Sieben Millionen Fans

... jetzt auch für den Umweltschutz?

Ein Gespräch mit Claudia Roth, Bundesvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beauftragte des DFB für Umwelt- und Klimaschutz in der Kommission Nachhaltigkeit

Grün ist nur der Rasen. Oder nicht? Fußballvereine können von Umweltschutz enorm profitieren, sagt die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth. forum-Redakteur Sven Stöbener sprach mit ihr über ihr Engagement in der aktuellen Umweltkampagne des DFB, warum Fußballbegeisterung auch auf Nachhaltigkeit "ansteckend" wirkt und wie selbst kleine Vereine ihr Geld für gute Mannschaftsausstattung statt hohe Stromkosten ausgeben können.

Frau Roth, warum engagiert sich der DFB mit der Kampagne "Umweltcup 2012"?

Fußball und Umwelt- und Klimaschutz gehören zusammen. Das sieht auch der DFB so und hat den Schutz der Umwelt in seine Satzung aufgenommen. Der Umwelt- und Klimaschutz ist neben weiteren gesellschaftlichen Belangen auch institutionell verankert in der DFB-Kommission Nachhaltigkeit. Insbesondere DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger hat daran einen großen Anteil. Bereits bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland wurden vom WM-Organisationskomitee erstmals Umweltkriterien für eine Fußballgroßveranstaltung erarbeitet und umgesetzt. Für die Frauen-Fußballweltmeisterschaft 2011 haben wir das "Green Goal"-Konzept mit dem Umweltbeirat und dem Ökoinstitut noch weiter verbessert. Die Umweltkampagne 2012 und der Umweltcup sollen nun die vielen tausenden Fußballvereine im Land ansprechen und zu mehr Engagement motivieren: Es gibt etwas zu gewinnen und es wird sich nicht nur für die Umwelt lohnen, sondern auch im wahrsten Sinne des Wortes für die Vereine auszahlen.

Ich hoffe sehr, dass diese Umweltkampagne, wie Green Goal 2011, auch international ausstrahlen wird. Denn auch das ist ein großer Erfolg des Umweltprogramms zur Frauenfußball-WM in Deutschland: Der Weltfußballverband FIFA, der wie übrigens auch Umweltminister Röttgen, DOSB-Generaldirektor Vesper und Prof. Dr. Klaus Töpfer in dem Umweltbeirat vertreten war und im Laufe der Sitzungen immer aktiver mitgearbeitet hat, hat Dank der guten Erfahrungen begonnen, das Thema "Umwelt und Klima" in seine eigene Struktur zu integrieren. Das Ergebnis: Kommende Weltmeisterschaften sollen nun auch möglichst umweltgerecht und ressourcenschonend stattfinden. Einen solchen nachhaltigen Ansteckungseffekt wünsche ich mir natürlich auch für die Vereinskampagne.

Welche Inhalte transportiert die Kampagne?

Bei dem Motto "Vereint für die Umwelt" geht es darum, auch im Verein gemeinsam unsere Lebensgrundlagen zu schützen. Zentraler Teil der Umweltkampagne wird der Umweltcup für die rund 26.000 Fußballvereine sein. Dabei wetteifern die Vereine bei der Umsetzung von rund 90 vom Ökoinstitut zertifizierten Ideen, mit denen sie für die Umwelt und das Klima punkten können. Die Ideen sind auf jede Vereinsgröße zugeschnitten und können oft ohne große Investitionen realisiert werden. Das geht schon bei Kleinigkeiten los wie beispielsweise der Einrichtung von Steckdosenleisten mit Ausschaltknopf oder dem Einsammeln von kaputten Handys. Die Sieger können sich z.B. über Trainingseinheiten mit den DFB-Trainern oder VIP-Pakete für Länderspiele freuen.

Warum möchten Sie das Thema Umwelt und Klima unbedingt im Fußball verankern?

