Ein Instrument, das harmonisch klingt?

Der Wirkungsweise des CO2-Emissionshandels auf der Spur

Ob der europäische CO2-Emissionshandel zum Klimaschutz beiträgt, wird in den Medien heiß diskutiert. Studien wie "Der Klimagoldesel" werfen dem Instrument vor, großzügige Zertifikatsgeschenke an die Großen der Wirtschaft zu verteilen, statt Klimaschutzanreize zu setzen. Mit der dritten Handelsperiode (2013-2020) will die EU nun weniger mild vorgehen. forum stellt die grundlegenden Zusammenhänge des Emissionshandelssystems vor - und warum es eigentlich funktionieren müsste.

Der Emissionshandel um unseren Planten zu retten könnte eine gute Maßnahme sein
Foto: © Katherina Wieland/ pixelio.de
Mit den externen Kosten fängt "das Übel" an. Externe Kosten sind solche, die der Verursacher (z.B. von Luftschadstoffen) nicht selbst trägt und die somit von der Gesellschaft getragen werden müssen. Der Verursacher kann so zu niedrigen Preisen anbieten und damit entstehen falsche Handelsanreize für die Marktakteure - es kommt zu einer Vergeudung knapper (Umwelt-)Güter.

Der Ausstoß von Treibhausgasen stellt aus der Sicht des Klimaschutzes einen solchen Verbrauch natürlicher Ressourcen dar. Im Emissionshandel wird der Treibhausgasausstoß daher mit einer politisch festgelegten Höchstmenge begrenzt (Cap). Die Nutzung dieses Emissionsbudgets wird über die Vergabe von Emissionsberechtigungen organisiert. Wer klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) ausstößt, muss im Emissionshandel über entsprechende Berechtigungen verfügen. Stehen dem Verursacher nicht genügend zur Verfügung, kann er zusätzliche Berechtigungen erwerben oder seinen Ausstoß mit klimafreundlichen Technologien verringern. Durch die politisch festgelegte Obergrenze entsteht ein Preis für Treibhausgasemissionen. Unternehmen erhalten also einen Anreiz, in neue Technologie oder effizientere Brennstoffe zu investieren, um ihre Emissionen zu senken.

Seit 2005 wird in der EU dieses Verursacherprinzip für CO2-Emissionen über den europäischen Emissionshandel angewendet. Die Unternehmen der Energiewirtschaft und emissionsintensiven Industrie, die für etwa 50 Prozent der europaweiten CO2-Emissionen stehen, sind zur Teilnahme am Emissionshandelssystem verpflichtet. Das Klimaschutzziel der EU ist es, bis 2020 die Treibhausgasemissionen um 20 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Dafür wird je eine Höchstgrenze an Emissionen für bestimmte Zeiträume, die sogenannten Handelsperioden, pro Land festgelegt. Dies soll den Teilnehmern einen verlässlichen Rahmen bieten und die Investitionssicherheit erhöhen.

Die Frage, ob das Problem des Klimawandels durch den europäischen Emissionshandel gelöst werden kann, lässt sich anhand von drei Kriterien zur Wirksamkeit eines umweltpolitischen Instruments beantworten: Ökologische Treffsicherheit, dynamische Anreizwirkung und Effizienz.

Ökologische Treffsicherheit: 100 Prozent

Lässt sich ein vorgegebenes Zielniveau durch Emissionshandel exakt erreichen?

Der Emissionshandel erreicht sein Ziel, wenn das für die jeweilige Handelsperiode festgelegte CO2-Budget, das sogenannte Cap, durch den Emissionshandelssektor eingehalten wird. Mehr CO2 darf nicht emittiert werden - die ökologische Treffsicherheit liegt also, wenn legal vorgegangen wird, bei 100 Prozent. Das CO2-Preissignal bewirkt, dass Emissionen dort eingespart werden, wo eine Vermeidung günstiger als der Kauf von zusätzlichen Zertifikaten ist. In der aktuellen zweiten Handelsperiode (2008-2012) setzt sich der Emissionsminderungstrend fort: Die Emissionen der Teilnehmer blieben 2010 unter dem Niveau von 2008.

