Gerechte Löhne für alle!

In Sachen Fairness kommt Bewegung in die Outdoor-Branche - doch längst nicht alle Unternehmen präsentieren sich engagiert.

Die Kampagne für Saubere Kleidung (Clean Clothes Campaign, CCC) setzt sich in Deutschland seit Mitte der 1990er-Jahre für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der weltweiten Bekleidungsproduktion ein. Die Christliche Initiative Romero gehört zu den Gründungsmitgliedern dieser Kampagne in Deutschland. Seit 2009 sind dabei auch die Hersteller von Outdoor-Bekleidung wie Jack Wolfskin, Vaude und Marmot im Fokus. Die Branche kann seit Jahren auf steigende Umsatzzahlen blicken, ihr Image ist positiv besetzt: Die Unternehmen geben vor, den Umweltschutz wichtig zu nehmen und auch auf die Einhaltung von Arbeitsrechten bei der Produktion von Bangladesch über China bis El Salvador zu achten. Doch deckt sich dieses Selbstbild der Branche mit der Realität in den Nähfabriken?

Überstunden und Billiglöhne - für ein Leben in Armut? Eine Nähfabrik in Mittelamerika
Foto: © Christliche Initiative Romero
2009 und 2010 veröffentlichte die Kampagne für Saubere Kleidung erste Outdoor-Studien mit Unternehmensprofilen. Hatten im ersten Jahr noch weniger als die Hälfte der Unternehmen die Fragebögen der Kampagne ausgefüllt, waren es im Folgejahr 100 Prozent. Die Branche nahm das Anliegen ernst. Grund dafür waren sicherlich das große Medienecho der ersten Studie sowie zahlreiche Rückmeldungen durch die Konsumenten: Viele, die sich die teure Outdoor-Kleidung leisten, legen auch großen Wert auf eine sozialverträgliche Produktionsweise, bei der Arbeits- und Menschenrechte geachtet werden.

Selbstbild vs. tatsächliches Geschäftsgebaren

Bei vielen Unternehmen musste die CCC bisher feststellen, dass es an transparenten, aussagekräftigen Kontrollen fehlt. Es verwundert somit nicht, dass bei Recherchen vor Ort regelmäßig Arbeitsrechtsverletzungen aufgedeckt werden. Fast nirgendwo herrscht Gewerkschaftsfreiheit. Wer sich gewerkschaftlich organisieren will, dem drohen Einschüchterung und Entlassung. Ebenso weit verbreitet: Hoher Arbeitsdruck und viele Überstunden. Dies hängt mit den knappen Lieferfristen zusammen und den niedrigen Löhnen, die den Nähern bezahlt werden. Die Unternehmen verstecken sich hinter dem Argument, es würden die gesetzlich festgelegten Mindestlöhne des jeweiligen Produktionslandes bezahlt. Nicht zuletzt in Asien, Lateinamerika und Osteuropa liegen diese Mindestlöhne allerdings in der Regel unter dem Existenzminimum und werden oft über Jahre hinweg trotz Teuerungen nicht angepasst. Es sind investorenfreundliche Mindestlöhne, die mit den realen Bedürfnissen nichts zu tun haben.

Ein Mindestlohn sollte so angesetzt sein, dass er die Existenz von Angestellten und ihren Familien sicherstellt. Aber in den Produktionsländern der Bekleidungsindustrie ist das meist nicht der Fall. In El Salvador z.B. liegt der Mindestlohn bei monatlich 187 US-Dollar, umgerechnet zirka 145 Euro - nicht einmal ein Dollar brutto pro Arbeitsstunde. Eine Näherin in dem mittelamerikanischen Land bräuchte aber ein Vielfaches, um mit ihrer Familie einigermaßen über die Runden zu kommen: 2009 lagen die monatlichen Lebenshaltungskosten einer vierköpfigen Durchschnittsfamilie einschließlich Unterkunft, Kleidung, Gesundheit und Bildung bei 762 US-Dollar. Häufig sind salvadorianische Näherinnen für die Familieneinkünfte zuständig. Viele von ihnen sind alleinerziehend. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als an den Mahlzeiten zu sparen. "Freiwillig" erklären sie sich bereit, Überstunden zu leisten, um ihr Einkommen zu erhöhen.

