Fällt die Energiewende aus?

Photovoltaikvergütung drastisch gekürzt

Bundeswirtschaftsminister Rösler und Bundesumweltminister Röttgen haben am 23. Februar 2012 eine gemeinsame Position der Bundesregierung zur Photovoltaikvergütung und zur EU-Energieeffizienzrichtlinie vorgelegt und sind stolz auf ihre Einigung. Hersteller und Verbände wie Eurosolar oder DNR kritisieren den Entwurf hart.

Kosteneffizienz und ökonomische Anreize wichtig
Die Position der Bundesregierung

Streitobjekt: Die Förderung der Solarstromproduktion.
Foto: © s.media / pixelio.de
Die beiden Minister erklärten, dass die Vorschläge der beschleunigten Umsetzung und dem Erfolg der Energiewende dienen. Die Energiewende sei eines der bedeutendsten Infrastruktur- und Modernisierungsprojekte der kommenden Jahrzehnte. Sie sei mit großen Chancen für den Wirtschafts- und Industriestandort Deutschland verbunden. Kosteneffizienz und die richtigen ökonomischen Anreize seien dabei wesentliche Kriterien für ihren Erfolg und für ihre Akzeptanz. Diese Kriterien würden mit den beiden Vorschlägen erfüllt.
Rösler: "Die Steigerung der Energieeffizienz ist eine tragende Säule unseres Energiekonzepts. Wir haben in den vergangenen Jahren schon viel erreicht: Deutschland hat einen seit Jahren rückläufigen Energieverbrauch und dennoch ein ganz beachtliches wirtschaftliches Wachstum. Die nun erzielte Einigung bei Art. 6 der EU-Effizienzrichtlinie lässt den Mitgliedstaaten die notwendige Flexibilität im Hinblick auf die Formulierung des nationalen Ziels - Energieeinspar- oder Energieeffizienzziel - und auf die Wahl der Instrumente zur Zielerreichung. Zugleich bleibt der Vorschlag ambitioniert, denn die Mitgliedstaaten legen damit erstmals verbindliche nationale Ziele fest. Wir legen auch künftig nicht per Gesetz fest, wie viel Energie eine Volkswirtschaft oder ein bestimmter Sektor in Zukunft verbrauchen darf und zwingen keinen Akteur zu bestimmten Maßnahmen."

"EEG-Umlage für Stromverbraucher stabil halten
Röttgen: "Mit unserem Vorschlag zur Photovoltaik-Förderung wollen wir die Zubaumenge und die Kosten wirksam begrenzen. Gleichzeitig schaffen wir für die PV-Industrie stabile Rahmenbedingungen, damit sie sich auch in Zukunft auf dem Weltmarkt behaupten kann. Wir setzen damit unseren Weg einer kosteneffizienten Förderung der Photovoltaik fort. So werden mit dem neuen Vorschlag die Vergütungssätze gegenüber 2009 halbiert. Im Hinblick auf das in den letzten beiden Jahren stark gestiegene Ausbauvolumen dient die erneute Anpassung der Förderung vor allem dem Zweck, die EEG-Umlage für die Stromverbraucher weiter stabil zu halten und die hohe Akzeptanz der Bevölkerung für die Photovoltaik und für erneuerbare Energien insgesamt zu erhalten. Ziel ist, dass die Photovoltaik schon in einigen Jahren Marktreife erlangt und gänzlich ohne Förderung auskommt." Rösler und Röttgen betonten ihren Willen, das Projekt Energiewende gemeinsam zum Erfolg zu führen. Die Energiewende sei vor einem halben Jahr von Bund und Ländern beschlossen worden und werde seitdem Schritt für Schritt umgesetzt. Sie verwiesen etwa auf das Netzausbaubeschleunigungsgesetz, auf die für diesen Sommer geplante Vorlage eines Netzentwicklungsplans, die Novelle zur besseren Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung, auf das stark in Anspruch genommene 5-Milliarden-Kreditprogramm der KfW zur Offshore-Windenergie, auf die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und auf die finanzielle Förderung der Gebäudesanierung über die KfW, deren steuerlicher Teil durch Rot-Grün leider im Vermittlungsausschuss blockiert werde. Man habe bereits letztes Jahr beim BMWi unter Beteiligung des BMU eine Netzplattform eingerichtet. Dort werden fortlaufend Handlungsempfehlungen zu drängenden Stromnetzthemen erarbeitet. Zudem wird ein konkretes Monitoring für die Realisierung vordringlicher Netzvorhaben geschaffen. Das BMU werde unter Beteiligung des BMWi eine "Plattform Erneuerbare Energien" gründen, mit der insbesondere die Planung für den Ausbau der erneuerbaren Energien und die bessere Koordinierung mit dem Netzausbau erfolgen sollen. Ein Steuerungskreis auf Ebene der Staatssekretäre der Bundesregierung unter Leitung von BMWi und BMU soll die Arbeiten zur Umsetzung der Energiewende koordinieren. Auch auf die Grundsätze und Strukturen des Monitorings der Energiewende hat man sich verständig.

