(Neue) Bezahlmodelle für Medien

Bezahlmodelle für Medien Crowdfunding, Genossenschaft, Werbung oder Stiftung?

Im November 2012 musste die Frankfurter Rundschau Insolvenz anmelden. Nur einen Monat später erschien die letzte Financial Times Deutschland. Die Funke Mediengruppe entkernte ihre Westfälische Rundschau (WR) kurz darauf derart, dass sie als erste Tageszeitung ohne Journalisten oder als "Zombie-Blatt" durch die Medien ging. Lohnt sich Qualitätsjournalismus noch und welche (neuen) Geschäftsmodelle können ihn tragen? Das diskutierten Vertreter der Tageszeitung (taz), der Huffington Post (Huffpo), des ZEIT-Verlags, der Politik und aus der Blogosphäre bei den Medientagen in München. forum stellt die diskutierten Modelle vor.


Crowdfunding: Der Journalist als Unternehmer

Crowdfunding erfasst die deutsche Filmindustrie: Um die Kultfigur "Stromberg" auch im Kino zu sehen, brachten Fans eine Million Euro auf. Produzent Brainpool beteiligt die Kleinanleger an den Kinoeinnahmen. Am 20. Februar 2014 startet der Film.
Foto: © Brainpool, Willi Weber

Der prominente Blogger Richard Gutjahr empfiehlt Journalisten, sich gut zu vermarkten. Wichtig sei es, sich nicht von nur einer Finanzierungsquelle abhängig zu machen. So finanziert sich Gutjahr, selbst fester freier Mitarbeiter beim BR, nicht nur über Journalismus, sondern auch über Vorträge und Dozententätigkeiten. Für ihn ist Öffentlichkeit "bares Geld", weshalb er viel Zeit in soziale Netzwerke und in seinen gesponsorten Blog steckt. Jede Menge Aufmerksamkeit bescherte ihm die Plattform lobbyplag.eu, die er gemeinsam mit Partnern Anfang 2013 gegründet hat. Sie zeigt, wie EU-Politiker ganze Gesetzesentwürfe unverändert von Lobby-Papieren übernommen hatten, ohne dies zu kennzeichnen.

Finanzielle Unterstützung erhielt Gutjahr über die Crowdfunding-Plattform "Krautreporter", wo binnen vier Wochen 249 Unterstützer 7.849 Euro für sein Projekt spendeten. Wie funktioniert Krautreporter, das erste deutsche Crowdfunding-Angebot für Journalisten? In einem Kurz-Video beschreibt der Journalist seine Projekt-Idee. Das kann ein Artikel, ein Film, ein Audiofeature oder eine Fotoreportage sein. Dann legt er das Budget und die Frist fest, in der das nötige Geld zusammenkommen muss. Krautreporter basiert auf dem Alles-oder-Nichts-Prinzip: entweder ein Projekt erreicht den Zielbetrag in der zu Beginn festgelegten Frist oder es gibt kein Geld. Auf diese Weise haben auf dem Portal bislang 2.469 Unterstützer rund 136.200 Euro für 30 Projekte gespendet. Die Erfolgsquote ist hoch: Laut Gründer Sebastian Esser bekommen 70 Prozent der eingereichten Ideen den Zuschlag. Gute Chancen haben vor allem die Journalisten, die eine große Community mobilisieren können. Andere Modelle, wie den Mikro-Bezahldienst "Flattr", den man als Spenden-Button unter Artikel einbinden kann, sieht Esser kritisch. So handle man nicht unternehmerisch oder vermarkte seine Arbeit, sondern halte lediglich die Hand auf.

Für klar definierte Einzelprojekte mit einem Anfang und einem Ende kann Crowdfunding also eine gute Finanzierungsmöglichkeit sein. Weitere allgemeine Crowdfunding-Plattformen sind "Kickstarter", "Startnext" und "indiegogo". Fotojournalisten können bei dem US-Portal "emphas.is" um Gelder werben.


Online-Werbung und Engagement-Plattform:
Die Huffington Post


Bei ihrem Start im Oktober 2013 erlebte die Huffington Post Deutschland vor allem wegen ihres Angebots, auf der Plattform unbezahlte Beiträge zu publizieren, viel Widerstand. Die HuffPo, die unter dem Dach des Burda-Verlags erscheint und mit FOCUS Online kooperiert, ist ein Hybrid, der zum einen ein journalistisches und zum anderen ein von nicht bezahlten Gastbloggern bespieltes Portal umfasst. Für das journalistische Portal schreiben derzeit 15 fest angestellte Redakteure. Die "Engagement-Plattform" richtet sich laut dem Geschäftsführer der herausgebenden TOMORROW FOCUS AG, Oliver Eckert, an Menschen, die keine Autoren oder professionellen Blogger sind und gern mit eigenen Meinungsbeiträgen aufwarten wollen. Ein Blog-Editor nimmt alle Gastbeiträge entgegen, prüft die Qualität und stellt sie online.

Die Huffington Post finanziert sich komplett über Online-Werbung, was laut Eckert so gut funktioniere, "dass es das Medium bis Ende 2014 in 14 Ländern geben wird". 800 Redakteure arbeiten für die erst 2005 mit vier Redakteuren gestartete US-Mutter. Auch FOCUS Online, so Oliver Eckert, fahre mit einem rein werbefinanzierten Geschäftsmodell nach drei defizitären Jahren nun zweistellige Umsatzrenditen ein. Online-Journalismus sei also absolut refinanzierbar und Geschäftsmodelle stünden dort erst am Anfang.