Auch in Bangladesch lassen einige Outdoor-Unternehmen Bekleidung produzieren. Dort liegt der gesetzliche Mindestlohn sogar noch unterhalb der von der Weltbank definierten Armutsgrenze von einem US-Dollar pro Tag. Selbst die im Juli 2010 erfolgte Anhebung des Mindestlohns auf umgerechnet 34 Euro monatlich hat keine bedeutende Verbesserung für die Familien zur Folge. Zu groß ist die Lücke zwischen dem zur Existenzsicherung benötigten Geld und dem tatsächlich verdienten. Die Arbeiter bleiben Gefangene von Ausbeutung und Armut.

Trauriges Ergebnis der vielen Überstunden: Die meisten Näherinnen sind mit 35 Jahren so kaputt gearbeitet, dass sie den Produktionsmarathon in den Fabriken nicht mehr schaffen. Dann bleibt oft nur der Weg in den informellen Sektor - als Putzfrau oder ambulante Verkäuferin auf der Straße.

Die Wohnssituation von Näherinnen in Bangladesch
Foto: © Clean Clothes Campaign (CCC) by Taslima Akhter
Mehr Transparenz, mehr soziale Verantwortung

Man kann aber nicht alle Unternehmen über einen Kamm scheren. Es gibt große Unterschiede. So traten bereits im Jahr 2008 die beiden Schweizer Unternehmen Mammut und Odlo der Fair Wear Foundation (FWF) bei, einer in den Niederlanden ansässigen Multi-Stakeholder-Initiative. Damit übernahmen sie den kompletten Kodex der FWF: Sie setzen sich für die wichtigsten Normen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ein, für Löhne, welche die Grundbedürfnisse der Arbeiter und ihrer Kinder abdecken, sowie für eine maximale reguläre Arbeitszeit von 48 Stunden pro Woche. Überstunden müssen freiwillig sein. Beide Unternehmen bauen in den Produktionsstätten Beschwerdesysteme auf und unterziehen ihre Maßnahmen wie auch ihr Managementsystem einer unabhängigen Verifikation durch die Fair Wear Foundation. Diese Maßnahmen sind komplex; deswegen werden sie in der Regel schrittweise angegangen.

Nach Auskunft der FWF engagieren sich Mammut und Odlo, glaubwürdige Schritte zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu unternehmen und kommen für die Kosten der Kontrollen (Audits) bei ihren Zulieferern auf. Nach jedem Audit wird ein Verbesserungsplan erstellt. Auch berücksichtigen beide Unternehmen, dass die eigene Beschaffungspolitik Auswirkungen auf die Zulieferer hat. Daher werden die Lieferanten schon in den Produktentwicklungsprozess einbezogen, um gemeinsam die Produktion zu planen und übermäßige Überstunden zu vermeiden. Mitte 2010 trat Europas Outdoor-Martkführer, Jack Wolfskin, der Fair Wear Foundation bei. Auch Vaude, im Jahr 2009 wegen seiner Produktion in der Militärdiktatur Myanmar (Birma) und der Zahlung von Niedriglöhnen stark in der Kritik, erklärte 2010 seinen Beitritt.

Viele der untersuchten Outdoor-Markenunternehmen weisen aber noch erhebliche Mängel auf. Es existieren weder ein Verhaltenskodex, in dem einzuhaltende Arbeitsrechte aufgelistet sind, noch unabhängige, transparente Kontrollen.

Knackpunkt: Löhne

Die größte Auswirkung auf die Lebensumstände der Näher haben ihre Löhne. Doch auch bei den FWF-Mitgliedern wird noch in den wenigsten Fabriken ein Grundbedürfnislohn gezahlt. Bei einem Outdoor-T-Shirt aus Thailand, welches in Deutschland 45 Euro kostet, liegt der Lohnkostenanteil für die Näherin bei etwa 0,45 Euro. Dies deckt, hochgerechnet auf eine Standard-Arbeitswoche, nur 50 bis 60 Prozent des Grundbedürfnislohns ab. Um auf ein Grundbedürfnislohnniveau zu kommen, müssten die Löhne um etwa 45 Cent pro Kleidungsstück angehoben werden. Dies klingt eigentlich machbar!

Im Internet können Sie die vollständigen Unternehmensprofile nachlesen:
www.ci-romero.de/ccc_outdoorprofile/
 
 
Von Maik Pflaum  
 

Im Profil
Maik Pflaum
ist Referent für Entwicklungspolitik bei der Christlichen Initiative Romero (CIR).

Quelle:
Lifestyle | Sport & Freizeit, Reisen, 17.04.2012
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2012 - Business Natur erschienen.
     
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