"Meine Generation pflegt hohe ethische Ansprüche"

forum im Gespräch mit dem "jüngsten Marketingchef Deutschlands", Dominic Multerer

In der neuen Serie "Entscheider von morgen" stellt forum die Gedanken und Aktivitäten junger Visionäre und Unternehmer vor. Dominic Multerer ist vor allem eins: mutig. Mit seinen Markenkonzepten will er Regeln brechen - die Verantwortung der Unternehmen ist ihm dabei aber wichtig. forum -Herausgeber Fritz Lietsch sprach mit dem "Marketeer" über Kommunikation, Moral und Kommerz.

Herr Multerer, wie sind Sie zum Marketing gekommen?

M: Wir haben uns gesucht und gefunden. Über unterschiedliche Wege hat sich das ergeben. Mein Opa war 40 Jahre selbstständig mit einem mittelständischen Handwerksbetrieb. Dort versuchte ich, im Alter von zwölf Jahren Visitenkarten zu etablieren. Das waren die ersten Gehversuche. Mit 16 folgte ein Praktikum als Marketeer in Dänemark beim Marktführer für Gaming- und Lifestylezubehör. Der Gründer des dänischen Unternehmens initiierte ein Joint Venture, für das ich das DACH-Marketing verantwortete. Daraus entstand die Marke "fucapo". Glücklicherweise fanden die Medien, besonders das Handelsblatt, die Geschichte spannend und betitelten mich als "Deutschlands jüngsten Marketingchef". Das öffnete mir viele Türen und verzahnte mich bis heute eng mit meinem Lieblingsthema: Markenkommunikation.

Denken Sie, dass Sie durch Ihr Alter, Marketingthemen aus einer anderen Perspektive sehen?

M: Ich sehe Dinge anders, ja. Es gibt Themen, wie Social Media und den Umgang damit, da macht das Alter sehr viel aus, weil meine Generation damit groß wird. Generell glaube ich, wenn wir über grundlegende Kommunikation sprechen, ist das Alter sekundär. Das Medium ändert sich, aber es ist immer entscheidend, Kommunikation zu begreifen und zu lieben und sich auf einen offenen Dialog einzulassen.

Welche Rolle hat nach Ihrer Meinung die CSR im strategischen Marketing?

M: Zunächst gar keine. Wenn wir uns auf den Kern einer Marke besinnen, bleibt nur ein Wort übrig: Vertrauen. Und erst dann kann, nicht muss, CSR ein Thema werden, um dieses zu kommunizieren. Oft wird in Unternehmen nicht geprüft, ob es inhaltlich wirklich in den Kontext des Unternehmens passt. Es heißt ja CSR sei ein Konzept, welches als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in den Unternehmenstätigkeiten zu integrieren. Ganz wichtig: In den Unternehmenstätigkeiten, also im Kontext.

Was ist nachhaltiger? Wenn beispielsweise die Deutsche Bank ein Kinderdorf in Nigeria finanziell unterstützt, um ihr tolles Engagement zu demonstrieren? Oder, wenn sie unternehmensintern versucht den Energie-, Wasser- und Papierverbrauch innerhalb von fünf Jahren um 20 Prozent zu senken. Aus meiner Sicht das zweite.
Viele Unternehmen agieren zwar im Bereich CSR, jedoch ohne strategischen Hintergrund. Sie gehen nach dem Beispiel des Kinderdorfes vor, welches durchaus die Unterstützung benötigt, doch bei CSR geht es um etwas anderes: soziale Belange und Umweltbelange im Unternehmenskontext zu fördern.

Was sind die größten Fehler im Umgang mit CSR?

M: Es gibt nur einen Fehler: sich nicht grundlegende Gedanken zu machen.
Analysieren Sie, was Ihr Unternehmen überhaupt bewirken möchte, danach folgt das strategische Überlegen, wie das im Kontext der Unternehmenstätigkeit machbar sein kann. Dann heißt es, das Ganze weiterspinnen und schlussendlich umsetzen.

Was bewegt Sie, Nachhaltigkeit zu thematisieren?

