Der starke Mann und das Meer

Ein italienischer Robin Hood lehrt die Schleppnetzfischer das Fürchten

Es gibt Gesetze, Vorschriften oder Förderungen zum Schutz der Natur - manchmal reicht aber einfach auch ein starker Wille und die Liebe zum Erhalt der Schöpfung, um etwas zu bewegen. Der Held unserer Geschichte hat im wahrsten Sinne des Wortes Berge versetzt, genauer gesagt Betonblöcke, um sein geliebtes Meer vor Schleppnetzfischern zu schützen und sich dabei auch handfeste Morddrohungen eingehandelt.

Paolo Fanciulli kämpft für einen nachhaltigeren Fischfang
Foto: © Fritz Lietsch
Herbst 2009: Eine Woche Living Lakes-Konferenz in Italien am bedrohten Lago di Trasimeno. Mehr als 150 engagierte Naturschützer aus der ganzen Welt, die sich für den Erhalt bedrohter Seen einsetzen vom Baikalsee über den Bodensee bis hin zum Titicaca-See. Konferenzen, Reden, Beschlüsse. Was gibt es nach getaner Arbeit Schöneres, als durch die wunderschöne Toskana ans Meer zu fahren? Spontan fiel die Wahl auf Talamone, einen pittoresken Küstenort in der Maremma. Ein Ort wie aus dem Bilderbuch: Die alte Burg, enge Gässchen, Steilküste und ein kleiner Hafen. Dort liegt ein Boot mit einem kleinen Schild "Pescaturismo".

Paolo, der Öko-Fischer
Meine Interesse ist geweckt - nur leider: Ein freundlicher Mann, der an Bord Netze repariert erklärt mir: Today no tourist trip - an diesem Tag keine Touristenfahrt.

Meine Enttäuschung zeigt Wirkung, denn Lucio, der freundliche Mann, greift zum Handy. Kurz danach erklärt er mir, dass Paolo, il pescatore oder the fisherman, in einer Stunde kommen und mich und meine Söhne einfach mitnehmen wird. Zum Einholen der Netze, die er am Morgen gelegt hatte. Als wir später auslaufen erklärt Paolo, ein Naturbursche wie aus dem Bilderbuch, mit blitzenden Augen, wie er zum Pescaturismo gekommen ist. "Ich möchte den Leuten die Begeisterung für das Meer und seine Schätze nahebringen. Ich will ihnen zeigen, welche Fülle wir noch haben und wie bedroht sie auch ist. Ich breche eine Lanze für den verantwortungsbewussten Umgang mit dem Reichtum der Natur". Und dann verfinstert sich sein Blick. "Bei uns in Italien zerstört die Profitgier alles. Direkt vor der Küste hatten illegale Schleppnetzfischer in den letzten Jahren systematisch die Unterwasserfauna und -flora ruiniert. Da konnte ich doch nicht tatenlos zusehen!"

Schleppnetze machen den Meeresgrund zur Wüste
Und Paolo Fanciulli gerät immer mehr in Rage: "Jede Nacht liefen Schleppnetz-Trawler aus und zogen mit tonnenschweren Gewichten beschwerte Netze über den Meeresgrund. Wahllos wurde damit alles gefangen, was in die Maschen kam und der Meeresgrund blieb als zerstörte Ödnis zurück. Anfangs bin ich jede Nacht mit meinem Boot ausgelaufen und habe versucht, die illegalen Industriefischer mit einem Polizeiblaulicht zu erschrecken und gleichzeitig die Küstenwache alarmiert. Doch bis die aus ihren Betten und über die Bucht zum Einsatzort kam, waren die Verbrecher schon wieder weg. Als ich die Burschen noch mehr durch meine Bootseinsätze störte, begannen die ersten Gewehrkugeln über meinen Kopf zu pfeifen. Das machte mich noch wütender und ich wandte mich an die Regierung, an alle Parteien und an die lokalen Behörden. Doch der Amtsschimmel kam nur schleppend in Gang. Da reifte mein Plan: Ich lege ihnen das Handwerk selbst, mit Beton und Eisen."

