Frühförderung durch Lernsoftware

Bildungschance oder cleverer Marketingschachzug der Firmen?

Im Kampf gegen Fachkräftemangel und Bildungsarmut fordern viele eine bessere Förderung bereits der Vorschulkinder. Hier werden Hoffnungen in die Ausstattung von Kindergärten mit Notebooks und Lernsoftware gesetzt. Die frühe Nutzung elektronischer Medienangebote ist jedoch nicht unumstritten.


"An den digitalen Lernwelten kommt heute keiner mehr vorbei"

Hans-Jürgen Palme

Die Kinder des 21. Jahrhunderts wachsen in eine komplexe Gesellschaft hinein. Noch keine Kindergeneration zuvor war mit einer solchen Fülle von Lernherausforderungen konfrontiert. Zeitgemäße Bildung und Erziehung ist ohne Nutzung des vielfältigen Medienangebotes nicht mehr denkbar. Spielen und Lernen, Kunst und Kultur haben sich längst die neuen Medien nutzbar gemacht und erfahren durch sie eine Bereicherung. Warum nicht auch für Vorschulkinder die multimedialen und interaktiven Lernvariationen nutzen? Zur Steigerung der Effektivität unserer Bildungsbemühungen sind wir gut beraten, alle uns zur Verfügung stehenden Formen und Möglichkeiten auszuschöpfen.

Für die heutigen Bildungsanforderungen bieten Medien eine Menge. Ihr pädagogischer Mehrwert resultiert aus den omnipotenten Darstellungsformen und den interaktiven, also selbstgesteuerten Zugriffsmöglichkeiten. Mit dem Spiel- und Lernplatz Computer steht den Kindern erstmals mediales Lernmaterial zur Verfügung, das zur aktiven Nutzung auffordert. Anstelle einer passiven Berieselung können die kleinen Kinder gemäß ihren individuellen Vorkenntnissen die virtuellen Lernwelten nutzen.

Sinnvoll eingesetzt und pädagogisch betreut bietet der Lernplatz Computer pädagogisch höchst interessante Möglichkeiten, um didaktische Herausforderungen anzugehen. Für Vorschulkinder gibt es bereits eine Vielzahl an Lernprogrammen mit einem bunten Reigen an altersgemäßen Lernherausforderungen.

Wer Kindern ein anregungsreiches Lernambiente bieten will, der kommt in der "neuen Kultur des Aufwachsens" an den digitalen Lernwelten nicht vorbei.


Im Profil:
Hans-Jürgen Palme ist Medienpädagoge und geschäftsführender Vorstand von SIN - Studio im Netz e.V., der "multimedialen Drehscheibe der Kinder- und Jugendkulturarbeit" in München. Der Vater zweier Kinder ist zudem als Buchautor tätig und Initiator zahlreicher medienpädagogischer Modellprojekte.

www.sin-net.de





"PC-Lernangebote entpuppen sich immer wieder als Einstiegsdroge"

Sabine Schiffer

Kinder lernen in Beziehungen. Informationen können sie nur in ein System integrieren, das sie im persönlichen Kontakt erworben haben. Sie brauchen den Abgleich auf der Gefühlsebene. Sie sind neugierig und wissbegierig und Überangebote an Spielzeug, Frühförderung und Bildungseinrichtungen trainieren vielen Kindern diese Eigenschaften ab - auch durch Belohnungs- und Strafsysteme. Wenn Kindern kein Beziehungslernen geboten wird, erwerben sie Defizite, die später kaum auszugleichen sind. Dazu gehören beispielsweise Sprachdefizite durch den zu frühen und zu häufigen Einsatz künstlicher Angebote wie Kassetten und Kindersendungen, bei denen wenig geübt wird und die sich nicht nach den sehr individuellen Niveaus der Kinder richten (können).

Kinder müssen Erfahrungen mit allen Sinnen machen, in die sie spätere Medienerfahrungen sinnvoll einbinden können. Um Bücher lesen zu können, müssen sie lesen lernen. Das ist gut, denn sie benötigen mehr Reife als nur die der Entschlüsselung von Zeichen, um die Inhalte verstehen und nutzen zu können.

Bildschirmangebote sind nicht nur reduzierte Angebote mit Blick auf die angesprochenen Sinne, sie kehren häufig die sinnvollen Entwicklungsschritte um. PC-Angebote "für Kinder" bieten leicht entschlüsselbare Bilder und Töne, so dass Lesen und Schreiben nicht notwendig erscheinen. Die schnellen Belohnungssysteme bei sogenannter Lernsoftware schulen nicht Ausdauer, sondern Ungeduld. Die Oberfläche so mancher pädagogisch durchaus nutzbringend einsetzbarer Software ist optisch oft nur eine Vorstufe zu Strategiespielen. PC-Lernangebote entpuppen sich somit immer wieder als Einstiegsdroge. Dies als Bildungsförderung zu verkaufen, widerspricht dem Stand unabhängiger Forschung.


Im Profil:
Dr. phil. Sabine Schiffer arbeitet seit 1993 als Medienpädagogin und gründete 2005 das Institut für Medienverantwortung. Als Mutter zweier schulpflichtiger Söhne, Wissenschaftlerin und Praktikerin rund um das Thema Medien, Meinungs- und Wertebildung engagiert sich Schiffer für einen systematischen Lehrplan Medienbildung, der sich nach den Wahrnehmungsfähigkeiten der Kinder und nicht den Interessen der Medienindustrie richtet.

www.medienverantwortung.de







Dieser Beitrag erscheint in der Ausgabe von forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2009 mit dem Schwerpunkt "Zukunft gestalten - Demografischer Wandel & Fachkräftemangel als Herausforderung" und dem Special "Green IT & Energieeffizienz".

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Quelle:
Gesellschaft | Bildung, 17.08.2009

     
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