Die Revolution der Sozial-Finanzierung

Wie Social Impact Bonds Straftätern helfen und die Staatskasse schonen

Aus England schwappt ein Modell nach Deutschland, das auf smarte Weise die Lösung gesellschaftlicher Probleme finanziert. Wie Social Impact Bonds die Kriminalität senken können.

Social Impact Bonds (SIBs) können soziale Dienstleistungen effektiver machen.
Foto: © ste7e by istock
Englische Häftlinge, die weniger als ein Jahr im Gefängnis verbracht haben, erhalten nach ihrer Entlassung kaum Unterstützung. Da überrascht es nicht, dass 60 Prozent innerhalb eines Jahres wieder rückfällig werden. Diese Abwärtsspirale aus Straftat und Gefängnisaufenthalt verursacht nicht nur dem Steuerzahler beträchtliche Kosten. Sie hat auch schwerwiegende Folgen für die Betroffenen - Opfer wie Täter - und ihre Familien. Versuche, dieses Problem zu lösen, blieben bisher weitestgehend erfolglos. Nun verspricht ein sogenannter "Social Impact Bond" (SIB) Hoffnung - nicht nur in England und nicht nur für das Problem rückfälliger Straftäter.


Wenn Kapital und soziale Hilfe kooperieren: Was ist ein Social Impact Bond (SIB)?

Aktuell finanzieren staatliche Einrichtungen, zivilgesellschaftliche Träger und teilweise private Geldgeber gemeinsam Angebote für die Lösung sozialer Probleme. So werden beispielsweise viele Projekte der Kinder- und Jugendarbeit von verschiedenen staatlichen Einrichtungen auf kommunaler, regionaler oder nationaler Ebene auf Basis von gesetzlichen Grundlagen (u.a. Sozialgesetzbuch) gefördert. Zusätzlich werben diese Einrichtungen jedoch auch private Mittel in Form von Spenden, Darlehen oder Garantien ein und sind auf das Engagement ehrenamtlicher Kräfte angewiesen. Der Kapitalmarkt für soziale Dienstleistungen, d.h. die Akquise und Verteilung von Mitteln, scheint jedoch ineffektiv zu sein, da soziale Organisationen unabhängig von ihrer Wirkung Schwierigkeiten haben, Mittel einzuwerben. Das macht SIBs besonders attraktiv.

Bei einem SIB arbeiten vier wesentliche Akteure zusammen: Ein Finanzintermediär wirbt Gelder von privaten Investoren ein und stellt sie sozialen Organisationen zur Verfügung. Damit decken diese ihre Betriebskosten. Die öffentliche Hand verpflichtet sich vertraglich, bei Erreichung der mit dem Intermediär vorab vereinbarten Ziele die Kosten für die Dienstleistungen der sozialen Organisationen und eine finanzielle Rendite für die privaten Investoren zu übernehmen. Der Finanzintermediär kann als gemeinnützige Organisation kostendeckend agieren oder als privates Unternehmen an einer Vergütung der Steuerungstätigkeit interessiert sein. Die Abbildung illustriert dieses Beziehungsgeflecht.

Je größer die soziale Wirkung, desto höher ist die finanzielle Rendite. Insofern handelt es sich bei einem SIB um eine Form der erfolgsabhängigen Vergütung (engl. payment by results), nicht aber um eine klassische Anleihe, denn eine solche würde eine garantierte Rendite auszahlen. Bei einem SIB verliert der private Investor sein gesamtes Kapitel, wenn das soziale Problem nicht im angestrebten Ma?e gelöst wird.


So funktionieren die Social Impact Bonds (SIB)





Struktur des Peterborough-SIBs

Die Rückfallquote der Social Impact Bonds-geförderten Häftlinge sank, während sie Großbritannien-weit stieg. Ein Grund könnte das abgestimmte Zusammenspiel zwischen Investoren, sozialen Organisationen und Staatslotterie sein (Darstellung der Autorinnen, nach Cabinet Office, 2013).





