Sinnstiftung als Karrieresackgasse

Wie weit kommt man in Konzernen mit sozialem Innovationsgeist?

Viele Talente, insbesondere Young Professionals, suchen Jobs, in denen sie auch ihre gesellschaftliche Wirkung direkt erleben. Doch welche Unternehmen bieten dafür das richtige Umfeld und wo sind die Rollenvorbilder für Changemaker-Karrieren?

Karrierewege für Weltveränderer
Foto: © Ashoka Deutschland
Social Entrepreneurs brauchen die besten Talente, um wirksame Lösungen für gesellschaftliche Probleme möglichst schnell zu verbreiten. Deshalb haben wir bei Ashoka uns näher mit den existierenden und denkbaren Karrierewegen für Weltveränderer beschäftigt, eine repräsentative Marktstudie zum Thema durchgeführt und mit vielen Experten gesprochen. Ich selbst habe viele informelle Gespräche mit Mitarbeitern von Sozialunternehmern und Gründern geführt, die mit ihren Unternehmungen gesellschaftliche Probleme lösen wollen. Wie sich das Thema für den sozialunternehmerischen Sektor darstellt und welche Initiativen zur Flexibilisierung der Karrierewege und einer stärkeren Durchlässigkeit zwischen den Sektoren beitragen können, haben wir in einem ausführlicheren Thesenpapier beschrieben. Heute interessiert mich jedoch die Seite der "Corporates".

Ein Wechsel im Management heißt oft Neuanfang in der CSR-Abteilung
Unter meinen Gesprächspartnern waren auch zahlreiche Mitarbeiter großer Unternehmen aus den Bereichen HR und CSR, die mich auf ein ganz eigenes Problem gestoßen haben: Zwar gilt die CSR-Abteilung für viele Außenstehende oft als Personifizierung der Sinn-Jobs in der Wirtschaft, innen erleben das aber einige Mitarbeiter anscheinend ganz anders. Viele sehen hier für sich nur kurzfristige Gestaltungsspielräume, langfristig angedachte und gemeinsam mit den Stakeholdern entwickelte Strategien überleben den nächsten Wechsel im Management hingegen nur selten. Oft müssen die Teams in diesen Fällen immer aufs Neue um ihre Daseinsberechtigung kämpfen und beginnen programmatisch nicht selten wieder am Anfang. Ob und wie sich Unternehmen gesellschaftlich engagieren scheint weniger mit der Unternehmensstrategie als mit einzelnen Personen zusammenzuhängen. Wer Glück hat, erhält unternehmerische Freiheit in der inhaltlichen Ausgestaltung und die nötigen Budgets zur Umsetzung. bekommt das Unternehmen aber wirtschaftliche Probleme wird bei der Nachhaltigkeit oftmals zuerst gekürzt. So zumindest die branchenübergreifende Wahrnehmung vieler meiner Gesprächspartner in größeren Konzernen. Sie fühlen sich im eigenen Unternehmen nicht ernst genommen, einige scheuen sich gar davor zu lange in ihrem Bereich zu arbeiten, um sich nicht die internen Karriereaussichten zu verbauen.

Mitarbeiter wie Kieselsteine bewegen nichts
Wenn man den heftigen Diskussionen um die sinnsuchende "Generation Y", den neu erwachten Unternehmergeist in Deutschland oder um die "work life balance" Glauben schenkt, sollte man in der CSR-Branche eigentlich Aufbruchsstimmung erwarten, vielleicht sogar Euphorie, zumindest jedoch neue Denkanstöße und Inspiration. Gespürt habe ich davon bei den einschlägigen CSR-Veranstaltungen jedoch wenig. Weder die Protagonisten noch der Diskussionsstand der Themen scheinen sich in den letzten Jahren nennenswert verändert zu haben. Viele der Teilnehmer wirken vielmehr ernüchtert. Selbst der Veranstalter eines größeren Forums fasste die Situation leicht resigniert zusammen: "In den Unternehmen sitzen nur Kieselsteine. Rundgewaschene Mitarbeiter wohin man schaut; so bewegen wir da nix." Er sprach damit vielen meiner vorherigen Gesprächspartner aus der Seele. Sorgen nun aber die Unternehmen für die weichgespülten Mitarbeiter oder interessieren sich diese vielleicht gar nicht erst für CSR und Nachhaltigkeit?

