Biokohle – eine neue „uralte“ Kulturtechnik

Klimafolgenforscherin hält Vortrag über Pflanzenkohle-Nutzung als Weg zur Kompensation von CO2

Anlässlich des 4. Hessischen Tages der Nachhaltigkeit am 22. September 2016 hielt die Professorin für Klimafolgenforschung, Prof. Dr. Claudia Kammann (Institut für Bodenkunde & Pflanzenernährung, Zentrum für Angewandte Biologie) der Hochschule Geisenheim einen Vortrag über Pflanzenkohle-Nutzung als einen Weg zur Kompensation von CO2 (Kohlenstoffdioxid)-Emissionen und zur CO2-Speicherung. Sie beleuchtete darin die Risiken, Chancen und Grenzen einer neuen „uralten" Kulturtechnik. Kammann begann vor rund 10 Jahren mit der Forschung zum komplexen Thema Kohle. Zunächst ging sie in ihrem Vortrag auf die steigenden atmosphärischen CO2-Konzentrationen ein, und auf die in Gießen und Geisenheim laufende FACE-Forschung (Free Air Carbon Dioxide Enrichment). Während dieser Forschungszweig in Geisenheim gerade etabliert wurde, liegen für Gießen bereits Daten über 18 Jahre für ein Grünlandökosystem unter erhöhten CO2-Konzentrationen vor. Fazit sei, dass das Grünland unter erhöhtem CO2 tatsächlich besser wächst und mehr Biomasse produziert, denn Pflanzen nutzen CO2 in der Fotosynthese und entziehen es beim Aufbau von Biomasse der Atmosphäre. Dieser den Ertrag steigernde Effekt von erhöhten CO2-Konzentrationen ist bekannt und wird bereits seit langem in Treibhäusern angewendet. Die Gießener Ergebnisse zeigten jedoch auch eine Schattenseite: Mit steigenden CO2-Konzentrationen stiegen auch die Emissionen anderer potenter Treibhausgase wie z.B. Lachgas und Methan an. Zudem verminderte sich die Qualität der geernteten Biomasse bezüglich wichtiger Inhaltsstoffe.

Foto: Cocozi, pixabay.comWeiterhin ging Kammann auf die Frage ein, wie sich die historischen und die aktuellen anthropogenen CO2-Emissionen zusammensetzen. Hauptursache hierfür sind vor allem die Verbrennung fossiler Energieträger, aber auch die Herstellung von Zement, bei der ebenfalls CO2 Emissionen entstehen. Nicht zu unterschätzen sind außerdem Landnutzungsänderungen wie z.B. Entwaldung oder die Konversion von Grasland zu Ackerboden. Die Hauptmenge der CO2-Emissionen bei uns in Deutschland entsteht bei der Energieerzeugung und bei industriellen Prozessen; beim Treibhausgas Methan geht es in Deutschland u.a. auf die Haltung von Wiederkäuern zurück, in anderen, tropischen Ländern dominiert der Reisanbau. Insgesamt „bringt aktuell China die meisten CO2-Emissionen aus, v.a. durch eine Renaissance der Kohlenutzung. Pro Kopf der Bevölkerung sind die Emissionen der Chinesen mittlerweile schon höher als die mittleren Pro-Kopf Emissionen der Europäer", erklärte Kammann. „Der Anstieg der CO2-Emissionen mit steigendem Ressourcenverbrauch und steigender globaler Bevölkerungszahl bestimmt final die globale Erwärmung: für eine bestimmte Menge an CO2-Emissionen bekommt man eine bestimmte Menge an Erwärmung" gab die Klimafolgenforscherin weiterhin zu bedenken.

„Der Kuchen ist bald gegessen."
„Wenn wir es schaffen, unter zwei Grad Celsius globale Erwärmung bleiben, gibt es vielleicht nicht so viele Rückkopplungen, die unkontrolliert für weitere Erwärmung sorgen", so Kammann. „Eigentlich müssten wir unseren gesamten „Energiestoffwechsel" bis Mitte dieses Jahrhunderts komplett dekarbonisieren, um das zwei Grad-Ziel zu halten, und sogar zusätzlich noch CO2 aus der Atmosphäre wieder entfernen", erzählt Kammann weiter. Sie reichte den Gästen ein kleines Paket, gefüllt mit 400 g, Kohle mit 80% Kohlenstoffgehalt – also ähnlich Holzkohle – und fragte ins Publikum, wie weit man nach Schätzung der Zuhörer mit einem umweltfreundlichen Kleinwagen, der 100 g CO2 pro km ausstößt wohl fahren kann, bis der so viel CO2 emittiert hat, wie in Form von Kohlenstoff (C) in der Kohle gebunden ist? Die Zuhörer im Hörsaal waren über die Antwort „nur 11,7 km" erstaunt. „Der Charme von Pflanzenkohle ist, dass sie etwas Unsichtbares, für uns Nebulöses – CO2-Emissionen – sichtbar und daher begreifbar machen kann", so Kammann.

Ein weiteres interessantes Thema ihres Vortrages war „Terra preta" (portugiesisch für schwarze Erde) – der Ursprung der Pflanzenkohle-Idee. Die ADE-Böden (Amazon Dark Earth) sind Schwarzerde-Böden im Amazonasgebiet, welche mehr Humus enthalten und die deutlich fruchtbarer sind als umliegende normale Urwaldböden. Die ADE-Böden entstanden durch menschliche Aktivitäten vor 2.000 – 450 Jahren. Kammann betonte, dass global gesehen etwa 2 - 3 mal mehr Kohlenstoff in Böden gespeichert ist als in der Atmosphäre oder in der Biomasse des Planeten. Sie erzählte weiterhin, dass kürzlich auch in Afrika sogenannte AfDE-Böden (African Dark Earth) „neu entdeckt" worden seien, die dort noch aktiv von der ländlichen Bevölkerung hergestellt werden.

Außerdem beleuchtete sie einige bereits praktizierte Anwendungsmöglichkeiten von Pflanzenkohle in der Landwirtschaft, zum Beispiel die Güllebehandlung mit Kohle, wodurch die Grünland-Erträge allmählich steigen. „Ein schöner Nebeneffekt des Mischens von Gülle und Kohle ist außerdem, dass der Gestank dadurch weggeht", ergänzte Kammann augenzwinkernd. Ein weiterer interessanter Effekt der Nutzung von Pflanzenkohle in Böden ist die Verringerung der Emissionen des starken Treibhausgases Lachgas, dass v.a. bei Düngung entsteht.

Eine weitere interessante Möglichkeit der Nutzung sei es, Pflanzenkohle als Düngemittelträger zu nutzen, was bisher vor allem in Entwicklungsländern erprobt wurde. Hier ging Kammann auf bereits in Nepal laufende Feldversuche ein. Auf die abschließende Frage, ob Pflanzenkohle „der Klimaretter" sei, antwortete die Wissenschaftlerin, dass die Nutzung von Pflanzenkohle ein Baustein sein kann, eine Art „Toolbox" darstellt, die weiterentwickelt werden muss, und dass dies nur zusammen mit der Dekarbonisierung unseres Energiestoffwechsels insgesamt möglich ist – nicht aber als „Ablasshandel" für ein „weiter so wie bisher". „Boden-Evolution statt Revolution", so Kammanns Fazit.  

Kontakt: Tina Kissinger, Hochschule Geisenheim | Tina.Kissinger@hs-gm.de | www.hs-geisenheim.de


Umwelt | Wasser & Boden, 07.10.2016

     
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