„Für Uli Hoeneß ist Öko Quatsch“

Karl Ludwig Schweisfurth berichtet über seinen ökologischen Musterhof für den er sein Fleischimperium "Herta" verkaufte

Karl Ludwig Schweisfurth verkaufte sein Fleischimperium „Herta" und baute einen ökologischen Musterhof auf. forum erzählt er, warum Uli Hoeneß und ihn Welten trennen und weshalb der symbiotischen Landwirtschaft die Zukunft gehört.


HKarl Ludwig Schweisfurth, einst größter Fleischfabrikant Europas, auf seinem Ökohof in Herrmannsdorf:'Wir müssen weniger Fleisch essen.'err Schweisfurth, Sie haben den Fleischkonzern Herta in den 1980er-Jahren verkauft und dann die biologischen Herrmannsdorfer Landwerkstätten aufgebaut. Warum?

Da kam einiges zusammen. Die berühmte Wandlung des Saulus zum Paulus auf dem Wege nach Damaskus war ja unmittelbar. So war das bei mir nicht. Ich brauchte einige Jahre. Ganz wichtig war die kritische Haltung meiner Kinder gegenüber der Intensivtierhaltung und dem Tempo, den ein solcher Konzern verlangt.

Woher kam die kritische Haltung Ihrer Kinder?

Mit Else fing alles an. Da war meine Tochter Anne vielleicht zehn Jahre alt und bekam das erste Pferd, Else. Dann kamen andere Tiere hinzu. Meine drei Kinder haben sie über viele Jahre gepflegt. Das hat meine Kinder geprägt. Vor allem mein Sohn Karl hat gesagt: Vater, mit Deinem Riesenladen will ich nichts zu tun haben. Immer mehr und immer schneller muss alles sein. Du fliegst nur noch durch die Weltgeschichte, von Konferenz zu Konferenz, was soll das? Die verdammten Blagen hielten mir den Spiegel vor. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich wäre sonst wohl nicht mehr da.

Welche Rolle spielte Mitleid mit den Tieren?

Ich wollte wissen, wo die Tiere herkommen, die in meinen Schlachthäusern geschlachtet wurden. Denn meine Kinder hatten Recht. Also bin ich in Norddeutschland zu einem Bauernhof gefahren. Das ist 30 Jahre her, aber ich erinnere mich, als wäre es gerade eben gewesen. Ich kam in einen Stall irgendwo bei Osnabrück. Da waren 1.000 Schweine in einem Stall, heute sind es 20.000. Wie es da gerochen hat, die Tiere auf Spaltenböden. Mir ging es durch Mark und Bein. Dann dieser Bauer.

Was war mit ihm?

Das war kein Bauer mehr, das war ein Tierfabrikant. 30 Jahre ist das her und natürlich ist die Entwicklung in Richtung Intensivierung weitergegangen. Heute sind die meisten Bauern keine Bauern mehr, sondern Tierfabrikanten. In riesengroßen Ställen halten sie beispielsweise 30.000 Hühner. Ich hatte damals schon gemerkt, dass mit den Tieren, die wir verarbeiteten, etwas nicht stimmte. Beim kleinsten Schrecken bekamen die einen Herzinfarkt und fielen tot um. Das Fleisch war wässrig, man konnte keinen richtigen Schinken daraus machen. Bei meinem Besuch auf diesem Hof sah ich, warum das so war. Das hat eine Menge bei mir bewirkt und war der Grundstein für die Herrmansdorfer Landwerkstätten.

Biobauern stehen unter großem Druck, besonders seit die Nachfrage nach Energiepflanzen die Pachtpreise in die Höhe treibt. Zwischen 2003 und 2010 sind 2.900 Bio-Bauern in die konventionelle Landwirtschaft zurückgekehrt. Bio brachte zu wenig ein. Weshalb würden Sie jungen Bauern trotzdem raten, auf ökologischen Landbau zu setzen?

Weil ich fest davon überzeugt bin, dass wir sonst sehenden Auges ins Verderben rennen. Wir nutzen die Natur in einer Weise, die nicht zukunftsfähig ist. Und das, obwohl wir wissen, was wir falsch machen. Der Weltagrarbericht, der 2006 erschienen ist, beschreibt das ganz genau. Dennoch werden die Tierfabriken immer größer, obwohl deren Leiter ja keine dummen Leute sind.