Erstens, weil ich ein großer Fußball-Fan bin. Und zweitens ist die Nationalmannschaft ein Abbild unserer bundesdeutschen Gesellschaft. Sie ist bunt, sie ist vielfältig und sie ist multikulturell. Ich glaube, dass man über den Fußball, über Vorbilder, über Persönlichkeiten wie den Bundestrainer Jogi Löw, Steffi Jones, Mesut Özil oder Philipp Lahm Themen in der Gesellschaft verankern und Leidenschaft erzeugen kann, die eine sehr große Breitenwirkung haben. Der DFB hat knapp sieben Millionen Mitglieder, mehr als alle Parteien in Deutschland zusammen. Wenn man diese Menschen über den Fußball hinaus für andere Themen begeistern kann, dann kann man sehr viel erreichen. Bei der Frauen-WM gab es Konzepte für Mobilität, Abfall, Wasser, Energie und Catering. Im Frankfurter Stadion gab es z.B. nur Bio-Wurst. Wir haben festgestellt, dass es im Stadion in Mönchengladbach 28 kleine Kioske gab, die mit kleinen Elektroheizöfen geheizt haben und dafür enorm hohe Stromkosten bezahlen mussten. Für rund 6.000 Euro wurde dann ein zentrales Thermostat eingebaut und innerhalb der ersten anderthalb Monate konnten schon 4.000 Euro Stromkosten eingespart werden. Weitere Möglichkeiten für den Umweltschutz sind z.B. neue, wassersparende Duschvorrichtungen oder wärmedämmende Gebäudesanierung. All diese Einzelteile führen zusammen zu einer stärkeren Sensibilisierung der Fans, der Spielerinnen und Spieler, aber auch des Managements für die Themen Umwelt- und Klimaschutz. Wir wollen den Vereinsführungen zeigen, dass Umweltengagement sich für die Vereine auszahlt. Ich finde es aufregend darüber nachzudenken, welchen positiven Effekt auf die Umwelt und das Klima bei 80.000 Spielen jedes Wochenende zu erzielen sind.

Wie und warum engagieren Sie sich persönlich für die Kampagne?

Im DFB engagiere ich mich seit 2006. Zunächst habe ich mich dabei nicht mit Fragen des Umweltschutzes beschäftigt, sondern für den Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus im Fußball eingesetzt und bin in die DFB-Kulturstiftung berufen worden. Dann wurde die Entscheidung getroffen, dass es für die Frauen-WM ein "Green Goal"-Konzept geben soll. Um dieses Konzept innerhalb des DFB umzusetzen, wurde der unabhängige Umweltbeirat zusammengestellt, dessen Vorsitz mir angetragen wurde. Für mich war klar, dass ein solches Konzept nicht nur ein- oder zweimal rund um eine WM stattfinden darf, sondern fortgeführt werden muss, um glaubwürdig zu sein. Als 2011 die Kommission Nachhaltigkeit für das gesellschaftliche Engagement des DFB gegründet wurde, wurde ich dann als Frau mit grünem Hintergrund und durch die langjährige gute Zusammenarbeit mit dem DFB-Beauftragte für Umwelt- und Klimaschutz. In dieser Funktion begleite ich jetzt die DFB-Umweltkampagne.

Wo sehen Sie persönlich den größten Handlungsbedarf bei den Vereinen?

Es gibt sehr viele alte Sportstätten, bei denen es ein großes Einsparpotenzial gibt. Viel Geld wird im wahrsten Sinne des Wortes verheizt. Geld, das dann für den Fußball fehlt. Mit dem Cup wollen wir den Vereinen zeigen, wie viel Einsparpotential sie haben und sie dazu animieren, für den Umwelt- und Klimaschutz mit vielen kleinen aber effektiven Ideen aktiv zu werden, zu handeln. Den Vereinen winken tolle Gewinne, die eingesparte Gelder können dann für ihre eigentliche Aktivität, den Fußball, eingesetzt werden. Ich bin schon total gespannt und freue mich auf einen aufregenden Wettstreit in den kommenden 10 Monaten.

Ist das Öko-Thema bei Vereinsmitgliedern, Trainern, Managern und Jugendlichen momentan nicht eher out?

