Energiewende am Scheideweg

Was zu tun bleibt, um die großen Chancen der Energieeffizienz zu nutzen

Die großen Chancen der Energieeffizienz werden bisher nicht ausreichend genutzt. Um dies zu ändern und die Energiewende stärker voranzutreiben, braucht es praxisnahe Beratung, attraktive Investitions­anreize und innovative Finanzierungsmodelle.
 
Die Energieeffizienz ist eine der tragenden Säulen der Energiewende. © Uwe Schlick, pixelio.deDie Energieeffizienz ist neben den erneuerbaren Energien die zweite tragende Säule der Energiewende. Noch ist sie aber ein „schlafender Riese". Dabei sind die Einsparpotenziale bei Wärme, Strom und Kraftstoffen in Deutschland enorm – sowohl in Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen als auch in privaten Haushalten. Bisher werden jedoch noch viel zu wenige Maßnahmen umgesetzt. Es fehlt an Informationen, professionellen Organisationsstrukturen, „Kümmerern" – und oft auch an den notwendigen finanziellen Mitteln. Die Bundesregierung hat dies erkannt und Ende 2014 den Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE) vorgelegt. Nach dem Grundsatz „Informieren – Fördern – Fordern" klärt NAPE private Haushalte, Unternehmen und Kommunen über ihre Energieeinsparpotenziale und geeignete Energieeffizienzmaßnahmen auf. Anreize für Effizienzinvestitionen werden beispielsweise durch steuerliche Förderung von Effizienzmaßnahmen für Wohngebäude, Sonderabschreibungen für gewerblich genutzte Elektrofahrzeuge oder auch ein neuartiges wettbewerbliches Ausschreibungsmodell geschaffen. Und nicht zuletzt nimmt NAPE die Unternehmen in die Pflicht: Der Aktionsplan verlangt von großen Unternehmen Energieaudits und setzt Standards für Neuanlagen und Neubauten. Unternehmen sollen zudem eigenverantwortlich in bis zu 500 Energieeffizienznetzwerken gemeinsame Effizienzziele definieren und diese in der Gruppe umsetzen.
 
Tragende Säule der Energiewende
Einer der inhaltlichen Schwerpunkte von NAPE ist der Gebäudebereich. Bis zum Jahr 2050 will die Bundesregierung einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand erreichen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Etablierung der Energieeffizienz als Rendite- und Geschäftsmodell. Dies begrüßt B.A.U.M. besonders, denn hohe Investitionskosten, mangelndes Personal und Know-how verhindern häufig die Umsetzung von Energieeffizienz-Maßnahmen, obwohl hier im Gegenzug attraktive Amortisationszeiten zu erzielen sind. Innovative Finanzierungs- und Geschäftsmodelle können helfen, diese Hürden zu überwinden und bestehende Energiekosten in Energieeffizienz-Investitionen umzuwandeln. Dazu wurde das Konzept des Zukunftsfonds entwickelt, bei dem Kosten­einsparungen aus Energieeffizienz-Projekten zur Finanzierung neuer Maßnahmen genutzt werden.
REEG finanziert nach dem Modell des 'Zukunftsfonds' Energieeffizienzmaßnahmen in der Region mit Kapital aus der Region und erhielt ­dafür die Würdigung 'Ausgezeichneter Ort' 2014/15 der Initiative 'Deutschland – Land der Ideen'. © Initiative 'Deutschland - Land der Ideen'Zurzeit erprobt B.A.U.M. in dem Projekt Regionale EnergieEffizienzGenossenschaften (REEG), wie sich das Konzept des Zukunftsfonds in Städten und Landkreisen umsetzen lässt. Dadurch sollen die riesigen Potenziale von Energieeffizienz-Maßnahmen genutzt und die Wertschöpfungsketten in der Region gestärkt werden. Die drei am Projekt beteiligten Pilotkommunen – die Städte Aachen und Norderstedt sowie der Landkreis Berchtesgadener Land – unterscheiden sich in Struktur und geografischer Lage stark voneinander. Sie wurden ausgewählt, um die Chancen und die Funktionsfähigkeit des Konzepts bei unterschiedlichen Rahmenbedingungen unter Beweis zu stellen. Das Projekt REEG wird vom Bundesumweltministerium im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative gefördert. Dass es außerdem von der Initiative „Deutschland – Land der Ideen" und der Deutschen Bank im Wettbewerb 2014/2015 als „Ausgezeichneter Ort" prämiert wurde, ist eine schöne Anerkennung für die Arbeit des Projektteams.
 
