Elektromobilität in der Hotellerie

Die Hotelbranche fördert E-Mobilität

Die zahlreichen Eco- und CSR-Labels im Gastgewerbe sind ein sicht­bares Zeichen für die Nachhaltigkeitsbemühungen touristischer Destinationen. Dabei kam ein Bereich, die Mobilität, bisher meist zu kurz. Nun aber weht – dank zunehmender elektromobiler Angebote – ein neuer, abgasfreier Wind durch die Branche.

Stets auf der Suche nach neuen Attraktionen für ihre Gäste, entdecken Tourismusmanager und Hotelbetreiber zunehmend das Potenzial der Elektromobilität. Und so kommen Gäste in immer mehr touristischen Destinationen in den Genuss von besonderen Fahrerlebnissen – mit E-Bikes, E-Rollern, Segways oder Elektroautos. Die elektromobilen Angebote werden, sofern sie offensiv beworben werden, gerne gebucht, da Urlauber in entspannter Freizeitatmosphäre meist aufgeschlossen sind, Neues kennenzulernen und ganz im wörtlichen Sinne zu er-fahren.

Für Hersteller, die neue Produkte erproben und ihre Marktchancen austesten wollen, spielt die Hotellerie seit jeher eine wichtige Rolle. Die spätere Erfolgsgeschichte vieler Produktneuheiten – vom neuesten Saison-Drink bis zum Whirlpool – gründet sich auch auf die positiven Assoziationen von Testpersonen, die das Produkt erstmals in schöner Urlaubsstimmung kennengelernt hatten. Nun entdecken die Anbieter von Elektrofahrzeugen und Ladetechnologien die Hotel-Branche als interessanten Markt.
 
E-Bikes als Initialzünder
Noch vor wenigen Jahren vornehmlich als Rentnervehikel verschrien, sind E-Bikes inzwischen als stylisches, flottes Stadtfahrzeug ebenso gefragt wie als kraftvolles E-Mountainbike für Gipfelstürmer. Zu den Gründen für den Boom der Elektroräder zählen technische Innovationen und attraktive Designkonzepte – aber auch die Tatsache, dass viele spätere Käufer zunächst im Urlaub mit der elektromobilen „Einstiegsdroge" in Kontakt kamen und „infiziert" wurden.

Elektromobilität wird 'in'. Foto © Michael Kienzler / SewatoSchlaue Touristiker und Hoteliers hatten nämlich bald erkannt, dass sich selbst Skeptiker zu einer Probefahrt animieren lassen, wenn Freunde oder Nachbarn, die einem mangelnde Fitness unterstellen könnten, in weiter Ferne sind. Inzwischen gehört die Vermietung von Pedelecs – entweder in Eigenregie oder in Kooperation mit Verleihdiensten wie etwa Movelo -, das Ausweisen spezieller Touren oder die Installation von Lade- oder Akkutauschstellen zum Standardangebot zahlreicher touristischer Regionen und Hotels.

Charge-Hotels
Noch vor Jahren konnte ein findiger Hotelier, der seinen Gästen als erster Elektroräder anbot, eine lokale Sonderstellung einnehmen und sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Längst aber haben die Innovatoren der Branche neue elektromobile Angebote kreiert, mit denen sie Ihren Gästen einen besonderen Service bieten. Die meisten beginnen zunächst damit, gut zugängliche Ladestellen für (teil-)elektrische Fahrzeuge einzurichten. Angesichts der Tatsache, dass derzeit mangels eines halbwegs flächendeckenden Netzes an öffentlichen (Schnell-)Ladestationen, im Moment fast nur Tesla-Fahrer längere Anreisewege bewältigen können, mag man die Installation einer Wall Box, einer Ladesäule oder gar eines Solar-Ladecarports als ziemlich optimistisch, wenn nicht als naiv bezeichnen. Oder aber als clever und vorausschauend, denn die Zahl der Gäste, die gezielt nach Unterkünften suchen, in denen sie ihre Autos laden können, wird sich in nächster Zeit deutlich erhöhen. „Schuld" daran sind die vielen teil-elektrischen Plug-in-Hybride, die gerade den Markt erobern. Die Automobilbranche startet derzeit eine groß angelegte Produktoffensive mit derartigen Modellen, deren elektrische Reichweite ausreicht, zumindest die nähere Umgebung des Urlaubsorts emissionsfrei zu er-fahren. Zudem ist absehbar, dass schon in ein, zwei Jahren reine Elektroautos mit einer Reichweite von 300 Kilometern Standard sein werden. Verreisen wird dann auch mit ihnen möglich sein – gelegentliche Zwischenstopps an „Fast Chargern" oder die Übernachtung in einem Charge-Hotel eingerechnet.