So treffsicher der Emissionshandel beim Einhalten des Caps auch ist, er kann es nur punktgenau erreichen, nicht unterschreiten. Denn Emissionen, die an einem Ort eingespart werden, werden woanders wieder freigesetzt (inkl. Weitergabe der Zertifikate). Es werden also immer alle Zertifikate genutzt. Deswegen ist es wichtig, dass das Cap ambitioniert festgelegt und ggf. überprüft wird.

Umstritten ist außerdem, ob die vom Kyotoprotokoll empfohlenen sogenannten flexiblen Mechanismen CDM (Clean Development Mechanism) und JI (Joint Implementation), die den Erwerb von CO2-Gutschriften auch aus nicht-EU-Ländern ermöglichen (z.B. durch Energieeffizienzmaßnahmen in Indien), wirklich als CO2-Emissionsminderung in Europa gelten können. Hier besteht die Gefahr der "Paper Trades", wodurch sich die tatsächlichen Emissionen erhöhen können.

Dynamische Anreizwirkung: Bisher zu großzügig

Kann Emissionshandel umwelttechnischen Fortschritt induzieren?

Durch einen steigenden Zertifikatepreis wird es für Emissionshandelsteilnehmer interessant, in Vermeidungstechnologien zu investieren. Bei der anfänglichen Zuweisung von Zertifikaten gab es allerdings den Anreiz, die eigenen Ist-Emissionen möglichst hoch ausfallen zu lassen. Denn wenn Anlagen ihre Emissionsrechte kostenlos nach ihrem früheren Verbrauch ("Grandfathering") zugeteilt bekommen, sind die Anreize für eine Emissionsvermeidung gering. Daher führte Deutschland einen Auktionierungsanteil von fast zehn Prozent ein. Dies wird nun konsequent und EU-weit fortgeführt: Ab der dritten Handelperiode (2013-2020) müssen Stromerzeuger ihre Zertifikate vollständig ersteigern. Bei den Industrieanlagen will die EU dieses "Rewarding of the Laggards"(Belohnung der Nachzügler)-Problem durch Benchmarking (Vergleich) auf Basis der effizientesten Anlagen der jeweiligen Branche in den Griff bekommen.

Lessons learnt: Der Zertifikatepreis spiegelt nur die Knappheit der Rechte wider und nicht die Kosten der Klimaschäden, -vermeidung und -anpassung.

Geht die Nachfrage nach Zertifikaten aufgrund des umwelttechnischen Fortschritts zurück, sollte der Regulator den Emissionsstandard verschärfen. Die EU reagiert darauf durch eine Herabstufung der maximalen Emissionswerte in jeder Handelsperiode. Erfahrungen zeigen, dass sich Teilnehmer, die nicht ausreichend mit kostenlosen Zertifikaten ausgestattet sind, deutlich mehr für Klimaschutz einsetzen als diejenigen, die ausreichend kostenlose Zertifikate besitzen. Würde die EU also weiter wie bisher großzügig Freizertifikate verteilen (statt die Emissionsrechte zu versteigern), führte dies zu weniger Innovationen als es durch kostenpflichtige Zertifikate möglich wäre. Dies trifft zukünftig gleich doppelt zu. Denn die Erlöse aus der Versteigerung von Zertifikaten sollen dem Klimaschutz zugutekommen. In Deutschland fließen sie zum Beispiel vollständig in den Energie- und Klimafonds und fördern so Energieeffizienz, erneuerbare Energien und Elektromobilität. Gleichwohl ist diese Förderung nicht zwingend mit dem Instrument Emissionshandel verbunden. Mengensteuerung (Verfolgung des Klimaziels Emissionsbegrenzung) und Aufkommensverwendung der Versteigerungserlöse sind unabhängig voneinander.


Für und Wider: Zusammenfassung der Diskussion um den europäischen Emissionshandel.

