Schätze aus der Tiefe

Erste Firmen wollen Rohstoffe aus der Tiefsee fördern. Geht das gut?

Steigende Rohstoffpreise und eine Weltbevölkerung von bald neun Milliarden Menschen wecken Begehrlichkeiten nach Schätzen aus der Tiefsee. Wie rentabel ist mariner Bergbau für Unternehmen und was heißt das für die Umwelt?

Die wertvollen Metallvorkommen, die in der Tiefsee schlummern, interessierten lange niemanden. Doch die anhaltend hohe Nachfrage nach Ressourcen für Smartphones, Werkstoffe oder High-Tech-Geräte und steigende Rohstoffpreise haben den Meeresbergbau in der Tiefsee für Wirtschaft und Politik interessanter gemacht. Noch gewinnt die Menschheit alle metallischen Rohstoffe an Land und damit auf nur knapp einem Drittel der Oberfläche unseres Planeten. Die Ozeane, die mit 71 Prozent den größten Teil der Erdoberfläche ausmachen, nutzen wir bislang kaum. Das könnte sich bald ändern.

Rohstoff von morgen? 1979 wurden die ersten heißen Tiefseequellen, die "Schwarzen Raucher", entdeckt.
Foto: © ROVKiel6000, GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung
Welche Rohstoffe schlummern in der Tiefsee?

Zu den Rohstoffen, die für eine Tiefseeförderung in Frage kommen, zählen die Manganknollen der Tiefsee-Ebenen, die Kobaltkrusten an den Flanken alter Vulkane sowie die an den sogenannten "Schwarzen Rauchern" gebildeten Massivsulfide (siehe Bild). Welche der Rohstoffe sind wirtschaftlich relevant und inwiefern beeinträchtigt ihr Abbau die marinen Ökosysteme?

Kartoffeln aus wertvollen Metallen: Die Manganknollen

Manganknollen sind kartoffel- bis salatkopfgroße Mineralienklumpen, die riesige Bereiche der Tiefsee-Ebenen, meist in Wassertiefen zwischen 4.000 und 6.500 Meter, bedecken. Sie bestehen hauptsächlich aus Mangan und Eisen. Die höchsten Knollen-Dichten finden sich zwischen Hawaii und der Westküste Mexikos. Hier liegen mindestens 21 Milliarden Tonnen Manganknollen - ein gewaltiges Rohstoffpotenzial. Allerdings gilt das Hauptinteresse der Wirtschaft nicht dem Mangan, davon gibt es an Land genug. Für Unternehmen sind Kobalt, Kupfer und Nickel spannend, die zusammen etwa 2,5 bis 3 Gewichtsprozent der Knollen ausmachen. Gerade Kobalt und Nickel sind in der Stahlindustrie unverzichtbar. Hinzu kommen noch Spuren anderer bedeutsamer Elemente wie Molybdän, Lithium, Platin, Tellur oder die sogenannten Seltenen Erden, die insbesondere als Magnete für die Rotoren der Windparks von entscheidender Bedeutung sind.

Zumindest der Abbau von Manganknollen ist kein großes technisches Problem, da Maschinen die Knollen relativ einfach vom Meeresboden aufklauben können. Ein Abbau würde aber gewaltige Flächen des Meeresbodens aufwühlen, Organismen dort abtöten und den marinen Lebensraum stark verändern. "Man zerstört den Meeresgrund, ohne zu wissen, welche Folgen das für den Lebensraum der Tiere hat", sagt Greenpeace-Experte Christoph von Lieven. "Anstatt in immer neue Ökosysteme vorzudringen, sollten wir uns lieber überlegen, wie wir mit den Rohstoffen an Land besser haushalten."

Kobaltkrusten für die Stahlindustrie

Kobaltkrusten bilden sich in Wassertiefen von 400 bis 7.000 Metern an den Flanken alter, submariner Vulkane. Wirtschaftlich relevant ist Kobalt, weil es etwa in der Stahlindustrie als Legierungsmittel von elementarer Bedeutung ist, zum Beispiel beim Bau von Flugzeugen. Kobalt, aber auch die in Spuren auftretenden Metalle Tellur (Photovoltaik) und Platin (Katalysatoren) sind in etwas höherer Konzentration vorhanden als in den Manganknollen. Kobaltreiche Vorkommen finden sich meist in Wassertiefen zwischen 800 und 2.500 Metern. Kobaltkrusten aus der Tiefsee zu gewinnen, hat den Vorteil, dass man weniger abhängig von den Vorkommen im politisch instabilen Kongo angewiesen wäre. Allerdings ist es technisch deutlich schwieriger, marine Kobaltkrusten abzubauen, als Manganknollen einzusammeln. Denn die Hänge der Vulkane sind teilweise schroff, was den Einsatz von Abbaumaschinen erschwert. Daher gibt es für den Kobaltkrusten-Abbau bislang erst Konzeptstudien. Ähnlich wie bei den Manganknollen dürfte auch der Abbau von Kobaltkrusten erhebliche Auswirkungen auf die Bodenlebewesen haben.