Der Peterborough-SIB: Die Rückfallquote von Kurzzeithäftlingen verringern

Was heißt das konkret für das Gefängnisbeispiel? Ziel des 2010 lancierten und weltweit ersten SIBs ist es, die Rückfallquote von männlichen Kurzzeithäftlingen im englischen Peterborough-Gefängnis zu senken. Dafür haben 17 private Investoren (vornehmlich philanthropische Organisationen wie die Rockefeller-Stiftung) fünf Millionen britische Pfund für acht Jahre zur Verfügung gestellt.

Ein eigens für den SIB gegründeter Intermediär, "One Service", beauftragt und koordiniert die Dienstleistungen verschiedener Sozialunternehmen (u.a. St. Giles Trust, Ormiston Trust und SOVA). Diese resozialisieren die Insassen schon heute, etwa indem sie sie für den Arbeitsmarkt qualifizieren. Neu ist das Zusammenspiel der Sozialunternehmen. So erhalten der Inhaftierte und seine Familie aufeinander abgestimmte Betreuungsmaßnahmen vor und nach der Entlassung. Das schafft einen größeren Mehrwert als die Summe der einzelnen Dienstleistungen. Gelingt es den Sozialunternehmen, die Rückfallrate der betreuten Häftlinge um ein Mindestniveau zu senken, müssen das englische Justizministerium und der Big Lottery Fund (der staatliche britische Glücksspielanbieter) den privaten Investoren das investierte Kapital inklusive einer vom Zielerreichungsgrad abhängigen Rendite (max. 13 Prozent) auszahlen. Das Geld fließt über eine Zweckgesellschaft (engl. special purpose vehicle) namens Social Impact Partnership gestaffelt (mit Auszahlungen im vierten, sechsten und achten Jahr) an die Investoren. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Rückfallquote zwischen 2010 und 2012 kurzfristig bereits um sechs Prozentpunkte sank (im Vergleich zu einem nationalen Anstieg in Großbritannien um zehn Prozentpunkte im Vergleichszeitraum). Die Abbildung gibt einen Überblick über die Struktur des Peterborough-SIBs.


Investitionen mit Wirkung: Die Vorteile von SIBs

Ein SIB birgt diverse Vorteile für alle beteiligten Organisationen:

  • Er versetzt staatliche Einrichtungen in die Lage, erst dann Kosten rückwirkend zu erstatten, wenn ein Projekt erfolgreich war. So können sie ihre begrenzten Mittel effizienter einsetzen und soziale Zwecke wirkungsbasiert fördern. Da das finanzielle Risiko beim Investor liegt, können staatliche Einrichtungen mit neuen innovativen Interventionen experimentieren. Zudem ermöglichen SIBs die Förderung von Präventivmaßnahmen, die angesichts knapper öffentlicher Kassen häufig zu kurz kommen.
  • Private Investoren können ihr Kapital gewinnbringend in den Dritten Sektor einspeisen und somit Investitionen mit der Lösung gesellschaftlicher Probleme verbinden. Zudem bieten SIBs eine Möglichkeit zur Portfolio-Diversifikation.
  • Soziale Organisationen können aufgrund einer gesicherten Finanzierungsbasis ihre Arbeitszeit auf das Projekt fokussieren und verlieren keine Zeit bei der Mittelakquise. Zudem erleichtern es SIBs sozialen Organisationen, die an ähnlichen Problemstellungen arbeiten, sich zu koordinieren und effektiv zusammenzuarbeiten.