Wir sollten die Vereine nicht unterschätzen. Es gibt eine große Offenheit und Sensibilität für Umweltthemen in Deutschland. Ich hoffe und glaube, dass es eine positive Resonanz seitens der Vereine geben wird. Wir wollen nichts von oben diktieren, sondern überlassen es den Vereinen sich zu engagieren und den Umweltschutz ins Vereinsmanagement zu integrieren. Die Cup-Tabelle gibt dann darüber Aufschluss, welche Vereine sich besonders im Umweltbereich engagieren und aktiv sind. Regisseur Sönke Wortmann hat einen tollen TV-Spot für die Umweltkampagne mit Spielern der Nationalelf gedreht, der bei allen künftigen Länderspielen sowie den Spielen des DFB-Pokals für mehr Umweltschutz werben wird. Ich denke, dass die Nationalmannschaft auch beim Thema Umwelt- und Klimaschutz für die vielen Millionen Fußballfans eine Ausstrahlungskraft haben kann. Es wäre gesellschaftspolitisch sehr viel erreicht, wenn die Idee, sorgsam mit der Umwelt umzugehen, ein Anliegen der Spielerinnen und Spieler in den Vereinen und der Vereinsführungen wird.

Inwiefern spielt Fair Trade (faire Textilien und Bälle etc.) in der Kampagne eine Rolle?

Fairness und soziale Mindeststandards sind wichtige Anliegen, denen wir uns auch in der Nachhaltigkeitskommission widmen werden. Beim Umweltcup steht der Schutz unserer Lebensgrundlagen im Vordergrund. Da aber Fair Trade-Siegel häufig nicht beim Menschen stehen bleiben, sondern auch Bedingungen für einen umweltschonenden, ökologischen Anbau formulieren, haben wir eine Idee dazu in den Ideenkatalog aufgenommen: gepunktet wird dabei mit fair gehandeltem Kaffee und Tee. Und auch hier gilt: Es ist ein dynamischer Wettbewerb, die Vereine müssen sich nicht starr an die 90 Ideen halten und können weitere Ideen vorschlagen.

Welche wirtschaftlichen Herausforderungen und Chancen sehen Sie für die "Vereinswirtschaft" durch den Umweltschutz?

Ich glaube, dass erhebliche Einsparpotenziale und somit wirtschaftliche Potenziale für die Vereine bestehen. Im neuen Stadion in Augsburg haben z.B. bei einer Toilettenbenutzung alle anderen WCs gleichzeitig mitgespült. Auch das Licht ging in allen Toilettenräumen an, obwohl nur ein Raum benutzt wurde. Wir wollen die Vereine dabei unterstützen, Wasser und Strom zu sparen, weniger zu heizen und eine intelligente Rasenbewässerung zu nutzen, damit Ressourcen für wichtige andere Bereiche, wie z.B. neue Trikots, Bälle oder Trainingsutensilien frei werden. Gerade im Amateurbereich sind die Mittel knapp. Die Vereine sollen den ökonomischen Nutzen aus einem ökologischen Verhalten ziehen. Ökologie und Ökonomie sind ja kein Widerspruch. Wenn es ein Widerspruch wäre, hätten wir im Automobilland Baden-Württemberg keinen grünen Ministerpräsidenten.

Wie sehen Sie die Zukunft des Umweltschutzes im deutschen Fußball?

Die Nachhaltigkeitskommission soll für den DFB-Bundestag 2013 Vorschläge erarbeiten und zeigen, wie der Nachhaltigkeitsgedanke noch stärker im DFB verankert werden kann. Als DFB- Beauftragte für Umwelt- und Klimaschutz stehe ich mit meinem Namen dafür, dass wir uns nicht nur punktuell wie für die WM für die Umwelt einsetzen, sondern den Umweltgedanken etablieren und auch nach diesem Großereignis in die Vereine tragen, damit eine nachhaltige Wirkung erzielt wird. Der Cup wird zwar am 31. Dezember diesen Jahres enden, aber ich wünsche mir, dass die DFB-Umweltkampagne über 2012 hinaus läuft und ich hoffe, dass der DFB das auch so sieht. Gerade auch die sehr gelungenen Online-Angebote sollten weitergeführt werden.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Quelle:
Lifestyle | Sport & Freizeit, Reisen, 04.04.2012

     
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