3D-Druck aus 'flüssigem Holz'

Die Weltneuheit

Als Moderator der GREEN BRANDS Preisverleihung in Wien durfte ich den Gewinnern eine Trophäe überreichen, die laut Aussagen der Verantwortlichen eine Weltneuheit darstellt: Ein 3D-Druck, basierend auf Holz. Meine Neugierde war geweckt.
 
Die Weltneuheit: 3D-Druck aus 'flüssigem Holz' © Anna Rauchenberger/GREEN BRANDSDas Prinzip des 3D-Drucks hat in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erregt. Es ist im Prinzip so einfach, dass selbst Laien keine Schwierigkeiten haben, es zu verstehen. Je nach Verfahren wird Kunststoff, Polymergips, Metall oder Keramik schichtweise aufgebaut, bis das Gebilde fertig ist. 3D-Drucker für den Hausgebrauch sind bereits zu erschwinglichen Preisen käuflich und reißerische Schlagzeilen wie „Die eigene Pistole im 3D-Drucker herstellen" – oder „Ein Haus aus dem Drucker" erregten Aufmerksamkeit und proklamierten gar eine dritte industrielle Revolution.
 
Bringt der 3D-Druck eine Plastikflut?
Auch die Nachhaltigkeitsdiskussion um den 3D-Druck ist in vollem Gange. Die positive Vision: Viele Produkte können wieder repariert werden, da man die benötigten Ersatzteile einfach selbst herstellt. Nicht mehr Produkte müssen über weite Strecken transportiert werden, sondern nur noch die Programmieranweisung für den 3D-Drucker. Es wird gar von einer industriellen Revolution gesprochen, die z.B. den Möbelbau revolutionieren könnte. Die Kehrseite der Medaille: Tinten- und Laserdrucker haben zu einem gewaltigen Anstieg des Papierverbrauches geführt, so ähnlich befürchten es die Kritiker mit dem Verbrauch an Kunststoffen beim 3D-Druck. Da sollte wenigstens der Kunststoff umweltfreundlich sein.
 
Pioniere braucht das Land
In Österreich sitzt eine Druckerei, die von der zweiten in die dritte Dimension wollte. Nicht nur Papier sollte „bedruckt", sondern Objekte „gedruckt" werden. Das Druckhaus Schiner in Krems ging deshalb schon vor sieben Jahren eine Kooperation mit einem der ersten 3D-Druckunternehmen in Deutschland ein und konnte seinen Kunden in der Folge die Erstellung von Architektur- und Konzeptmodellen sowie ganz speziellen Objekten anbieten. Anfang 2014 trat Martin Mostböck, Architekt und Designer, als Inspirator auf den Plan. Sein Streben nach nachhaltigen Möbeln hatte bereits zu international ausgezeichneten Sesseln aus Flachsfasern geführt. Er regte Schiner an, die im 3D-Druck erzeugten Modelle der Möbel aus vollständig biologisch abbaubaren Stoffen herzustellen. Damit rannte er offene Türen bei der Druckerei ein, die sich bereits seit vielen Jahren um den Einsatz ausschließlich ökologisch unbedenklicher Materialien und Verfahrensweisen in ihren Herstellungsprozessen bemühte. Dieser in der Druckbranche einzigartige Vorstoß in Richtung Nachhaltigkeit brachte dem Unternehmen u.a. den GREEN BRANDS Austria Award 2014/15 ein und lieferte damit einen weiteren Puzzlestein auf dem Weg, 3D-Modelle mit ökologisch unbedenklichen Materialien auf Basis 100 Prozent nachwachsender Rohstoffe zu drucken.
In Deutschland wurde nämlich Tecnaro, ein Hersteller von Biokunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen ebenfalls mit dem Award ausgezeichnet – und so kam es, wie es kommen musste: GREEN BRANDS Initiator und „Mastermind" Norbert Lux brachte den Drucker aus Österreich und den Hersteller von Biopolymer-Granulaten zusammen. Das Granulat sollte dem Druckhaus als Basis für den 3D-Druck dienen. Doch der Weg dorthin war noch weit, weil es in dieser Form nicht formgebend druckbar war.
 
