"Wir brauchen eine faire Branchenlösung"

Stefan Seidel, Stellvertretender Leiter PUMA.Safe, im Interview

Die Veröffentlichung seiner ökologischen Gewinn- und Verlustrechnung (EP&L) machte PUMA 2011 zum Pionier. Auch über zwei Jahre später ist die Resonanz noch groß. Überrascht Sie das?

Stefan Seidel, Stellvertretender Leiter PUMA.Safe
Foto: © Puma

Wir hatten uns erhofft, eine internationale Diskussion zu dem Thema anzustoßen. Trotzdem waren wir uns nicht sicher, wie die Reaktionen nach der Veröffentlichung ausfallen würden. Wir würden uns freuen, wenn nun andere Unternehmen nachziehen würden, so dass die Debatte eine breitere Basis erhielte.


Noch hat kein anderes Unternehmen in Deutschland damit begonnen, seine Umweltauswirkungen, also Externalitäten, zu erfassen. Woran liegt das?

Immerhin hat unsere französische Mutter Kering angekündigt, bis 2016 eine gruppenweite EP&L zu veröffentlichen. Wir haben einige Anfragen zur EP&L von namhaften deutschen Unternehmen erhalten und hoffen weiter, dass andere Unternehmen folgen werden. Eine Herausforderung ist sicher die Komplexität der Produkte und Lieferketten, die in anderen Industrien noch höher ist als in der Sportartikelindustrie. Außerdem fehlt eine standardisierte Berechnungsmethode, was Unsicherheit bei den Ergebnissen schafft.


Wie ist PUMA für seine EP&L mit dem Thema Lieferkette umgegangen?

Wir haben mit modellierten Daten aus umweltökonomischen Input-Output-Modellen gearbeitet, wo wir keine Primärdaten zur Verfügung hatten. Davon abgesehen haben wir uns auf die wichtigsten Produkte und deren Materialien konzentriert. Schließlich muss klar sein, dass der Anspruch einer EP&L zum derzeitigen Zeitpunkt nicht sein kann, exakte Daten zu liefern, sondern vielmehr Größenordnungen abzubilden.


Ein häufiger Kritikpunkt in der Diskussion um die ökonomische Bewertung ist, dass man zwar weiß, wie hoch die Umweltkosten in etwa sind, aber nicht, was Unternehmen mit der Information machen. Wie hat PUMA die Ergebnisse verwendet?

Wir haben unsere wichtigsten Umweltkosten genauer unter die Lupe genommen. Dabei haben wir festgestellt, dass Recyclingmaterialien unter ökologischen Gesichtspunkten besser abschneiden als biologisch angebaute Materialien. Außerdem haben wir nach der EP&L irrelevante Ziele, wie den Wasserverbrauch in PUMA-Büros zu verringern, aufgegeben und beschäftigen uns nun detaillierter mit den Färbereien und Gerbereien, die einen signifikanten Umwelteinfluss innerhalb unserer Lieferkette haben.


PUMA arbeitet derzeit daran, die Methodik der ersten EP&L zu verbessern und zu überarbeiten. Wo sehen Sie das größte Verbesserungspotenzial und was genau macht PUMA?

Die Greenpeace Detox-Kampagne hat uns auf das Thema Gewässerverschmutzung aufmerksam gemacht. Wir arbeiten derzeit mit unserer französischen Mutter Kering an der zweiten EP&L. Nähere Details werden wir bekanntgeben, wenn diese fertig ist.


Welche Rolle spielt für die weitere Entwicklung der Naturkapitalbilanzierung das Nachhaltigkeits-Reporting, insbesondere die neuen Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI4)?

Der größere Fokus von GRI G4 auf die Lieferkette hilft sicherlich, allerdings erwarten wir nicht, dass aufgrund von GRI G4 sofort eine größere Anzahl von Unternehmen eine EP&L veröffentlicht.


Sie haben die Umweltkosten auch für Schuhe und T-Shirts auf das Produkt heruntergebrochen. Haben Sie schon mit dem Gedanken gespielt, diese "wahren" Kosten dem Kunden direkt per Preisschild zu kommunizieren?

Mit dem Gedanken gespielt ja - aber bevor wir so etwas realisieren können, muss die Methode noch etwas robuster werden. Schließlich gibt es verbindliche Standards für "Environmental Product Declarations", die wir einhalten müssten. Davon abgesehen würde eine EP&L für einige wenige Produkte nur geringe Auswirkungen haben. Wenn wir aber alle Produkte bilanzieren, wäre der Aufwand dafür erheblich. Daher warten wir momentan ab, was sich im Rahmen des "Product Environmental Footprinting"-Projekts der Europäischen Kommission zur Erfassung der Umweltauswirkung von Produkten tun wird. Auch der neue HIGG Index der Sustainable Apparel Coalition, mit dem die Umweltleistung von Kleidungsstücken messbar und vergleichbar gemacht werden soll, ist in diesem Zusammenhang interessant.


Das langfristige Ziel wäre natürlich, dass man die externen Kosten internalisiert und einen Schadensausgleich zahlt. Haben Sie hierzu Pläne oder ist dies Aufgabe des Staates?

Einen ersten Schritt in diese Richtung haben wir ja bereits gemacht, indem wir unsere eigenen CO2-Emissionen seit 2010 kompensieren. Allerdings wäre eine Kompensation aller externalisierten Umweltkosten aus ökonomischer Sicht nicht leistbar, wenn wir das als Einzelunternehmen angehen würden. Dazu müsste es schon eine Branchenlösung geben, die man wettbewerbsneutral umsetzen kann.


PUMA will neben den ökologischen auch die sozialen Externalitäten erfassen. Welche Fortschritte konnten Sie bisher machen?

Ehrlich gesagt sind wir hier noch nicht wirklich weitergekommen. Das Thema ist so komplex, dass wir uns erst einmal auf die Fortführung der ökologische Gewinn- und Verlustrechnung fokussieren. Wir würden uns aber freuen, wenn ein anderes Unternehmen im sozialen Bereich die Führung übernähme. 

  
Die Fragen stellte Tobias Hartmann

Quelle:
Umwelt | Biodiversität, 20.01.2014
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2014 - Smarte Produkte erschienen.
     
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