Bauprodukte für nachhaltige Gebäude

Gute Bauprodukte erkennen

Bauherren aus Bund, Kommunen, Kirchen und Unternehmen sind sich einig:
Risikoreiche Gebäude wollen sie nicht mehr. Sie setzen verstärkt auf nachhaltiges Bauen. Doch woran erkennt man gute Bauprodukte?


Vorbild oder Umweltkiller? Ob ein Gebäude als nachhaltig gilt, hängt maßgeblich von den verwendeten Baustoffen ab. Das Bild zeigt ein Bürogebäude mit Fassadenkassetten aus 90% Recycling-Aluminium des Herstellers Metawell.
Foto: © Mari Nakani-Mamasakhlisi

Gebäudezertifizierungen für nachhaltiges Bauen werden immer beliebter. Kein Wunder: Nach Untersuchungen der OECD und von UNEP sind Bauwerke weltweit verantwortlich für rund 40 Prozent der CO2-Emissionen, 40 Prozent des Energieverbrauchs und für etwa ein Drittel des Ressourcenverbrauchs. Politik und Investoren verlangen daher von der Baubranche, sich zukunftsfähig aufzustellen.

Von politischer Seite bekommt der Sektor vor allem die Klimaschutzaktivitäten der Europäischen Union zu spüren - wie beispielsweise den EU-Aktionsplan "Sustainable Consumption and Production and Industrial Policy", die Novellierung der europäischen Bauproduktenverordnung (BauPVO) oder die aktuelle europäische Abfallrahmenrichtlinie. Nun setzen immer mehr Immobilieninvestoren auf nachhaltige Immobilien. In einer von Union Investment Real Estate GmbH im Jahr 2011 durchgeführten Befragung kündigten 60 Prozent der Investoren (u.a. Versicherungen und Pensionskassen) an, zukünftig deutlich mehr in nachhaltige Immobilien investieren zu wollen.

Auch immer mehr öffentliche und kirchliche Immobilien werden unter nachhaltigen Kriterien realisiert. Neubauten des Bundes mit einer Investitionssumme von über zwei Millionen Euro brauchen die Auszeichnung mit dem Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen für Bundesgebäude (BNB). Viele Kommunen folgen bereits diesem Beispiel und stellen nun ebenfalls Anforderungen an die Nachhaltigkeit ihrer Gebäude.


Wann ist ein Gebäude nachhaltig?

Zur Bewertung der Nachhaltigkeitsleistung von Bauten nutzen Bauherren meist freiwillige Gebäudezertifizierungssysteme. Zu den bekanntesten zählt das in England im Jahr 1990 entwickelte und damit älteste Zertifizierungssystem für nachhaltiges Bauen BREEAM (Building Research Establishment Environmental Assessment Method). Nach BREEAM wurden weltweit bereits über 200.000 Bauten zertifiziert. An zweiter Stelle steht das US-amerikanische Zertifizierungs-System LEED (Leadership in Energy und Environmental Design) mit ca. 36.000 Zertifizierungen. In Deutschland gründete sich im Jahr 2006 die DGNB (Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen), die bislang rund 750 Objekte bewertet und ausgezeichnet hat.

Grundlage aller Gebäudebewertungs-Systeme bilden internationale Normen, die definieren, nach welchen Kriterien die Nachhaltigkeitsleistung von Bauten zu bewerten sind .

Neben Ökologie- und Energiethemen bestimmen soziale Kriterien, Funktionalität, technische Qualität und vor allem die Wirtschaftlichkeit die Nachhaltigkeitsleistung eines Gebäudes. Dabei betrachtet man immer den gesamten Lebenszyklus und dokumentiert alles genau zur Nachweisführung - auch die Prozesse, wie den koordinierten Planungs- und Bauvorgang. Für die Bauschaffenden, also Projektsteuerer, Architekten, Handwerker und Baustofflieferanten, bringen die Zertifizierungen neue Anforderungen an Qualität und Dokumentation des gesamten Planungs- und Bauprozesses.


Baustoffe: Billig kostet später mehr

Die Baustoffe eines Gebäudes und ihre Verarbeitung bestimmen wesentlich die Nachhaltigkeitsauswirkungen.

Beispiel ökologische Gebäudeleistung bei DGNB- und BNB-Projekten: Hier berechnet man über die einzelnen Ökobilanzen der geplanten bzw. verbauten Baustoffe eine Ökobilanz für das gesamte Gebäude. Die Gebäudeökobilanz ermittelt, wie viel Energieaufwand und wie viele Ressourcen notwendig sind, um das Gebäude zu erstellen, zu nutzen und nach der Nutzung wieder zurückzubauen. Und wie viele Emissionen, also z.B. wie viel CO2, dabei über den gesamten Gebäudelebenszyklus entstehen. Deshalb bevorzugen nachhaltig orientierte Bauschaffende solche Baustoffe, die ressourcenschonend hergestellt wurden und sich am Ende ihres Lebenswegs gut recyceln lassen.

Die soziale Gebäudeleistung ermittelt den Beitrag der verwendeten Bauprodukte zur Wohngesundheit: Enthalten die Baustoffe Schadstoffe, die zu gesundheitlichen Problemen führen könnten, wie beispielsweise Lösemittel, flüchtige Weichmacher, Farbstoffe in Bodenbelägen, die sich während der Nutzung in die Raumluft freisetzen? Steigern sie die Innenraumhygiene? Machen sie den Raum angenehm warm und bieten eine gute Akustik?

Zur Ermittlung der ökonomischen Gebäudeleistung betrachtet man alle Kosten, die für Bau, Nutzung und Rückbau/Entsorgung eines Gebäudes erforderlich sind. Damit soll verhindert werden, dass durch "billige" Bauweisen später hohe Folgekosten entstehen - etwa wenn die Entsorgung von Wärmedämmverbundsystemen als Sondermüll ansteht.