Daneben gibt es aber auch eine Reihe von Herausforderungen, die bei der Lancierung eines SIBs bewältigt werden müssen:
  • Staatliche Einrichtungen müssen erst noch lernen, erfolgsabhängige Verträge auszuhandeln. Sie müssen Leistungsvorgaben setzen, veranschlagen, was das Erreichen dieser Leistungsvorgaben kosten darf und eine Rendite festlegen, die gleichzeitig angemessen und für private Investoren attraktiv ist.
  • Des Weiteren müssen die staatlichen Einrichtungen einen Bereich identifizieren, in dem der Nutzen groß genug ist, um eine attraktive Rendite für private Investoren auszahlen zu können. Die Erfahrung zeigt, dass eine Vielzahl von sozialen Projekten nicht die angestrebte Wirkung erzielt. Deshalb muss man davon ausgehen, dass auch einige der SIBs nicht die Leistungsvorgaben erfüllen werden. Dementsprechend sollte die Zielrendite für den privaten Investor das Risiko eines Totalausfalls des investierten Kapitals einpreisen.
  • Außerdem müssen die Ergebnisse verlässlich und glaubhaft messbar sein und die Zielgruppe klar definiert. Dafür bedarf es einer validen Vergleichsbasis, die man mit Hilfe einer Kontrollgruppe unter möglichst gleichen Rahmenbedingungen erheben müsste. Die soziale Wirkung zu messen ist insbesondere dort schwierig, wo die Betroffenen, etwa die Straftäter, bereits an einem Sozialprogramm teilnehmen oder man Ergebnisse nur schwer auf einzelne Maßnahmen zurückführen kann.


Privatkapital für Soziales: Was können SIBs künftig leisten?

Angesichts der immer knapperen staatlichen Mittel und limitiertem philanthropischem Engagement sind SIBs eine gute Möglichkeit, um privates Kapital für soziale Zwecke zu mobilisieren, ohne den Staat von seiner Verantwortung zu entbinden. SIBs könnten somit einen ersten Schritt hin zu einem breiteren Kapitalangebot für soziale Zwecke und zu einer besseren Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Förderern darstellen. Eine wirkliche Herausforderung ist jedoch, den konkreten sozialen Erfolg zu bestimmen. Das gilt besonders für Projekte, deren Wirkung man nicht so einfach erfassen kann wie die Rückfallquote von ehemaligen Häftlingen in England.

Es besteht aber Hoffnung: Mittlerweile sind dem Peterborough-SIB vierzehn weitere SIBs gefolgt; zwölf in Großbritannien, einer in Australien und einer in den USA. Und auch in Deutschland sind SIBs in Planung. So arbeitet die Benckiser Stiftung Zukunft unter dem Namen Juvat ("es wirkt") an einem solchen Finanzierungsinstrument im Bereich der Jugendförderung. Die Zukunft wird zeigen, ob und in welchen Feldern sich SIBs hierzulande durchsetzen können.



Im Profil

Prof. Dr. Barbara Scheck ist Inhaberin einer Juniorprofessur für BWL, insbesondere Social Investment, an der Universität Hamburg. Sie beschäftigt sich mit der Finanzierung von sozialen Organisationen und Fragen der wirkungsorientierten Berichterstattung.

Anna Katharina Höchstädter promoviert zum Thema Impact Investing an der Universität Hamburg. Gleichzeitig arbeitet sie als Rockefeller Foundation Fellow an einer Praxisstudie zum deutschen Impact Investing Markt.



Zum Weiterlesen

  • Cabinet Office. (2013). The Knowledge Box
  • Nicholls, A. & Tomkinson, E. (2013). The Peterborough Pilot Social Impact Bond. Oxford: University of Oxford.
  • Liebmann, J.B. (2011). Social Impact Bonds. A promising new financing model to accelerate social innovation and improve government performance. Washington, D.C.: Center for American Progress.
  • Social Finance, Inc. (2012). A New Tool for Scaling Impact: How Social Impact Bonds Can Mobilize Private Capital to Advance Social Good. Boston: Social Finance, Inc.
Von Barbara Scheck und Anna Katharina Höchstädter  

Quelle:
Gesellschaft | Social Business, 17.01.2014
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2014 - Smarte Produkte erschienen.
     
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