Aufwendige Adaption
Jürgen Pfitzer von TECNARO (im Bild links) und Jörn Henrik Stein vom Druckhaus Schiner (rechts) erklären den Preisträgern das Produktionsverfahren der im 3D-Druck aus Biokunststoff geformten Trophäe bei der Verleihung der Auszeichnung im Dezember 2014 in Wien. © Anna Rauchenberger/GREEN BRANDSDer als Liquid Wood bekannte Biowerkstoff ARBOFORM F war 1998 von Jürgen Pfitzer und Helmut Nägele, damals Mit­arbeitern des Fraunhofer-Instituts für Chemische Technologie (ICT) und Gründer der Tecnaro GmbH entwickelt worden. Er besteht aus Lignin sowie weiteren Naturfasern wie Flachs oder Hanf und eignet sich für das Kunststoff-Spritzgießen. Weitere biobasierte Materialien wie ARBOFILL und ARBO­BLEND eigneten sich bereits für Extrusion oder Blasformen. Um diese biobasierten Kunststoffe aber auch für den 3D-Druck einsetzen zu können, waren noch spezielle Adap­tierungen notwendig, denn der Prozess verlangt nach sogenannten Filamenten, die nur in einer fix definierten Materialstärke gedruckt werden können. Hier sind nicht nur Viskosität und Elastizität, sondern vor allem auch Form­stabilität und Schlagzähigkeit ausschlaggebend. In monatelanger Entwicklungstätigkeit in Kooperation mit dem Linzer Kompetenzzentrum Holz (Wood K plus) und weiteren Spezialisten für Kunststoff-Prototyping gelang es dem Kremser Druckhaus, aus dem neu entwickelten Granulat von Tecnaro sogenannte Filamente zu extrudieren, die dem technischen Anforderungskatalog entsprachen.
Es bedurfte zahlreicher Versuche in der Extrusion der Filamente, wie auch in der Anwendung dieser Filamente im 3D-Druck, bis ein zufriedenstellendes Ergebnis erreicht werden konnte. In einer Entwicklungszeit von nur fünf Monaten konnten dann – quasi in letzter Minute vor der Verleihung -die ersten mit einem 3-Drucker hergestellten Trophäen auf Biopolymer-Basis mit Holzanteil für die Awards hergestellt werden. Und ich hatte schließlich die Ehre, diese am 1. Dezember 2014 zusammen mit dem Präsidenten des Österreichischen Gewerbevereins, Andreas Gnesda, zu überreichen und damit der Öffentlichkeit als Weltneuheit präsentieren zu dürfen.
 
Weitere Partner gesucht
Die GREEN BRAND Trophäe wurde auf Biopolymer-Basis mit Holzanteil geformt. © Anna Rauchenberger/GREEN BRANDSBei der anschließenden Feier im altehrwürdigen Palais Eschenbach wurde mir versichert, dass sich das innovative, österreichische Druckhaus nicht auf diesem Erfolg ausruhen will. Das Team um den Inhaber Jörn-Henrik Stein arbeitet bereits mit Hochdruck an weiteren Entwicklungszielen. Die Materialdefinition ist längst nicht abgeschlossen, es werden aktuell weitere Versuche mit anderen Biopolymerkompositionen und Additiven, respektive unterschiedlichen Anteilen in der Zusammensetzung gefahren. Ziel ist die Entwicklung eines Stützmaterials auf Biopolymer-Basis, um auch schwierigere und komplexere Bauteilgeometrien in einem Stück realisierbar zu machen. Hinsichtlich der 3D-Druckmaschinen wird auch nach Partnerunternehmen gesucht, die die Anlagenkonfiguration so offen gestalten, dass verschiedenste Materialien zum Einsatz kommen können, damit man nicht, wie derzeit üblich, auf bestehendes Material der 3D-Druckmaschinenhersteller angewiesen ist.
 
Weitere Informationen:
 
Von Fritz Lietsch

Technik | Innovation, 01.07.2015
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2015 - Jahr des Bodens erschienen.
     
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