Baustoffe tragen aber auch zur technischen und funktionalen Gebäudeleistung bei. Jedes Gebäude muss bestimmte Anforderungen an Brandschutz, Schallschutz, Reinigungs- und Instandhaltung sowie Rückbaubarkeit erfüllen. Für die Realisierung nachhaltiger Bauten benötigen Bauherren, Architekten, Ingenieure und Zertifizierer deshalb Antworten auf folgende Fragen:
  • Welchen Beitrag leisten die verwendeten Bauprodukte zur Nachhaltigkeit des Gesamtgebäudes?
  • Wie kann ich sicher sein, ein Bauprodukt zu nutzen, das auch verlässlich auf seine Nachhaltigkeitsleistung geprüft wurde?
  • Wie kann ich Bauprodukte im Hinblick auf ihre Nachhaltigkeitsleistung miteinander vergleichen?

Antworten auf diese Fragen liefert die Umwelt-Produkt-Deklaration (Environmental Product Declaration, EPD).

Weil sich die verschiedenen Green Building-Zertifizierungssysteme stetig weiter entwickeln, wird die EPD für Bauproduktehersteller immer wichtiger. Sie müssen für die Bewertung und Auszeichnung nachhaltiger Gebäude alle relevanten Daten eines Bauprodukts in einem allgemein und international gültigen Format bereitstellen.


Umwelt-Produkt-Deklaration schafft Wettbewerbsvorteile

Kern der Umweltproduktdeklaration ist eine Ökobilanz, die neutral, transparent und verlässlich überprüfbar die Eigenschaften eines Produktes entlang seines gesamten Lebenswegs offenlegt. Um nachhaltiges Bauen zu bewerten, braucht man eine den Baustoff begleitende, umfassende Produktaussage, die von der Rohstoffgewinnung über die Herstellung und Nutzung bis hin zum Recycling den gesamten Lebenszyklus des Produkts genau analysiert und in Bezug auf international vereinbarte Umweltwirkungen berechnet.

"Die Erstellung von EPDs für unsere Produkte hat für uns handfeste Vorteile,", so Herbert Fährrolfes, Geschäftsführer der METAWELL GmbH, Hersteller reinmetallischer Sandwichplatten aus Aluminium. "Zum einen verschaffen wir uns in Vergabeprozessen Vorteile gegenüber Mitbewerbern, die keine EPD vorweisen können. Zum anderen liefern uns die Ergebnisse der Ökobilanzen konkrete Anhaltspunkte für die kontinuierliche Optimierung unserer Produkte und Produktionsprozesse unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten. Denn jedes Produkt, das wir neu entwickeln, muss seinen Vorgänger ökonomisch und ökologisch übertreffen."

Neben den Unternehmen, die Umwelt-Produkt-Deklarationen (EPDs) für ihre Produkte erhalten, profitieren auch Bauherren, Architekten und Auditoren: Die EPD stellt sicher, dass bereits bei der Planung und Auftragsvergabe auf Klimaschutzziele und eine sparsame Verwendung von Ressourcen geachtet werden kann.


Welche Zertifizierung verlangt was?

Die Zertifizierungssysteme BREEAM, LEED, DGNB und BNB setzen in ihren Bewertungskategorien und der Punkteverteilung jeweils unterschiedliche Schwerpunkte. Im Falle von LEED erhalten Energie und Emissionen sowie der Einfluss des Gebäudes auf die lokale Umwelt die stärkste Gewichtung. Bei BREEAM haben ökologische Aspekte, Gesundheit und Nutzerkomfort einen hohen Stellenwert. Das DGNB- und BNB-System gewichtet dagegen ökologische, ökonomische, soziale und technisch-funktionale Gebäudeeigenschaften zu gleichen Teilen.

Alle Systeme belohnen den Einsatz nachhaltiger ?Materialien und Bauprodukte. Unter ökologischen Gesichtspunkten präferieren sie Bauprodukte, die schadstoffarm sind, geringe Treibhausgasemissionen und einen hohen Recyclinganteil sowie eine gute Rückbaufähigkeit aufweisen. Die Nutzung zertifizierter Produkte - beispielsweise Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft (FSC) oder blauer Engel - und nachwachsender Rohstoffe, vorzugsweise aus regionalem Bezug, wirkt sich positiv auf die Nachhaltigkeitsbilanz und den Punktestand in den betrachteten Bewertungssystemen aus.

Am Ende hängt es vom Masseanteil des Produkts am Gebäude ab, wie viel ein Bauprodukt zu der Gesamtbewertung der Gebäudenachhaltigkeit beiträgt. Darüber hinaus können sich Bauprodukte wesentlich in ihren ökologischen, sozialen, ökonomischen und technisch-funktionalen Eigenschaften unterscheiden. Das lässt sich nun auf Basis von EPDs evaluieren.
 
 
 
Von Martin Blumberg und Matthias Brinkert
 
 
Im Profil

Martin Blumberg ist Geschäftsführer und Leiter des Fachbereichs Klima- und Ressourcenschutz der brands & values GmbH. Als akkreditierter Partner des Institut Bauen und Umwelt e.V. erstellt brands & values sustainablility consultants für Unternehmen der Bauwirtschaft Produktökobilanzen und Umweltprodukt-Deklarationen.
martin.blumberg@brandsandvalues.com

Matthias Brinkert ist Senior Berater und Experte für nachhaltiges Bauen bei der brands & values GmbH.
matthias.brinkert@brandsandvalues.com

Quelle:
Technik | Green Building, 14.01.2014

     
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