierungen wirklich ein Urlaub sind, den der verantwortungsbewusste Konsument überhaupt noch in Betracht zieht.

Wir bei der non-profit African Fair Tourism and Trade Organisation - AFTTO - sind überzeugt es gibt nur eine Antwort - "Ja! Aber mit gewissen Qualitäts-Ansprüchen." Leider vermag Tourismus gerade die einzigartigen Sehenswürdigkeiten zu zerstören, für die Besucher bereit sind aus allen Ländern der Welt anzureisen. Gleichzeitig weist die Branche mehr Potential als jede andere auf, einen gewaltigen Impuls auf die Entwicklung des Kontinents auszuüben und dabei Afrikas einmaliges Umwelt-, Geschichts- und Kulturerbe zu schützen.

Südafrika, Kenia, Tansania, Uganda - Afrika ist ein Mekka der Artenvielfalt. Nichtsdestotrotz geht der steigende Reichtum einiger Afrikaner Hand in Hand mit negativen Entwicklungen für andere Landsmänner und -frauen. Solange lokale Bevölkerungen, Anforderungen an Umweltschutz und soziale Bedürfnisse nicht im größeren Tourismusnetzwerk vertreten werden, wird sich die Schlucht zwischen denen, die vom schnellen Wachstum profitieren und denen, die zurückbleiben, unaufhaltsam weiter ausdehnen. Als Antwort darauf müssen Geschäftspraktiken her, die unter Einbeziehung der afrikanischen Bevölkerung operieren. Das bedeutet, dass Reiseveranstalter und Hotels statt des unternehmerischen Profits, der die von ihnen verursachten externen Kosten außer Acht lässt, von nun an qualitativ hochwertige Reiseziele entstehen lassen, die nicht nur "lebenswerter für die örtliche Bevölkerung, sondern auch sehenswerter für Besucher" sind, so Jeff van Staden, Leiter des führenden deutsch-afrikanischen Reiseveranstalters Elangeni. Was van Staden meint ist Nachhaltiger Tourismus. Regierungen und Reiseveranstalter setzen sich seit Jahren für Richtlinien ein, die die Entwicklung von Verantwortlichem Tourismus vorantreiben. 1996 veröffentlichte die südafrikanische Regierung ein Whitepaper, das Rahmenrichtlinien für Tourismus im Allgemeinen festlegt und in einem Kapitel gesondert auf die Zielsetzung Nachhaltiger Tourismus eingeht. Vor dem Hintergrund der Internationalität der Tourismusbranche kann dieser Herausforderung jedoch nicht auf nationaler Ebene begegnet werden. Was wir brauchen, ist eine verbindliche Charta für Nachhaltigen Tourismus in ganz Afrika.

Wie viele schlechte Beispiele auch in unseren Ohren nachklingen - die Zahl an Best Practices steigt unaufhaltsam: vom traditionellen in Ghana angesiedelten Reiseveranstalter Kasapa, der sich darauf spezialisiert hat, Touristen das wahre Afrika durch Besuche in ländlichen Dörfern zu vermitteln, bis hin zum weltbekannten Singita Game Reserve - einem Veranstalter, der Urlaub der gehobenen Klasse anbietet und dabei auf ein orchestriertes Programm von Naturschutz, Ökotourismus und Gemeindeentwicklung setzt. Alle Gemeinden, in deren Umfeld Singita aktiv ist, profitieren von grundlegenden Konzepten wie die Einbindung lokaler Unternehmen in die Tourismuswirtschaft bis hin zu Gemeinde-spezifischen Programmen wie Berufsausbildungen oder HIV/AIDS-Vorsorge-Programmen. Sollte sich jemals die Frage gestellt haben, ob Nachhaltiger Tourismus neudeutsch für "Natur-Urlaub unter Verzicht auf jegliche Annehmlichkeiten" ist - Singita beweist das Gegenteil.

Selbst wer den Blick von einzelnen Vorzeigeunternehmen abwendet, wird trotzallem erkennen, welche grundlegenden ökologischen Prinzipien für das enorme Veränderungspotential des Tourismus in Afrika sprechen. Ein trauriges Beispiel hierfür ist das Bauvorhaben eines gewaltigen Highways, der die Serengeti durchqueren soll und damit eines der weltgrößten Naturwunder unabsehbaren Gefahren aussetzt. Während Naturschützer den Absichten von Urlaubern von Natur aus kritisch gegenüberstehen, sind es nun mal diese Touristen und ihre Industrie, die den nötigen Druck auf afrikanische Regierungen ausüben können von solchen Vorhaben abzusehen. Dem liegen zwei wichtige Tatsachen zugrunde:
  1. Führt Tourismus dazu, dass Naturwundern ein nicht unerheblicher ökonomischer Wert zugeschrieben wird. Regierungen beginnen zu begreifen, welchen wirtschaftlichen Risiken sie ihr Land aussetzen, sollten die Zerstörung von Natur- und Artenreichtum zu sinkenden Besucherzahlen führen.
  2. Ist Tourismus in vielen Ländern Afrikas von Haus aus das mächtigste Medieninstrument, das ihnen zur Verfügung steht.
Jeff van Staden ist der Meinung: "Die beeindruckenden Bilder und Vorstellungen, die wir von Afrika haben, sind erst durch seine Kultur und den Tourismus entstanden. Riskiert ein Land diesen Ruf, kann es viel Aufwand bedeuten, diesen guten Namen wiederherzustellen. Allein aus diesem Grund sollten afrikanische Länder ein großes Eigeninteresse daran haben, Tourismus verantwortlich und nachhaltig zu gestalten."

Indem sie die einzigartigsten Naturwunder und Schauplätze der Welt bewahren und sicherstellen, dass sich Entwicklung durch Nachhaltigkeit auszeichnet, können die Länder Afrikas ihre Anziehungskraft als Urlaubsziel vervielfachen. Aus diesem Grund sind wir davon überzeugt, dass Afrikas Zukunft darin liegt, das Potential nachhaltigen Tourismus voll auszuschöpfen und Besuchern keinen Urlaub fernab jeglicher Verantwortung anzubieten. Vielmehr sollte der Tourismus allen Branchen voran den Weg hin zu einem zukunftsfähigen Afrika bereiten.

Über die Autoren:






Nick Tolhurst

ist Leiter und Mitbegründer von AFTTO, CSR-Experte und Autor von "Responsible Business" sowie "A to Z of CSR".







Anika Horn
ist Research Managerin bei AFTTO und war zuvor als Projektassistentin im Genisis Institute for Social Business and Impact Strategies tätig.





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Quelle:
Technik | Mobilität & Transport, 11.10.2011

     
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