David gegen Goliath

Von Indien bis Peru: Unternehmensverantwortung auf dem Land indigener Völker

Im August 2010 errang ein indigenes Volk in Indien einen symbolträchtigen Sieg gegen das Bergbauunternehmen Vedanta Resources. Indiens Umweltminister verurteilte eine geplante Mine auf dem Land der Dongria Kondh als illegal und entzog dem Unternehmen die Genehmigung für das Projekt. Vedantas mächtige PR-Maschine verlor gegen ein kleines indigenes Volk, das seinen heiligen Berg retten wollte. Ein Jahr später weist die Menschenrechtsorganisation Survival International zur Jahresversammlung Vedantas darauf hin, dass der Kampf jedoch noch lange nicht vorbei sei und dass auch andere Unternehmen, die auf dem Land indigener Völker tätig sind, zur sozialen Verantwortung gezogen werden müssen.

Dongria Kondh protestieren gegen Vedanta Resources um ihren Berg zu schützen.
Foto: © Survival International
Der Niyam Dongar ist von üppigen Wäldern bedeckt. Auf dem heiligen Berg der indigenen Dongria Kondh in Orissa, Indien, wachsen Mangos, Jakobs- und Ananasfrüchte im Überfluss. Die vielen Bäche, die sich durch die Hügel schlängeln, verwandeln sich während des Monsuns zu gewaltigen Flüssen und verleihen dem Boden neues Leben. Genau an diesen Bächen wurden Frauen vom Volk der Dongria verhaftet und brutal zusammengeschlagen, weil sie vor einer Aluminium-Raffinerie des Unternehmens "Vedanta Resources" protestiert hatten, ein Unternehmen das im britischen Börsenindex FTSE-100 gelistet ist.

Vedantas Bemühungen, am Niyam Dongar das wertvolle Aluminiumerz Bauxit abzubauen, sind ein Paradebeispiel dafür, wie Unternehmen nicht mit der lokalen indigenen Bevölkerung umgehen sollten. Während bereits Straßen zu der geplanten Mine errichtet wurden, kamen Vedantas Männer in die Dörfer der Dongria Kondh und verteilten Kleidung und Lebensmittel. Sie versprachen den Dongria Schulen und Nähmaschinen, sollten sie dem Tagebau zustimmen. Spätere Besuche wurden von der Drohung begleitet, dass die Stromzufuhr zu den Dörfern gekappt würde, sollten die Dongria die Mine weiterhin ablehnen. Anführer der Dongria Kondh wurden bedroht, entführt, geschlagen und beschuldigt, gewalttätige Rebellen zu sein. Auch Journalisten und Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation Survival International wurden von Männerbanden belästigt und eingeschüchtert. Männerbanden, die scheinbar dafür bezahlt wurden, Außenstehende davon abzuhalten, mit den Dongria über die Mine zu sprechen.

Im August 2010 setzte Indiens Umweltminister jedoch den Plänen für den Tagebau ein Ende - zur großen Freude der Dongria Kondh. Der Minister berief sich dabei auch auf Vedantas "schockierende" und "eklatante Verachtung für Rechte der indigenen Völker". Vedantas Aktienkurs fiel nach Angaben der Finanzpresse wegen der Entscheidung um fünf bis sieben Prozent.

Weltweit ist Vedanta nun von einem schlechten Image begleitet. Doch bleibt es bei weitem nicht das einzige Unternehmen, das die Rechte indigener Völker missachtet, um wertvolle Ressourcen auf deren Land auszubeuten. Um an die Rohstoffe zu gelangen, haben Unternehmen weltweit schon aus einer ganzen Palette von Taktiken gewählt: die Existenz einer indigenen Bevölkerung zu verleugnen, ihre Häuser und Nahrungsquellen zu vernichten, lokale Anführer zu bestechen, Organisationen zu erfinden, Todesdrohungen auszusprechen und sogar zu töten.

Lippenbekenntnisse von Unternehmen, mit denen sie sich verpflichten, indigene Völker zu konsultieren und Verantwortung zu übernehmen, reichen meist nicht aus. In Malaysia beispielsweise wird derzeit eine Sozial- und Umweltverträglichkeitsstudie für den umstrittenen Murum-Staudamm durchgeführt. Der Damm ist jedoch bereits zu 30 Prozent fertig gestellt und soll bald die Wälder der indigenen Penan fluten. Bisher wurden die Penan zu dem Damm nicht befragt.

Da viele indigene Völker ihr Land seit etlichen Generationen bewohnen, betrachten sie sich selbst als Besitzer und sehr häufig auch als Hüter des Landes. In letzter Konsequenz ist Ihr Überleben von diesem Land abhängig. Der indigene Landbesitz wird durch das Internationale Völkerrecht anerkannt. Auch die Vereinten Nationen versichern, dass ohne ihre "freie, vorherige und in Kenntnis der Sachlage erteilte Zustimmung" keine Projekte oder Aktivitäten auf dem Land indigener Völker erfolgen dürfen.

