Wer A sagt muss auch E sagen

Energieeffizienz ist die Brückentechnologie

Energie und Ressourcen gehören heute zu den wichtigsten Lebensadern der deutschen Wirtschaft. Technologische Innovationen und ihre weltweite Vermarktung sind die entscheidenden Wachstumstreiber für die Zukunft der Bundesrepublik. Doch die Katastrophe von Fukushima zwingt zu einer Neuausrichtung der Energiepolitik. 86 Prozent der Bürger fordern einen Ausstieg aus der Kernenergie bis 2020. Energieeffizienz ist ein zentraler Baustein für eine erfolgreiche Energiewende - wie lässt sie sich umsetzen und fördern?

Von Maximilian Gege

Die geforderte und unumgängliche Energiewende basiert primär auf der langfristigen umfassenden Nutzung erneuerbarer Energien. Voraussetzung hierfür sind ausreichende Leitungsnetze, Speicherkapazitäten, Zustimmung der Behörden und Bürger, sowie genügend Kapital für die Finanzierung. Bis diese Ziele Wirklichkeit werden können, brauchen wir eine "Brückentechnologie". Besonders schnell umsetzbar sind Energieeffizienzmaßnahmen in Betrieben, öffentlichen Einrichtungen und Haushalten. Die erneuerbaren Energien können dann Zug um Zug zu einer Vollversorgung ausgebaut werden.

Viele Brückentechnologien sind wenig zufriedenstellende "Lösungen" - etwa der Zubau von z.B. Gas-Kraftwerken und die damit verbundenen enormen Investitionen, Strompreiserhöhungen und negativen Folgen für das Klima. Auch Atomstromimporte z.B. aus Frankreich oder Tschechien sind teuer und verlagern die Problematik nur. Die Finanzmittel sind besser in erneuerbare Energien und Energieeffizienz-Programme angelegt, denn damit werden gleichzeitig auch die Klimaziele der Bundesregierung (CO2-Reduktion von 40 Prozent bis 2020 und 80 bis 95 Prozent bis 2050) erreicht.

Deutschlands Energiekosten liegen momentan bei rund 170 Milliarden Euro im Jahr. Selbst wenn man konservativ rechnet, lassen sich davon 20 bis 30 Prozent, also 34 bis 51 Milliarden Euro jährlich (!) einsparen - bei zu erwartenden steigenden Energiekosten entsprechend mehr. In einem Fünfjahreszeitraum könnten damit Energiekosten in Höhe von 170 bis 255 Milliarden Euro eingespart werden. Die umfassende Nutzung dieser Potenziale kann mit großen Kampagnen wie zum Beispiel der von B.A.U.M. initiierten NEW (Nachhaltig erfolgreich wirtschaften) erfolgreich gestartet werden.

Der beste Strom ist der, der nicht verbraucht wird

Für die Frage, ob eine "Stromlücke" entsteht, ist entscheidend, wie viel Strom überhaupt benötigt wird. Vom deutschen Stromverbrauch in Höhe von 542,3 Milliarden kWh entfallen auf Industrie, Gewerbe u.a. rund 370 Milliarden kWh und rund 139 Milliarden kWh auf die privaten Haushalte. Noch kommen rund 118 Milliarden kWh (22,5 Prozent) aus Atomstrom. Die aktuellen Überkapazitäten des deutschen Kraftwerksparks belaufen sich auf ca. elf Gigawatt; damit wird bereits die Energieproduktion der durch das Atom-Moratorium stillgelegten sieben Atommeiler kompensiert.

Das Effizienzziel der Bundesregierung im Stromsektor sieht eine Senkung des Stromverbrauchs bis 2020 um elf Prozent gegenüber dem Jahr 2005 vor. Der Leitstudie des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) von 2008 zufolge könnte eine rationellere Energienutzung den Gesamtstromverbrauch bis zum Jahr 2020 um mehr als zwölf Prozent gegenüber 2005 senken. Doch die Potenziale in der Wirtschaft liegen ungleich höher. B.A.U.M. e.V. hat durch Untersuchungen in über 1.000 Betrieben enorme Energiekosten- und Stromeinsparpotenziale von 30 Prozent und mehr festgestellt, die zum Teil bereits durch Verhaltensänderungen und geringe Investitionen realisiert werden können. Auch in privaten Haushalten und öffentlichen Einrichtungen liegen enorme Potenziale.

Das Plus für Volkswirtschaft und Klimaschutz

Investitionen in Effizienzsteigerungen reduzieren nicht nur massiv die Energieverbräuche und tragen zur Erreichung der Klimaziele bei, sie initiieren zudem Milliarden-Umsätze für produzierende Unternehmen und Dienstleister. Längerfristig führt dies auch zu neuen Arbeitsplätzen, höheren Steuereinnahmen - allein die 19-prozentige Mehrwertsteuer bringt Milliarden Euro zusätzlich - und einer verbesserten Kaufkraft im Land. Details zur praktischen Umsetzung sind im aktuellen "B.A.U.M.-Positionspapier zum möglichen Einstieg in den Ausstieg aus der Atomindustrie durch Energieeffizienz, Energiesparen und erneuerbare Energien" (zum Download auf www.baumev.de) sowie in meinem Buch "Unterwegs zu einem ökologischen Wirtschaftswunder" (EVA 2008) zu finden.

Die ökonomischen Auswirkungen einer verstärkt dezentralen Energieversorgung und Nutzung von Energieeffizienz wären herausragend. Eine vorsichtige Schätzung auf der Basis von B.A.U.M. Consult- und B.A.U.M. e.V.-Zahlen zeigt ein gewinnversprechendes Bild (siehe Tabelle auf der vorigen Seite).