Erfahrene e-mobile Reisende ziehen das Laden im Hotel der Nutzung von öffentlichen Ladestellen vor – aus guten Gründen: Zum einen stellen die meisten Unterkünfte ihren Hausgästen den Strom kostenlos zur Verfügung. Zum anderen braucht der „electric rider" im Hotel keine eigene Lade-Bezahlkarte der jeweiligen Region, wenn er denn zahlen muss – sondern er erledigt das einfach zusammen mit der Hotelrechnung. Angesichts von rund 70 verschiedenen Lade­regionen allein in Deutschland ein gewichtiges Argument.

Dass die Einrichtung von Ladestationen in Hotels bei weitem kein exotisches Steckenpferd von wenigen Öko-Enthusiasten unter den Betreibern ist, zeigt sich schon in der Tatsache, dass die DEHOGA Deutsche Hotelklassifizierung in ihrem aktuellen Kriterienkatalog für die Sternevergabe diesen Punkt aufgenommen hat. Wer demnach Lademöglichkeiten für E-Bikes oder Elektroautos installiert, erhält seit 2015 drei Bewertungspunkte bei der Klassifizierung.
 
 Schon heute gibt es Hoteliers, die nicht mehr auf künftige Elektrofahrer warten müssen, sondern bereits aktuell von ihren Ladestationen profitieren. Allen voran Richard Absenger, der Betreiber des derzeit wohl beliebtesten „Charge-Hotels", des „Kaiserhof" in Anif bei Salzburg. Den Gästen des Hauses, aber auch anderen E-Drivern, stehen hier ein halbes Dutzend Ladestellen unter einem solaren Carport sowie eine Schnell-Ladesäule zur Verfügung. Zusätzlich hat Tesla auf dem Hotelgelände vier seiner „Supercharger" installiert, die die Edellimousinen der US-Firma in einer halben Stunde mit Strom für fast 300 Kilometer Reichweite versorgen können. Zwar sieht der junge, engagierte Hotelchef seine elektromobilen Angebote, zu denen auch der Verleih von E-Autos an seine Gäste gehört, primär als logisches und konsequentes Element seiner Nachhaltigkeitsstrategie. Gleichzeitig dienen sie ihm aber auch als innovatives Marketingtool. Und so locken nicht mehr nur die schönen, mit Naturmaterialien ausgestatteten Zimmer und die ausgezeichnete, steirisch geprägte Küche zum Verweilen, sondern inzwischen auch die Möglichkeit, sein Elektrofahrzeug während des Essens oder über Nacht aufladen zu können. Getreu dem Motto „sleep and charge".

Das eMobility-Konzept des Kaiserhofs trägt einerseits dazu bei, die Umwelt zu entlasten und das Nachhaltigkeitsprofil des Hauses zu stärken. Daneben zahlt sich das e-mobile Angebot aber auch in barer Münze aus – dank vieler neu hinzu gekommener Gäste.