Ministerien versöhnt?
Beide Minister betonten, dass für sie die zügige praktische Umsetzung der Beschlüsse zur Energiewende im Vordergrund steht. Dabei gebe es eine enge Zusammenarbeit zwischen beiden Häusern: "Für die Bundesregierung hat der Erfolg der Energiewende höchste Priorität. Gemeinsam arbeiten wir daran, dieses Projekt so zu steuern, dass daraus einzigartige Chancen für unsere Unternehmen im internationalen Wettbewerb entstehen." Den genauen Wortlaut und Erläuterungen zu den Vorschlägen finden Sie unter: www.bmwi.de oder www.bmu.de.

Ansprechpartner BMU
Dr. Christiane Schwarte
Tel.: 030 18 305-2010. Fax: 030 18 305-2016
E-Mail: presse@bmu.bund.de

"Ausbremsen der Energiewende ist beschämend!"
Die Position von Eurosolar



Keine andere Technologie hat es in so kurzer Zeit geschafft, ihre Kosten zu senken wie die Photovoltaik. Sie leistet inzwischen signifikante Beiträge zu unserer Stromversorgung - dezentral und verbrauchsnah. Sie ist somit ein unverzichtbarer Meilenstein einer dezentralen und schnellen Energiewende.

Jedes weitere Gigawatt, das in Deutschland zugebaut wird, führt nur noch zu unwesentlichen Mehrkosten und senkt gleichzeitig unsere Importabhängigkeit von fossilen Energieträgern. "Wenn aber das Kostenargument gegen die Photovoltaik obsolet ist, so ist es doch eine andere Frage, ob es politisch gewollt ist, dass die Photovoltaik so rasch wächst, dass sie den Umbaupfad unserer Stromversorgung entscheidend mitbestimmt", so Valentin Hollain, wiss. Leiter von EUROSOLAR.

Stromversorgung Frankreichs mitgesichert
Was sie zu leisten vermag, hat sie während der vergangenen Kälteperiode im Zusammenspiel mit der Windenergie unter Beweis gestellt, als sie mit dazu beitrug, die Stromnetze hierzulande zu stabilisieren und zusätzlich die Stromversorgung in Frankreich mit signifikanten Strommengen zu unterstützen. Bereits bei einem Anteil von 4 % an der deutschen Stromversorgung ist die Photovoltaik zu einer wichtigen Größe geworden, die mittägliche Lastspitzen abfedert und die Netze entlastet.

Aber wenn jetzt an sonnigen Februartagen mehr als 10 Gigawatt Solarstrom in den Mittagsstunden in das Stromnetz eingespeist werden, ist dies nur ein Vorgeschmack auf den Einfluss, den die in Deutschland installierten Module künftig nehmen werden: Einspeisungen oberhalb von 15 Gigawatt werden immer häufiger auftreten und somit den Strukturwandel zu einer dezentral geprägten Stromversorgung forcieren. Bei einem weiteren Wachstum der Photovoltaik würde sie perspektivisch auch die Marke von 25 Gigawatt überspringen. In einem solchen Strommix, in dem Sonne und Wind den Takt vorgeben, haben unflexible fossile Großkraftwerke keinen Platz mehr. Die Photovoltaik führt zwangsläufig zu einer Stromversorgung, die deutlich dezentraler geprägt ist als die heutige.

Pfründe der Energiekonzerne sollen gewahrt werden
Dass die Bundesminister Röttgen und Rösler nun den Ausbau der Photovoltaik in Deutschland abrupt zum Stillstand bringen wollen, hat daher ganz eindeutige Gründe. "Sie wissen ganz genau, dass jedes weitere Gigawatt Photovoltaik Tatsachen schafft. Deswegen warten sie nicht einmal mehr die Auswirkungen der bereits zum 1.1.2012 erfolgten deutlichen Vergütungskürzung um 15 % ab. So eilig hat man es, dass man gleich zum nächsten Schlag ausholt, um ganz sicher zu sein, dass die Photovoltaik diese Runde nicht mehr übersteht", so Irm Scheer-Pontenagel, Geschäftsführerin von EUROSOLAR.

Die Eile, mit der sie vorgehen, spricht Bände über ihre Motivation. Die Pfründe der Energiekonzerne sollen gewahrt werden, die in der Nordsee nur Aktivität beim Ausbau der Offshore-Windenergie vorgaukeln. Tatsächlich wollen sie eine Neuauflage ihres fossilen Kraftwerksparks und dafür maßgeschneiderte Stromtrassen. Ergebnis wäre eine Verzögerung des Umbaus unserer Stromversorgung weit über das Jahr 2020 hinaus.