Die freie, vorherige und in Kenntnis der Sachlage erteilte Zustimmung der indigenen Bevölkerung ist das Grundprinzip für Unternehmen, welche auf deren Land Ressourcen abbauen, fördern oder andere Projekte durchführen wollen. Die Anhörung indigener Völker allein, wenn auch sehr wichtig, ist jedoch keine Garantie dafür, dass ihre Rechte berücksichtigt wurden. Unternehmen müssen den Gemeinschaften auch eine realistische Möglichkeit geben, ein Projekt anzunehmen oder abzulehnen.

Einige Unternehmen haben dieses Grundprinzip bereits akzeptiert. Die Mirrar-Aboriginals im Norden Australiens hatten sich jahrelang gegen eine Uranmine auf ihrem Land zur Wehr gesetzt. 2003 erklärte Sir Robert Wilson, Vorsitzender der Firma Rio Tinto, der das Depot gehörte: "Wir werden das Gebiet nicht ohne ihre Zustimmung erschließen, Punkt." Yvonne Margarula, Mitglied im Ältestenrat der Mirrar, sagte dazu: "Ich werde dem Bau der (.) Mine nicht zustimmen, für was auch immer sie sie brauchen, Geld oder irgendetwas anderes. Der Bergbau zerstört das Land (.) Meine Meinung steht fest." Die Mine wurde nie gebaut.

Aufgrund ihrer Lebensumstände, können einige indigene Völker einem Projekt jedoch weder zustimmen noch absagen: Für rund 100 "unkontaktierte" Völker, von denen der Großteil im Amazonas-Regenwald lebt, birgt bereits der Kontakt mit der Außenwelt Risiken, da sie kaum Immunität gegen alltägliche Krankheiten wie Erkältungen oder Grippe haben. Als der Ölriese Shell in den 1980ern in Peru nach Öl suchte, wurden Furchen in den dichten Regenwald geschlagen. Holzfäller drangen über die Wege in Gebiete ein, die vorher für sie unerreichbar waren. So kam es auch zum ersten Kontakt der Nahua-Indigenen mit Außenstehenden, nach dem mehr als die Hälfte der Nahua an Krankheiten verstarb.

Gekreuzte Speere im Amazonasgebiet im Norden Perus wo das Ölunternehmen Perenco tätig ist. Die gekreuzten Speere signalisieren, dass die Indigenen keinen Kontakt zu Außenstehenden wollen.
Foto: © Marek Wolodzko/AIDESEP/Survival International
Kein Unternehmen sollte erwägen in Gebieten zu operieren, in denen unkontaktierte Völker leben. Dennoch sind weiterhin mächtige Akteure wie der spanische Ölkonzern Repsol oder das englisch-französische Unternehmen Perenco in Gebieten von unkontaktierten Völkern tätig. Perus Nationale Indigenenorganisation zeigt sich beunruhigt: "Jegliche Ölerkundungen gefährden das Leben der unkontaktierten Völker."

Repsols und Perencos Einwand, dass sie die volle Legitimation der peruanischen Regierung haben, in dem Gebiet zu operieren, reicht nicht aus. Die Gesetze und Praktiken in Bezug auf die Rechte der indigenen Bevölkerung unterscheiden sich von Staat zu Staat und sind in vielen Fällen bedauerlicherweise unzureichend. Manche Regierungen erkennen den Landbesitz der indigenen Völker rechtlich nicht an oder leugnen sogar ihre Existenz in den betroffenen Gebieten.

James Anaya, UN-Sonderberichterstatter für die Rechte indigener Völker, macht klar, dass Unternehmen ihre Sorgfaltspflicht wahrnehmen müssen, "indem sie die rechtlichen, institutionellen und jegliche anderen Faktoren, die Auswirkungen auf die tatsächliche Ausübung der Rechte der Indigenen haben könnten, identifizieren. Ebenso müssen sie die möglichen negativen Auswirkungen ihrer Handlungen auf indigene Völker abschätzen und sicherstellen," sodass sie "nicht zu Handlungen oder Versäumnissen von Staaten oder anderen Interessensvertretern beitragen, die zu einem Anstieg von Verstößen gegen diese Rechte führen könnten."

Vedanta hat es versäumt, eine solche Sorgfaltspflicht auszuüben - und sein Ansehen ruiniert.

In der Zwischenzeit feiern die Dongria Kondh den erfolgreichen Schutz ihres heiligen Berges. Sono Majhi, ein Mitglied der Dongria, berichtete gegenüber Survival: "Wir waren wegen dem Bergbau von Vedanta ziemlich verängstigt, aber wir haben erfahren, dass wir unser Land zurückhaben. Wir sind so extrem glücklich, ich kann es nicht in Worte fassen, wie glücklich wir sind. Alle Dongria Kondh jubeln vor Freude."


Miriam Ross, Forscherin bei Survival International
www.survivalinternational.de

Quelle:
Umwelt | Umweltschutz, 19.07.2011

     
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