Allerdings: Von alleine hat sich der „Kaiserhof" nicht zu einem kleinen, aber feinen Mekka für E-Autofahrer aus halb Europa entwickelt. Eines hat Absenger nämlich manchen Hotelbetreibern mit halbherzigem E-Engagement noch voraus: die Einsicht, dass es mit dem bloßen Aufstellen einer Ladesäule nicht getan ist. Erfolgreich werden künftig nur Häuser sein, die an den Chargern auch betriebseigene Fahrzeuge laden: e-mobile Gästeshuttles etwa zum nächsten Verkehrsträger (Bahnhof, Flughafen) oder ihre EVs (Electric Vehicles) ökologisch glaubwürdig mit „grünem Strom" laden. Und vor allem solche, die ihre E-Aktivitäten kreativ und offensiv promoten. So, wie Absenger sie über seine Website (www.kaiserhof-anif.at) kommuniziert.

eMobility-Hotels – Katalysatoren des Markthochlaufs
Derzeit sind es hauptsächlich noch innovative Privathoteliers, die – von ihrer eigenen Begeisterung für das entspannte Dahingleiten und die rasante Beschleunigung ihrer EVs getragen -, auch ihren Gästen diese Erlebnisse der besonderen Art vermitteln wollen. Und das nicht allein, um sie mit neuen Attraktionen an das Haus zu binden, sondern auch, weil sie damit eine Mission verknüpfen. „Wir können E-Auto-Erlebnisse ohne Verkaufsdruck anbieten, vermitteln dabei den Gästen die Faszination emissionsfreien Fahrens und tragen letztlich dazu bei, die Akzeptanz der Elektromobilität zu erhöhen. Theoretische Diskussionen sind genug geführt, jetzt gilt es, eMobility er-fahrbar zu machen." Getreu diesem Credo offeriert Michael Walchhofer, Betreiber des familiengeführten „Alpenhof" in  Filzmoos im Salzburger Land seinen Gästen ein breites Spektrum an e-mobilen Angeboten: Gerade weniger aktive Urlauber freuen sich, dank E-Bikes und geländegängigen Segways die Hütten der Umgebung  anfahren zu können. Wer es noch bequemer haben möchte, dem steht für die Erkundung der Region der hauseigene BMW i3 zur Verfügung. Und Gästen, die mit dem eigenen Elektroauto anreisen, bietet die Hoteliersfamilie zusätzlich zur Ladestation eine einzigartige Belohnung in Form eines 10 Prozent Rabattes auf die Hotelleistungen.

Eines haben „First Mover" wie die Walchhofers erkannt: auch wenn sich ihr Engagement derzeit noch in bescheidenem Umfang in barer Münze auszahlt, so werden sie mittelfristig, dank kreativer Marketingkonzepte (Rabattmodelle, Arrangements) und dem allgemein wachsendem Interesse an der Elektromobilität, einen echten Wettbewerbsvorteil erlangen.

Das Spektrum elektromobiler Gästeangebote umfasst aber längst nicht nur den Verleih von E-Autos. Es werden auch immer mehr Fun-Mobile, Segways oder E-Scooter vermietet. Das Hotel Post in Galtür/Tirol hat sich sogar auf rasante Elektro-Motorräder spezialisiert, mit denen die Mieter zu günstigen Konditionen die Bergstraßen der Umgebung erobern können. Für den, der lieber seine Geschicklichkeit im steilen Gelände des hauseigenen Parcours erproben will, stehen zudem E-Trail-Maschinen zur Verfügung.
  
Inzwischen hat auch die Autobranche erkannt, welche Werbe- und Vertriebschancen sich eröffnen, wenn ihre neuen EV-Modelle von vielen Hotelgästen gefahren werden. Nicht nur für wenige Minuten wie bei sporadischen Roadshows oder Messen, sondern bei längeren Ausflügen in die Umgebung. Damit möglichst viele Menschen in den Genuss des leisen Dahingleitens kommen und Vorbehalte abbauen, offerieren manche Hersteller ihren Hotel-Kunden bereits attraktive Konditionen oder Kooperationsmodelle. Langsam scheint sich herumzusprechen, dass die „User Experience" einen Schlüsselfaktor bei der Dynamisierung des eMobility-­Marktes darstellt.