B.A.U.M.-Schwerpunkt-Programm
8 Vorschläge


  1. 50 Milliarden Euro-Programm für ein Maßnahmenpaket zur Energieeffizienz-Steigerung bei den rund 3,7 Millionen Unternehmen und 40 Millionen Haushalten zur Realisierung der möglichen Einsparpotenziale
  2. 50 Milliarden Euro-Programm, Fördermittel für eine umfassende, dann verpflichtende energetische Gebäudesanierung bei den privaten Haushalten und Unternehmen
  3. Reduzierung der klimaschädlichen Subventionen um ca. 30 Milliarden Euro, damit teilweise Finanzierung des 100 Milliarden Euro-Programms (s. Pos. 1 und 2),
  4. Auflegung eines Zukunfts-/ Klimafonds mit fünf Prozent Zinsen für Anleger und Refinanzierung durch erzielte Einsparungen zur Finanzierung der Pos. 1 und 2
  5. Erhöhter Einsatz der Kraft-Wärme-Kopplung
  6. Massiver Einsatz der erneuerbaren Energien, wie Erdwärme, Solarwärme, Photovoltaik, kleine Wärmekraftwerke, Windkraftanlagen, Biomasse - mit Unterstützung durch gezielte Förderprogramme und Finanzierung durch den Zukunftsfonds
  7. Massiver Ausbau der Nutzung von "Ökostrom" in allen öffentlichen Gebäuden/Einrichtungen, Unternehmen, privaten Haushalten
  8. Umfassende Steigerung des Absatzes energieeffizienter, sparsamer Geräte, Anlagen, Kraftfahrzeuge



Finanzierung inbegriffen

Der Bedarf an Energieeffizienz-Maßnahmen liegt heute schon definitiv im zweistelligen Milliardenbereich und wird sich aufgrund der Endlichkeit der fossilen Energieträger sowie der gesetzlichen Anforderungen noch erheblich vergrößern. Mit der Gründung des B.A.U.M. Zukunftsfonds in der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft wurde der Grundstein für ein grünes Wirtschaftswachstum gelegt. Das innovative Finanzmodell könnte künftig eine wesentliche Hilfestellung für Unternehmen und öffentliche Einrichtungen darstellen, die eine energieeffizientere Ausrichtung anstreben, um sowohl ihre Kosten als auch ihre CO2-Emissionen zu senken.

Am B.A.U.M. Zukunftsfonds können sich Kapitalanleger beteiligen, damit öffentliche Einrichtungen und private Unternehmen Investitionen in Energie-Effizienzmaßnahmen, erneuerbare Energien und Energiesparmaßnahmen tätigen können. Die Empfänger der Mittel erwirtschaften die Leistungen für Zinszahlungen und Kapitalrückführungen sowie die anfallenden Kosten für den Zukunftsfonds aus den erzielten Einsparungen.

Die ersten Investoren sind an Bord, die ersten renditeträchtigen Projekte identifiziert. Sie unterliegen einer strengen Prüfung seitens erfahrener und zertifizierter Energieberater, die ähnliche Projekte bereits erfolgreich in die Praxis umgesetzt haben. Zusätzlich entscheidet ein Beirat des Zukunftsfonds über die Vergabe der Mittel. Eine Liste vorbildlicher Projekte liegt bereits vor: für Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen, erneuerbare Energien sowie Energiesparmaßnahmen, etwa die energetische Sanierung eines Hotels unter Einbeziehung von Wasser- und Windkraftnutzung, die Umwandlung von Abwärme in Strom bei einem produzierenden Betrieb sowie die Erneuerung von Heizungsanlagen und Beleuchtung. Die Umsetzung steht kurz bevor.

Die Amortisationszeiten der Investitionen liegen zwischen einem und zehn Jahren. Anleger erhalten fünf Prozent sichere Zinsen. Anteilszeichner beschleunigen somit die energetische Wende in Deutschland und profitieren von einer überdurchschnittlichen Verzinsung. So macht (Energie-)Sparen Spaß - und Sinn.




Buchtipps

Gege, Maximilian/Heib, Marylin: Erfolgsfaktor Energieeffizienz - Investitionen, die sich lohnen. Wie Unternehmen und öffentliche Einrichtungen Energie und Kosten einsparen können. München: oekom Verlag, Mai 2011 (siehe auch S. 153)

Gege, Maximilian: Unterwegs zu einem ökologischen Wirtschaftswunder. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt, 2008.
Gege, Maximilian (Hrsg.) Das große ENERGIE- und CO2-SPARBUCH.
1001 Tipps für Haus, Garten, Büro und Freizeit, Bundesdeutscher Arbeitskreis für Umweltbewusstes Management (B.A.U.M.), Hamburg, 2008.





Kontakt

Prof. Dr. Maximilian Gege übernahm nach langjähriger leitender Tätigkeit in der Wirtschaft in den Bereichen Planung, Controlling, Finanzen und Umweltmanagement 1984 mit Gründung die Funktion des geschäftsführenden Vorstandes bei B.A.U.M. e.V. 2005 wurde er Vorsitzender.

Mit seinem engagierten Team entwickelte er B.A.U.M. zur größten Umweltinitiative der Wirtschaft in Europa und baute ein breites, zukunftsorientiertes Netzwerk auf. Seit 2001 ist Dr. Maximilian Gege Honorarprofessor an der Leuphana Universität Lüneburg, Fachbereich Umweltwissenschaften. Für sein Engagement wurde er mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen wie etwa UNEP, EU, BDI, Fraunhofer Gesellschaft ausgezeichnet.
www.baumev.de

"Atomausstieg - so gEEEts!" Aktion auf Facebook
www.baum-zukunftsfonds.de




Quelle:
Technik | Energie, 05.07.2011
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2011 - Schöne Aussichten erschienen.
     
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