Schwarze Raucher: Erzfabriken der Tiefsee

Massivsulfide sind kupfer-, zink-, gold- und silberhaltige Gesteine, die an sogenannten "Schwarzen Rauchern" in Wassertiefen von bis zu 5.000 Metern entstehen. Sie haben oft einen höheren Metallgehalt als die Rohstoffe an Land und sind kompakte Erzkörper. Inzwischen sind über 300 aktive und inaktive Vorkommen von Schwarzen Rauchern in allen Weltmeeren bekannt. Die meisten sind aber zu klein, um wirtschaftlich relevant zu sein. Die Metallgehalte der Vorkommen sind je nach Region sehr unterschiedlich. So sind Vorkommen im Südwestpazifik besonders kupfer- und goldreich. Gleichzeitig befinden sie sich auch in vergleichsweise geringen Wassertiefen (weniger als 2.000 Metern), was einem möglichen Abbau technologisch entgegenkommt.

Die Massivsulfide sind von den drei genannten Rohstoffen am seltensten, haben aber den höchsten Wertmetallgehalt. Fachleute schätzen, dass am Meeresboden insgesamt 500 bis 1.000 größere Vorkommen existieren, die zusammen vielleicht 600 Millionen Tonnen Kupfer und Zink enthalten. Dies entspricht in etwa der Menge, die in einem Jahr an Land abgebaut wird. Ein mariner Bergbau von Massivsulfiden hätte deshalb keinen großen Einfluss auf die globale Rohstoffversorgung. Das Potenzial von Manganknollen und Kobaltkrusten ist um ein Vielfaches höher.

Tiefseebergbau ist noch Zukunftsmusik

Dass sich große Bergbaufirmen bislang aus der Tiefsee fernhalten, liegt vor allem daran, dass noch keine Abbautechniken existieren und nicht klar ist, ob Metalle aus der Tiefsee über mehrere Jahre wirtschaftlich rentabel zu gewinnen sind. Die Firma Nautilus hat aber seit Januar 2011 die erste Abbaulizenz für Schwarzen Raucher in den Hoheitsgewässern von Papua Neuguinea. Es ist davon auszugehen, dass der Abbau 2014/15 beginnt. Und auch die Politik hat erkannt, dass die Tiefsee lukrativ sein könnte. Deutschland hat sich 2006 für 15 Jahre die Rechte an einem 75.000 Quadratkilometer großen Gebiet gesichert, das entspricht der Größe Bayerns. Durch Kooperationen mit Entwicklungsländern (Tonga, Nauru, Kiribati) haben seit 2011 erstmalig auch Industriefirmen Zugang zu Erkundungslizenzen für Manganknollenfelder in der offenen See erhalten.

Greenpeace: Landgrabbing unter Wasser

Das ist nicht unproblematisch. Zwar müssen sich Länder, die Konzessionen außerhalb der Wirtschaftszone anderer Staaten erwerben wollen, grundsätzlich an die Meeresbodenbehörde der Vereinten Nationen in Jamaika (International Seabed Authority, ISA) wenden. Gleichzeitig ist diese Behörde aber gegründet worden, um die Ressourcennutzung voranzutreiben, nicht um sie zu verhindern. Seit 2001 hat die Internationale Meeresbodenbehörde 19 Lizenzen zur Erkundung von Manganknollenfeldern, Massivsulfiden und Kobaltkrusten vergeben. Findet der Abbau aber nicht außerhalb, sondern im Hoheitsgewässer eines Landes statt, verhandeln Staaten oder private Firmen direkt mit dem betreffenden Land. Denn dort ist die ISA nicht zuständig. Niemand kontrolliert dann Umweltrichtlinien oder in welche Taschen die Gelder für den wertvollen Grund wandern. "Arme Länder werden abgespeist und das wenige Geld greifen korrupte Regime ab" sagt von Lieven. Außerdem gingen Wertschöpfung und Technologien nicht an die Abbauländer, "das erinnert an Landgrabbing unter Wasser".

Die Zukunft des marinen Bergbaus ist also offen. Wirtschaft und Politik lassen einander den Vortritt, wenn es darum geht, Gelder bereitzustellen. Es gilt das Prinzip "Hannemann, geh Du voran". Das könnte sich ändern, wenn Firmen wie Nautilus in der Tiefe reüssieren. Klar ist: Jede Form von Bergbau ist ein gravierender Eingriff für Ökosysteme, ob an Land oder unter Wasser. Alternativen dazu sind Formen von Kreislaufwirtschaft, Recycling oder Urban Mining. Eine Bevölkerung von bald neun Milliarden Menschen braucht viele Ressourcen. Möchte jeder ein eigenes Auto und eine elektrische Zahnbürste haben, geht es in die Tiefe.
 
 
Von Dr. Sven Petersen und Anna Gauto
 

 

Im Profil

Sven Petersen ist Mineraloge am GEOMAR (Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel) und arbeitet seit vielen Jahren im Bereich der marinen mineralischen Rohstoffe. Neben einem besseren Verständnis der grundlegenden Prozesse der Bildung von "schwarzen Rauchern" gilt sein Hauptinteresse dem Einsatz neuer Techniken wie autonomen Unterwasserfahrzeugen und mobilen Bohrgeräten. Er hat bisher an über 30 Forschungsfahrten in allen Ozeanen teilgenommen.

Zum Weiterlesen:

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Quelle:
Umwelt | Umweltschutz, 17.10.2013
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2013 - Hallo Klimawandel erschienen.
     
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