Hotelketten werden e-mobil
Der i3 des Hotel Alpenhof: Betriebsfahrzeug, Mietauto und mobiler Werbeträger in einem. Foto © Edgar DavidIn jüngster Zeit entdecken auch große internationale Hotelgruppen die Elektromobilität – sowohl für den innerbetrieblichen Einsatz wie für attraktive Gästeangebote. Die Carlson Rezidor Group etwa offeriert inzwischen an 16 Standorten in Deutschland ihrer Radisson Blu und Park Inn by Radisson Hotels Ladestationen mit Ökostrom für EVs und Plug-in Hybride. Daneben hat die Gruppe bereits zum zweiten Mal die eTourEurope gesponsert, eine Rundfahrt, bei der die teilnehmenden Teams in einer Woche über 4000 Kilometer quer durch Europa zurücklegen. Rein elektrisch angetrieben, versteht sich.

Wer ein beinahe komplettes Angebot an elektromobilen Fahrzeugen und Dienstleistungen an einem Standort erleben möchte, wird auch mitten in Berlin fündig. Vom dort gelegenen NH Collection Berlin Friedrichstrasse kann man die Stadt mit E-Bikes, E-Rollern, Segways und EVs erkunden oder sich mit elektrischen Tuktuks kutschieren lassen. Einen besonderen Service bietet NH in Kooperation mit dem Elektrofahrdienst eCity Cab an: Auf die Hotelgäste wartet stets ein bequemes E-Auto von Nissan oder Mercedes samt Chauffeur vor der Tür, um sie zum Flughafen, Bahnhof oder zu anderen Zielen in der Stadt zu befördern. Und wenn eine größere Gesellschaft etwas Besonderes erleben möchte, kann sie in der eMobility Lounge des Hotels ein edles Solarboot für exklusive Fahrten und Feiern auf der nahegelegenen Spree mieten.

Mit seiner Vielfalt an e-mobilen Angeboten und Serviceleistungen nimmt das NH Collection Berlin Friedrichstrasse einen herausragenden Status unter den innerstädtischen eMobility-Hotels in Europa ein. Auch wenn nicht an allen Standorten vergleichbare Rahmenbedingungen gegeben sind, feilt man bei der NH Hotel Group bereits an Plänen, die jeweils passenden Angebotsformen innerhalb der Gruppe europaweit zu verbreiten. Derzeit nimmt NH einen Spitzenplatz unter den eMobility-Hotelgruppen ein, zumal schon in 15 NH-Häusern Ladestationen installiert sind.

Fazit
Elektromobilität in der Hotellerie bedeutet einen Gewinn für alle Seiten: Gäste kommen in den Genuss besonderer Fahrerlebnisse, Hoteliers steigern die Attraktivität ihrer Häuser, Fahrzeughersteller erreichen potentielle EV-Kunden. Nicht zuletzt profitiert auch die Umwelt von der lokalen Reduzierung der Lärm- und Abgasemissionen.

Bleibt zu hoffen, dass auch die Politik die Chance erkennt, die sich daraus ergeben kann, wenn in der Hotellerie dauerhaft die Gelegenheit installiert wird, eine positive „User Experience" im Umgang mit Elektroautos zu schaffen. Die propagierte „Markthochlaufphase" der Elektromobilität wird nur erfolgreich sein, wenn es gelingt, eMobility im größeren Stil er-fahrbar zu machen. Gerade Hotels können dazu eine ideale Plattform bieten.
 
Peter Grett ist Partner in der Media-, Event- und Beratungsagentur "Touremo" , deren Fokus auf dem Bereich Elektromobilität im Tourismus liegt.

Lifestyle | Sport & Freizeit, Reisen, 21.04.2016
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2016 - Zukunft gestalten erschienen.
     
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