Betonblöcke mit Eisenhaken zerreißen Netze
Lucio steht am Steuer, während Paolo mit mir in seinem Bilderalbum blättert. "Hier siehst Du, wie der erste Sattelschlepper mit den tonnenschweren Netzbrechern ankommt. Mit einem Pontonschiff haben wir sie dann hier heraus gebracht." Und seine Hand macht einen Halbkreis direkt auf das Meer vor uns. "Dort liegen die schweren Burschen jetzt 15 Meter unter der Meeresoberfläche und wenn sich ein Treibnetz in den Stahlhaken der Betonblöcke verfängt, ist Ende mit dem illegalen Treiben". Und dann wettert der sonnengegerbte Robin Hood weiter: "Es ist schon seltsam mit den Politikern. Weder von den Grünen noch den Sozialisten bekam ich Unterstützung. Und die Schwarzen gaben mir ein Taschengeld, damit ich endlich ruhig bin. Auch die Reichen und Prominenten hier in der Umgebung wollten keinen Euro springen lassen - aber die Teilnehmer meiner Exkursionen spendeten viele kleine Beiträge, um mich in meinem Kampf gegen die Schleppnetzfischer zu unterstützen. Nach den Netzbrechern konnte ich auch noch Betonröhren mit vielen unterschiedlichen Löchern versenken - diese dienen den Fischen und anderen Lebewesen als Brut- und Spielplätze und tragen dazu bei, dass sich in diesem Küstenabschnitt das maritime Leben langsam erholt.


Die Kehrseite der Medialle: Seit sich die Fischbestände wieder erholen kommen auch die Delphine zurück und hinterlassen so manchen Loch in Paolos dünnen Netzen.
Foto: © Fritz Lietsch
Auch die Delphine kommen zurück
In der Zwischenzeit sind wir bei den Bojen angekommen, die zeigen, wo Paolo und Lucio heute Morgen die Netze ausgelegt haben. Schnell und hochkonzentriert wird Meter um Meter des Stellnetzes eingeholt. Immer mehr Fische landen auf dem Deck und in der Eisbox. Als eine zweite Box aufgestellt werden muss, grinst Paolo. "Es ist unglaublich, wie sich die Fischbestände seit der Aktion im Jahr 2006 bereits erholt haben", doch dann flucht er und zeigt mir mehrere Löcher im Netz. "Meine Freunde, die Delphine, freuen sich auch über den neuen Fischreichtum und bedienen sich leider ungeniert in meinen Stellnetzen. Um diese Löcher zu flicken, bin ich tagelang beschäftigt. Ich muss einen sanften Weg finden, sie von meinen leichten Netzen fernzuhalten". Nach zwei Stunden fahren wir zurück zum Hafen, wo mir Paolo beim Aussteigen noch zuruft: "Komm heute Nachmittag mit Deiner Signora und den Bambini mit ins wundervolle Naturschutzgebiet der Maremma. Gemeinsam mit allen Freunden, die mir beim Versenken der Blöcke geholfen haben, feiern wir heute den Erfolg unserer Aktion".

Ein Unterwassermuseum
Nicht nur diese wundervolle Ausfahrt und die unvergessliche Feier im Naturschutzgebiet haben mich damals dazu animiert, Paolo der Unterstützung bei seinen weiteren Aktionen zu versichern. Und nun ist es so weit. 2012 will Paolo seine Aktionen fortsetzen und die Küstenlinie entlang des unvergleichlichen Nationalparks Parco Naturale della Maremma zu einem Unterwassermuseum ausbauen. Basierend auf seinen Erfahrungen lädt er nationale und internationale Institutionen ein, sich dem Projekt anzuschließen. "Ich bitte um die Unterstützung von Naturschützern, Journalisten, Politikern, Künstlern und Sponsoren, um hier im Küstengebiet des einzigartigen Naturparks der Maremma auch unter Wasser Naturschätze für den Menschen zu bewahren und zugänglich zu machen." Wenn es nach Paolo und seinen Mitstreitern geht, dann sollen "Unterwasserwanderwege" für Schnorchler und Taucher entstehen, die dem Besucher mit Hinweistafeln und neuen künstlichen Riffen die faszinierende Unterwasserwelt erschließen. Eine Welt, in der nicht die Jagd nach Fischen, sondern die Bewunderung für die Schönheit der Biodiversität im Vordergrund steht.
 
 
Von Fritz Lietsch

Kontakt & Engagement
www.paoloilpescatore.it
Wer sich engagieren möchte, kann sich auch direkt an Fritz Lietsch
und die forum-Redaktion wenden: redaktion@forum-csr.net

Quelle:
Umwelt | Umweltschutz, 14.05.2012

     
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