Kapital aus der Region – für die Region
REEG nutzt Privatkapital aus der Region zur Finanzierung von Energieeffizienz-Maßnahmen in der Region. Häufig handelt es sich dabei um Maßnahmen im Bereich der Querschnittstechnologien wie Beleuchtung, Energiemanagement, Druckluft, Pumpensysteme, Kältetechnik oder Lüftung und Klimatisierung. Die Unternehmen, die die Maßnahmen durchführen, erhalten modernste Technik, ohne selbst investieren zu müssen. Die beteiligten Städte oder Landkreise können eigene Projekte in kommunalen Einrichtungen zur Finanzierung vorschlagen; sie profitieren aber auch insgesamt durch die Verbesserung ihrer Klimabilanz und durch die Förderung der regionalen Wirtschaft.
In Norderstedt beispielsweise wird aktuell bei einem kleinen mittelständischen Unternehmen aus dem Bereich Veranstaltungsservice die Beleuchtungsanlage umfassend saniert (Außenanlage, Büro, Küchen- und Produktionsräume, Sanitär- und Personalräume). Nach einer systemischen Analyse im Vorfeld wurde unter Berücksichtigung der Wünsche des betroffenen Unternehmens aus mehreren Angeboten ein regionales Handwerksunternehmen als geeigneter Auftragnehmer ausgewählt und mit der Durchführung der Sanierung beauftragt. Bei diesem Projekt mit einem Investitionsvolumen von rund 10.000 Euro wird eine Einsparung von rund siebenTonnen CO2 erwartet.
 
Auch private Haushalte mitnehmen
Nicht nur bei Unternehmen, auch im Bereich der privaten Haushalte ist das Einsparpotenzial hoch. Nimmt man investive und nicht-investive Maßnahmen zusammen, lassen sich Einsparungen von bis zu 50 Prozent erzielen. B.A.U.M. bereitet daher eine deutschlandweite Kampagne vor, die den Verbrauchern zeigt, wie sie Energie sparen und Kosten reduzieren können. Neben der OTTO Group als Premiumpartner werden unter anderem Hersteller von Haustechnik und Haushaltsgeräten, Energieversorger, Fachverbände aus Industrie und Handwerk sowie Umweltorganisationen an der Kampagne beteiligt sein. Flankierende Kommunikationsmaßnahmen sollen den großen Zusammenhang von Energiewende und Klimaschutz deutlich machen, denn Energiewende und Klima­schutz gelingen nur, wenn alle an einem Strang ziehen. Vor allem möchte die Kampagne zur energetischen Sanierung von Gebäuden sowie zum Austausch alter Heizungsanlagen oder Haushaltsgeräte gegen neue, energieeffiziente motivieren. Zusätzlich zum Klimaschutz schafft dies neue Arbeitsplätze, ein grünes Wirtschaftswachstum und zusätzliche Steuer­einnahmen für Staat, Länder und Kommunen.
 
Prof. Dr. Maximilian Gege
ist Vorsitzender von B.A.U.M., Europas größtem Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften. Er hat früh die großen Chancen der Energieeffizienz erkannt und dazu viel publiziert, u.a. „Erfolgsfaktor Energieeffizienz. Investitionen, die sich lohnen" (Oekom-Verlag, 2011).
Für sein Engagement hat er zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen erhalten.

Technik | Energie, 01.07.2015
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2015 - Jahr des Bodens erschienen.
     
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