Spielball der Vorstände statt Weltveränderer?
Auf der Arbeitnehmerseite sehen die Ergebnisse der Ashoka-Studie auf den ersten Blick eigentlich vielversprechend aus: 39% der Befragten können sich nicht vorstellen, sich bei ihrem nächsten Job für eine weniger sinnstiftende Arbeit zu entscheiden. Das ist nicht die Mehrheit, aber doch eine kritische Masse. Auch Prof. Stefan Schaltegger von der Leuphana Universität Lüneburg äußerte sich zu den Karriereperspektiven seiner Studierenden ähnlich: den meisten sei ein Aufstieg gar nicht so wichtig, "sie suchen einfach einen Job, in dem sie sich stärker auf das Thema Nachhaltigkeit konzentrieren können. Dafür nehmen viele auch hin, dass sie auf gleicher Position verharren, ihre Arbeit aber mehr Sinn stiftet", wird er in einem Artikel des Enorm-Magazins zitiert. Sicher meinte er das gut, aber ist es das auch?

Die positiven Reaktionen zu dem Artikel auf Facebook haben mich verunsichert, fast schon verärgert. Niedrige Gehälter und erst im Entstehen begriffene Karrierewege im sozialunternehmerischen Sektor sind eine Sache, aber wollen wir uns wirklich damit zufrieden geben, dass nachhaltiges Engagement für die Mitarbeiter auch in Unternehmen zu weniger Gehalt und verbauten Aufstiegschancen führt? Sollten Nachhaltigkeitsstrategien, soziale Innovation und Changemaking nicht zumindest in großen Unternehmen oder im Mittelstand inzwischen auf der Karriereautobahn angekommen sein? Was ist unser Anspruch an Jobs, die gesellschaftlichen Mehrwert schaffen? Sind sie ein "nice to have" oder eine lohnende Zukunftsinvestition? Die gleiche Diskussion führe ich übrigens mit Menschen aus dem HR-Bereich. Die meisten von ihnen haben ihre Spezialisierung bewusst gewählt, um etwas im System zu bewegen, um Veränderung von innen heraus zu gestalten. Doch auch sie fühlen sich oft als Spielball der Vorstände, allenfalls als Reparationsabteilung, keinesfalls jedoch als Potenzialentfalter wie sie sich z.B. Prof. Dr. Hüther sicher wünschen würde, der mit diesem Begriff ja gerade - zurecht - durchs Land zieht.

Erfolgsstorys, bitte melden!
Wie viele erfolgreiche Vorstände haben ihren Karriereweg durch CSR-, Nachhaltigkeits- oder Personalabteilung und nicht nur durch Sales, Finance oder Marketing zurückgelegt? Aus einem Gespräch mit Prof. Dr. Claus Dierksmeier, dem Direktor des Weltethos Instituts in Tübingen, habe ich folgenden Satz mitgenommen: "Wirklichkeit beweist Möglichkeit". Also habe ich beschlossen mich auf die Suche nach positiven Vorbildern zu machen. Ich suche nach Karrierewegen, die in CSR-Abteilungen ihren Anfang und nicht ihr Ende gefunden haben. Ich suche Menschen, die aus dem sozialen Sektor in die Wirtschaft gewechselt sind und dort aufgrund und nicht trotz ihrer Vorerfahrung Karriere gemacht haben. Ich suche die Social Intrapreneure dieses Landes, die in ihrem Gestaltungswillen gefördert werden und nicht nach wenigen Jahren frustriert das Weite suchen. Diese Suche starte ich als Lernender, dankbar für Anregungen, Hinweise und in Vorfreude auf gute Gespräche. Falls ich scheitere, löst sich das Problem vielleicht von selbst, wenn in den kommenden zehn Jahren 6,5 Millionen mehr Menschen in Rente gehen als junge Leute in den Job nachrücken. Denn in einem Vollbeschäftigung-Zeitalter des permanenten Mitarbeiter-Mangels entsteht sicher eine neue Machtverteilung zwischen Mitarbeitern und Unternehmen. So gesehen ist die Frage, wie wir Talenten jetzt schon helfen können ihren Lebensweg bewusst zu gestalten statt nur ihren Lebenslauf zu optimieren, noch mal spannender. Bei Erfolg versuche ich mich dann an dieser Stelle auch gerne im positiven Storytelling.
 
 
Von Dennis Hoenig-Ohnsorg

Im Profil

Dennis Hoenig-Ohnsorg leitet bei Ashoka Deutschland den Bereich neue Programme, sein aktuelles Schwerpunktthema sind die "Karrierewege für Weltveränderer".

Zum Weiterlesen:
  • Mehr Information zum Thema Karrierewegen für Weltveränderer: http://germany.ashoka.org/node/2613
  • Mehr Inspiration zum Thema Intrapreneurship:
    The League of Intrapreneurs: Building Better Business from the Inside Out - http://www.changemakers.com/intrapreneurs
  • Mehr Unterstützung für Young Professionals, die wirken wollen: www.engagement-mit-perspektive.de

Quelle:
Wirtschaft | Führung & Personal, 10.07.2013

     
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