Es geht ja auch um Geld. Nicht jeder Bauer hat die finanziellen Mittel und damit den Raum für Experimente. Bis Herrmannsdorf sich selbst getragen hat, sind Jahre vergangen.

Wir leben in einem System mit festen Strukturen. Man kann nur erfolgreich etwas anders machen, wenn man den Mut hat, aus dem System auszusteigen und alles wieder zusammenzubringen. Die Landwirtschaft mit der Tierhaltung. Die kleine handwerkliche Metzgerei, in der die Tiere ohne lange Transporte achtsam geschlachtet und zu Fleisch, Schinken und Würsten verarbeitet werden, mit dem eigenen Vertrieb. Es ist wichtig, die Erzeugnisse über den Verkaufsladen unmittelbar bei der Metzgerei direkt an den Endverbraucher zu richten. Vergessen Sie Lidl, Aldi oder Tengelmann und wie sie alle heißen. Diese stehen in hartem Konkurrenzkampf und wenn Sie denen ihre Erzeugnisse verkaufen wollen, schneiden die ihnen wieder den Hals ab. Dann kriegen Sie nicht die Preise, die Sie als Biobauer kriegen müssen. Wenn der Biobauer auf den Einkäufer von Edeka angewiesen ist, wird es nicht funktionieren. Deshalb muss er direkt mit dem Endverbraucher kommunizieren und Vertrauen schaffen. Er braucht ein eigenes kleines Geschäft, wo er seine hochwertige Ware zu dem Preis, den er braucht, anbieten kann. Also raus aus dem System.

In der symbiotischen Landwirtschaft sind Tiere wechselseitig Dienstleister. So schützen Schweine Hühner vor Räubern. Hühner wiederum befreien Schweine von Parasiten.Das klingt so einfach…

Man muss den Betrieb einfach und bescheiden halten, ohne viel teure Technologie. Man darf nur geringe Investitionen tätigen, sonst verschuldet man sich bis unter die Nase und ist kein freier Mann mehr. Dann arbeitet man für die Bank. Aber höchste Geschmacks- und Gesundheitsqualität muss sein. Ganz einfach.

Die Agroindustrie sagt uns: Ökologischer Landbau kann nicht alle satt machen. Wir brauchen leistungsfähigere Pflanzen, die auf weniger Boden mehr Ertrag bringen.

Uli Hoeneß sagt das auch. Ich sehe das aber komplett anders, weil ich eine andere Weltanschauung habe. Die Landwirtschaft, die wir heute betreiben, führt in spätestens 20 Jahren ins Chaos. Wir fressen die Erde kahl, wenn wir weiterhin so viel Fleisch produzieren und alle Menschen auf der Welt so viel Fleisch essen, wie wir das hier tun. Dann schlagen wir uns die Köpfe ein. Es funktioniert einfach nicht, mit Technik und Energie immer mehr aus dem Boden und aus den Tieren herauszuholen. Ausbeutung, Zerstörung und Verschwendung – ich bin so sicher, dass dieses System kaputt geht.

Warum versuchen Sie nicht andere Entscheider zu beeinflussen, damit diese den Biolandbau vorantreiben – Sie haben Uli Hoeneß angesprochen…

Das ist schwierig. Viele Menschen glauben, neuere, bessere Technologien seien der Schlüssel. Das sind keine schlechten Leute, die haben einfach eine andere Weltanschauung. Für Uli Hoeneß, der eine große Fleischwarenfabrik hat, ist Öko Quatsch. Uli Hoeneß kann ich nicht überzeugen.

Haben Sie es versucht?

Ach was. Das ist doch vertane Zeit. Genauso wenig hätte Uli Hoeneß mich überzeugen können. Für mich ist es wichtig, achtsam mit der Natur umzugehen. Die Natur ernährt uns, und wir sind ein Teil von ihr. Wir entscheiden über unser eigenes Schicksal. Die Natur kriegen wir nicht kaputt, aber uns schon. Wir können neun oder gar zehn Milliarden ­Menschen ernähren, wenn wir achtsam und kultiviert mit unseren Ressourcen umgehen. Unter einer Bedingung: Wir müssen weniger Fleisch essen.

 Hier geht es zum zweiten Teil des Interviews.


Lifestyle | Essen & Trinken, 01.07.2014
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2014 - Tooooor! 3:0 für Nachhaltigkeit erschienen.
     
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