Eine Alternative zur HuffPo bietet die Online-Plattform "Golem". Sie wendet das Modell einer "erfolgsbasierten Vergütung" an: Es bezahlt Autoren nach den Klickzahlen ihrer Beiträge.


Genossenschaft und "Pay-Wahl" bei der taz

Bei ihrer Gründung 1978 war die taz ein frühes Crowdfunding-Projekt, das sich über "Vor-Abos" von rund 7.000 Personen finanzierte. Ihre erste große Krise 1992 überlebte die Zeitung, indem sie eine Genossenschaft gründete. Seither besitzen 13.000 GenossInnen das Produkt, ohne redaktionell Einfluss nehmen zu können. Das Genossenschaftskapital mache die taz unabhängiger von der wirtschaftlichen Situation und von Werbeeinnahmen, die nur zehn Prozent betragen, sagt Produktmanagerin Aline Lüllmann. Das Modell hat aber auch Nachteile: Die Mitarbeiter hätten zwar viele Freiheiten, würden aber unter Tarif bezahlt. Das führe dazu, dass dort vor allem junge Journalisten tätig seien, die die taz nicht lange halten könne.

Um zusätzlich an Geld zu kommen, nutzt taz.de den Mikro-Bezahldienst "Flattr" und startete 2011 zusätzlich die Kampagne "taz-zahl-ich". taz-zahl-ich funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie Flattr und brachte im Monat durchschnittlich 3.000 Euro ein. 2012 führte die taz eine freiwillige Bezahlschranke, die Pay-Wahl ein, die "aggressiver" darauf verweist, dass Leser die Artikel honorieren können. Will er nicht zahlen, schließt sich das Fenster mit der Bezahlaufforderung und der Nutzer kann den Beitrag kostenlos lesen. So nimmt die taz im Monat immerhin 10.000 Euro zusätzlich ein, womit sie die Verluste, die das Online-Portal taz.de jedes Jahr macht, ausgleicht. Zudem hat sich die taz ein weiteres Geschäftsmodell einfallen lassen. Durch den Verkauf von Fairtrade-Kaffee und regionalen Produkten subventioniert die Zeitung die Gehälter ihrer Redakteure quer. Mit diesen neuen Geschäftsfeldern hat die taz im Jahr 2012 3,5 Millionen Euro eingenommen.


Qualität ist König: Der ZEIT-Verlag

Qualität ist der Kern und das Geschäftsmodell des ZEIT-Verlags. Das gilt für seine Medien wie für seine neuen Geschäftsfelder, also den Verkauf von Büchern, Weinen, Reisen, Konferenzen. Mit dem journalistischen Kerngeschäft stehe die ZEIT finanziell "sehr gut" da, wie der Geschäftsführer von ZEIT ONLINE Christian Röpke betont. Um die hohe Qualität zu halten, hat der Verlag die Redaktionsbudgets für ZEIT ONLINE in den "vergangenen fünf Jahren fast verdoppelt und zig neue Stellen geschaffen", so Röpke. Die neuen Geschäftsfelder sind eine Art Risikoversicherung, falls der Journalismus einmal keinen positiven Deckungsbeitrag mehr erwirtschaften sollte. Mit Blick auf Sparmaßnahmen bei der Westfälischen Rundschau empfiehlt Röpke, immer in Qualität zu investieren. Er warnt davor, in eine Spirale zu geraten, in der man nicht mehr investiere und ein Produkt kaputtspart. Wer wolle schon ein schwaches Produkt kaufen?


Hilfe vom Staat: Das Stiftungsmodell in NRW

Der nordrhein-westfälische Staatssekretär für Medien, Marc Jan Eumann (SPD), möchte bis Ende 2013 die Stiftung für "Partizipation und Vielfalt" auf den Weg gebracht haben. Sie soll Aus- und Fortbildungsangebote sowie Best-Practice Modelle fördern oder Recherchestipendien für Journalisten in NRW vergeben. Die Mittel für die Stiftung (jährlich 1,6 Millionen Euro) sollen aus dem öffentlich-rechtlichen Beitragsaufkommen stammen und zu Lasten des Etats der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) gehen. Bei der LfM und den meisten Verlagen stößt die geplante Stiftung bislang auf Gegenwehr. Eumann kritisierte auf den Medientagen, dass sich gut situierte Verleger in Deutschland nicht nach dem Vorbild der US-Stiftung "ProPublica" mit eigenen Vermögensanteilen als Stifter engagieren.

Als Fazit konstatiert die Runde, allen voran Oliver Eckert von der HuffPo, dass es genug tragfähige Finanzierungsmöglichkeiten gäbe. Medienunternehmen hätten nur nicht ausreichend in die Entwicklung und den Ausbau journalistischer Inhalte und Formen investiert, welche die Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg bilden. Viele Verlage verschwinden deshalb, "weil sie sich nicht neu orientiert haben". Gerade im digitalen Bereich gäbe es reichlich Potenzial.
 
Von Anna Gauto

Quelle:
Wirtschaft | Branchen & Verbände, 13.01.2014
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2014 - Smarte Produkte erschienen.
     
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