Contra Emissionshandel
  • Ablasshandel: Erkauf von Rechten, CO2 freizusetzen
  • Ineffizient: CO2-Steuer wäre besser
  • Kontraproduktiv: Stromsparen & Erneuerbare Energien
    drücken den CO2-Preis
  • Keine europäische Einsparung: Zertifikate aus Entwicklungs- und Schwellenländern (CDM und JI) sind Freikauf umweltbelastender Unternehmen

Pro Emissionshandel
  • Gesamtmenge ist begrenzt
    (vorher unreguliert)
  • Anreiz für Innovation und Potenzialnutzung
  • erstmals Emissionsüberwachungssystem eingeführt
  • Klimaschutzziel durch Emissionshandel gesichert, da er die maximalen Emissionen deckelt
  • CO2-sparende Effekte von Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz wurden von EU eingeplant und sind im CO2-Preis abgebildet
  • CO2 = global wirksam; es ist unbedeutend, wo es gespart wird
  • in diesen Ländern kostengünstiger und mehr nutzenstiftender
  • Technologietransfer wird gefördert


Effizienz: Gleiche Regeln für alle

Kann der Emissionshandel das Klimaschutzziel zu minimalen Kosten erreichen?

Der Emissionshandel ist ein Marktmechanismus. Bisher wurden Emissionshandelszertifikate aber überwiegend kostenlos vergeben, um das Klimaschutzinstrument ohne wirtschaftliche Verwerfungen in Europa einzuführen und die teilnehmenden Unternehmen mit dem System vertraut zu machen. In der ersten Handelsperiode (2005 bis 2007) wurde die kostenlose Zuteilung anhand historischer Emissionsdaten der Unternehmen verteilt. Ein Grundproblem hierbei: Es lagen kaum belastbare Daten vor. Letztlich führten die mangelnde Kenntnis über den bisherigen Ausstoß von Treibhausgasen und das erfolgreiche Lobbying der Unternehmen sowie die Einzelinteressen der Nationalstaaten dazu, dass Emissionsgrenzen festgelegt wurden, die über dem tatsächlichen Ausstoß lagen. Die Unternehmen erhielten also weit mehr Zertifikate, als sie brauchten. Die Preise für Emissionsberechtigungen gingen im Lauf des Jahres 2007 auf wenige Cent zurück.

In der darauffolgenden Handelsperiode (2008 bis 2012) wurden die Zuteilungsregeln daher angepasst. Industrieanlagen erhielten ihre Zuteilung abzüglich eines festgelegten Kürzungsfaktors, Energieanlagen je nach Effizienz des eingesetzten Brennstoffs. Dennoch führten die unterschiedlichen Zuteilungsmethoden in den Ländern und die Handhabung der Höchstgrenzen weiterhin zu Ineffizienzen. Die Erfahrung zeigt, dass bei einem Emissionshandelssystem mit dezentral bestimmten Caps eine zentrale Kontrolle nötig ist. Sonst hat jeder Mitgliedsstaat einen Anreiz, heimische Unternehmen durch ein großzügiges Cap zu begünstigen - auf Kosten der anderen. Außerdem darf die Bedeutung von regelmäßig veröffentlichten, verifizierten Daten als Grundlage für ein robustes Preissignal nicht unterschätzt werden.

Die dritte Handelsperiode (2013 bis 2020) steht daher ganz im Sinne der Vereinheitlichung des Systems. Erstmals wird es einheitliche Zuteilungsregeln und ein gemeinsames Versteigerungsbudget geben. Darüber hinaus wird auch das Cap zum ersten Mal europaweit festgelegt. Die Harmonisierung geht bis hin zu gemeinsamen Regulierungen für das Überwachen und Verifizieren von Emissionen. Es bleibt zu hoffen, dass das System hiermit effizienter und letztlich noch fairer wird.
 
Von Tina Teucher

Quelle:
Umwelt | Klima, 14.05.2012
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2012 - Business Natur erschienen.
     
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