M: Verantwortung. Jeder von uns ist verantwortlich dafür, wie unsere Kinder, Enkel und deren Kinder die Welt erleben dürfen. Schon unsere Großeltern mussten diese Verantwortung schultern und wir dürfen diese weitertragen. Damit müssen wir in allen unseren Funktionen behutsam umgehen: als Konsumenten, im Unternehmen und als Akteure im und für den Staat.

Denken Sie, dass diese Einsicht bald Allgemeingut ist?

M: Die Sensibilität für das Thema wird größer, weil meine Generation hohe ethische Ansprüche pflegt und gerade hautnah erfährt, wie das Finanzsystem langsam kollabiert. Daraus resultiert eine klare Vision: Kommerz - also Profit - und Moral - also ethisches Denken und Handeln - sollen keine Widersprüche mehr sein.

In Zukunft wird dies hoffentlich Allgemeingut werden. Irgendwie habe ich das Gefühl, fragen Sie mich bitte nicht warum, dass die Geburtsjahrgänge 1950 bis 1975, die heutigen Entscheider unserer Wirtschaft, eher auf das Wort Kommerz hören. Ganz anders sieht es bei meinen Ur- und Großeltern aus. Da gab es damals schon eine Denkweise: Kommerz und Moral, das funktioniert beides.

Zu Ihren Kunden gehört auch BP. Denken Sie dass Nachhaltigkeit hier wirklich Anliegen oder nur Marketing ist? Der Rückzug aus den regenerativen Energien und Deepwater Horizon sind wenig vertrauensfördernde Aspekte.

M: BP begleitete ich anhand von Vorträgen und Gesprächen bei der Sensibilisierung für das Thema Social Media. In der Zusammenarbeit merkte ich, dass Nachhaltigkeit durchaus ein Unternehmensanliegen ist, welches natürlich auch für Marketingzwecke genutzt wird. Daran ist nichts verwerflich. Nehmen wir das Beispiel Christian Wulff: Über zwei Monate wurde Tag für Tag das Negative eines Menschen propagiert. Nicht gerade vertrauenswürdig. Und das, obwohl er in der gleichen Zeit als Bundespräsident zahlreiche positive Beiträge geleistet hatte, doch kein Mensch interessierte sich dafür.

Ich glaube, die Krux liegt in der Kommunikation. Intern ist sich BP sehr wohl bewusst, welche Verantwortung getragen wird. Dieses Bewusstsein an das Volk zu transportieren wird bei vielen Unternehmen, Institutionen und Personen verpennt oder nicht hartnäckig genug verfolgt, aus Angst, dass es wiederum negative Kritik geben kann. Offene Kommunikation, und ja, auch das Zugeben von Fehlern gehört dazu. Authentizität und Ehrlichkeit schöpft Vertrauen. Daran wird sich nie etwas ändern.

Was ist Ihr größter Wunsch für die Zukunft?

M: Dass Unternehmen mehr Verantwortung übernehmen. Wir können nur im Kollektiv dafür sorgen, dass es uns allen besser geht, sowohl wirtschaftlich als auch gesundheitlich, und da wären wir wieder beim Thema Umwelt. Toll wäre es, weitere Kunden in den Reihen zu haben, die CSR wirklich verstehen.

Wir bedanken uns für das Gespräch und wünschen alles Gute für Ihre Zukunft.

Im Profil:
5 Sterne Redner Dominic Multerer gilt als der jüngste Marketing-Chef Deutschlands. Bereits im Alter von sechzehn Jahren leitete er das Marketing eines internationalen Konsumgüterherstellers. Als Marketeer ist er beratend und umsetzend mit seinem Agenturteam für international agierende Unternehmen bei der Ausrichtung ihrer Markenkommunikation tätig. Sein Spezialgebiet ist die Marke und Guerilla Denken und Handeln. Sein Credo: Marken müssen bewusst Regeln brechen, um anders zu sein.

Quelle:
Wirtschaft | Marketing & Kommunikation, 04.04.2012

     
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