"Die Erneuerbaren Energien haben inzwischen einen Anteil von 20 % an unserer Stromversorgung erreicht. Wachsen sie weiter, so müssen sie sich nicht in das bestehende System integrieren, sondern umgekehrt muss dieses nach den Bedürfnissen der Erneuerbaren Energien umgebaut werden. Die Protagonisten der fossil-atomaren Strukturen fürchten nun um ihre Vormachtstellung. Die von Bürgern, Mittelstand und Stadtwerken getragene Energiewende ist von ihnen nicht gewollt", so Irm Scheer-Pontenagel.

Das Vorgehen der Bundesminister Röttgen und Rösler ist ein Dammbruch in der Deutschen Erneuerbare-Energien-Politik, die mehr als 20 Jahre unter verschiedenen Regierungen eine große Kontinuität aufwies. Nun kommt es erstmals zu einem Rollback, ein Menetekel für den Ausbau der Erneuerbaren Energien insgesamt. Eine Politik, die nur knapp ein Jahr nach der Katastrophe von Fukushima die Energiewende derart ausbremst, ist beschämend. Dies wird den beiden Protagonisten Röttgen und Rösler dauerhaft anhaften. Ihre Hoffnung, dass dies bis zum Wahljahr 2013 wieder vergessen ist, wird sich nicht erfüllen.

Ansprechpartner EURSOLAR:
Valentin Hollain, wiss. Leiter EUROSOLAR, Tel.: 0228 / 2891446

"Energiewende abgesägt"
DNR kritisiert die Einigung zur EU-Energieeffizienzrichtlinie



Der Deutsche Naturschutzring (DNR) hat die Schwächung der EU-Effizienzrichtlinie durch die Bundesminister Norbert Röttgen und Philipp Rösler scharf verurteilt.

Insbesondere bei Artikel 6, dem Herzstück der EU-Richtlinie, konnte Wirtschaftsminister Rösler seine Blockade gegen Energieeffizienz durchsetzen. Der DNR rechnet damit, dass Deutschland massiv sogenannte "early action" anrechnen will. Dies würde bedeuten, dass die Bundesregierung auf Effizienzmaßnahmen aus der Vergangenheit verweist, um in der Zukunft die Hände in den Schoß zu legen.

Ausgerechnet Kostenbremse wird abgeschwächt
"Darüber kann man nur den Kopf schütteln, vor allem wenn man bedenkt, dass Energieeffizienz eine wichtige Kostenbremse ist", erklärte DNR-Präsident Hubert Weinzierl. "Ausgerechnet die Maßnahme, die Verbrauchern in den nächsten zehn Jahren 14 Milliarden Euro an Energiekosten erspart hätte, wird jetzt abgeschwächt." (1)

Weiterhin deutet alles darauf hin, dass sich Deutschland von dem 1997 unter Bundeskanzlerin Angela Merkel vereinbarten EU-Energiesparziel abwendet. Statt den Energieverbrauch bis 2020 wie vereinbart um 20 Prozent gegenüber den Prognosen zu senken, will Deutschland im EU-Ministerrat lediglich für eine Verbesserung der Energieintensität eintreten. Dies würde das EU-Ziel erheblich schwächen. Ein Vergleich: Während Europa die Energieintensität seit 1990 um fast 30 Prozent steigern konnte, stieg der Energieverbrauch in der gleichen Zeit um zehn Prozent.

Europa wird so das Energiesparziel verfehlen
"Dass die Minister nun davon sprechen, dass erstmals ein verbindliches nationales Ziel festgelegt würde, ist unverschämt", ärgert sich DNR-Präsident Weinzierl. Statt das EU-Ziel von 20 Prozent Energieeinsparung verbindlich festzuschreiben, beziehen Rösler und Röttgen sich dabei auf die deutlich geringere Vorgabe in Artikel 6. Diese war bereits im Gesetzesvorschlag der EU-Kommission als verbindlich vorgesehen und wird von dem deutschen Vorschlag sogar noch abgeschwächt.

"Wenn sich Deutschland in der EU mit dieser Position durchsetzt, wird Europa sein Energiesparziel auf jeden Fall verfehlen", erklärte Stefanie Langkamp, Energieeffizienzexpertin des DNR. Damit werde die Verwundbarkeit gegenüber steigenden Energieweltmarktpreisen und die Abhängigkeit von Importen aus Krisenstaaten weiter steigen. "Energieeffizienz und erneuerbare Energien sind die beiden tragenden Pfeiler der Energiewende", mahnte Langkamp. "Sägt man einen davon ab, stürzt das gesamte Haus ein."

(1) Studie des IFEU-Instituts über die Auswirkungen des Effizienz-Auftrags an die Energieversorger
(Artikel 6 "Energieeffizienzverpflichtungen")
http://www.ifeu.de/energie/pdf/IFEU_Energieeffizienz_Buendnis90Gruene.pdf

Ansprechpartner DNR:
Stefanie Langkamp, DNR-Energieeffizienzexpertin, Telefon: 030-6781775-79, stefanie.langkamp@dnr.de

Quelle:
Technik | Energie, 23.02.2012

     
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