Von der Raumfahrt ins Einfamilienhaus

Im forum-Interview erklärt Alexander Dauensteiner, Innovationsmanager bei Vaillant, wo er die Probleme und Chancen sieht.

Brennstoffzellen gelten als eine der innovativsten Technologien für die Energieversorgung der Zukunft und stehen vor dem Sprung in den Massenmarkt. Doch „disruptive technologies" – umwälzende Technologieansätze – haben oft lange Durststrecken, bis sie zur Marktreife gelangen. forum fragt, woran das liegt.

© Deutsches MuseumDie ersten Anwendungen von Brennstoffzellen ergaben sich in Bereichen wie Militär und Raumfahrt, in denen ihre Kosten eine sehr geringe Rolle spielten. Heute könnten Brennstoffzellen als Antrieb für Autos oder zur Strom- und Wärmeversorgung für Häuser eingesetzt werden. Doch der Weg von der Invention (d.h. der Erfindungsphase) zur Innovation gestaltet sich schwierig, obwohl die kleinen Kraftwerke gerade im stationären Einsatz energiesparend und klimaschonend Wärme und Strom liefern und nach Ansicht von Experten den Schalter für die Energiewende umlegen könnten. Warum also schafft es die Erfindung nicht auf den Massenmarkt? Woran scheitert die Markteinführung? Im forum-Interview erklärt Alexander Dauensteiner, Innovationsmanager bei Vaillant, wo er die Probleme und Chancen sieht.

Herr Dauensteiner, Brennstoffzellen könnten die Energieversorgung von Häusern übernehmen. Wie entwickelt sich dieser Markt?

© Jahr Vaillant GmbH, RemscheidAls Daimler 1995 anfing, mit Brennstoffzellen zu experimentieren, hat man bei Vaillant gedacht: So eine Brennstoffzelle macht doch Wärme, das könnten wir auch für unsere Heizsysteme nutzen! Seitdem beschäftigen wir uns mit dem Thema. Im Laufe der Jahre haben wir zweimal komplett die Technologie gewechselt, weil sie zu komplex und zu empfindlich für das Eigenheim war und kein Kunde eine kleine Chemiefabrik im Keller haben will. Heute bin ich davon überzeugt: Die Zukunft gehört der Brennstoffzelle!

Seit wann ist Ihnen das klar?

Seit dem europäischen Förderprojekt ene.field. In diesem Projekt erproben neun europäische Brennstoffzellen-Heizgerätehersteller alle derzeit bestehenden Technologien in einem Praxistest. In zwölf EU-Mitgliedstaaten laufen derzeit rund 1.000 Anlagen in Wohngebäuden. Das gibt uns Einblick in Installation und Wartung, in die marktrelevanten Rahmenbedingungen und CO2-Einsparungen, aber auch in die Gründe, die einem flächendeckenden Einsatz von Brennstoffzellen-Mikro-KWKs entgegenstehen könnten.

Vor welcher Herausforderung steht die Brennstoffzellen-­Technologie denn?

Ölkessel mit Speicher Foto: VaillantEs geht um Zielkosten. Die Technologie funktioniert technisch, aber das Problem ist: Wie kommt die Technik in den Massenmarkt? Vor dieser Herausforderung steht die gesamte Branche.

Geht es auch um Akzeptanz?

Nein, die Akzeptanz, also das Thema Sicherheit, ist nicht die kritische Größe. Zwar gilt oder besser galt die Wasserstofftechnologie als gefährlich, denn Wasserstoff reagiert mit Sauerstoff und besonders ältere Menschen haben noch das Bild der explodierenden Hindenburg vor Augen. Aber große Unternehmen wie wir schaffen Vertrauen und entschärfen die Diskussion an dieser Stelle.

Worum geht es dann?

Wir stehen vor einer Art Henne-Ei-Problem; eine Situation, an der viele Innovationen in Deutschland scheitern. Die Deutschen sind hervorragende Entwickler, aber miserabel bei der Industrialisierung ihrer neuen Technologien. Das können die Japaner eindeutig besser!

Und was hindert die Deutschen, ihre Innovationen in den Markt zu bringen?

Vor allem die politischen Rahmenbedingungen. Die Politik sagt: „Wenn eure innovativen Produkte zu teuer sind, müsst ihr als Industrie eben die Preise senken!" Im Klartext: Die Politik unterstützt zwar Forschung und Entwicklung, aber bei der Industrialisierung lässt man die Unternehmen alleine.

Das macht die japanische Regierung anders?

Ja. Bis das neue Produkt so billig ist, dass die Masse es abnimmt, sind Stückzahlen nötig. Um die aber herstellen zu können, braucht es Investitionen. In Deutschland sagen alle „super Technologie" – die Industrialisierung aber will man nicht finanzieren. Die japanische Regierung hingegen sagt: „Das Produkt ist gut und jetzt wollen wir, dass die Menschen es auch anwenden. Also unterstützen wir in der ersten Phase die Kunden dabei, die naturgemäß noch sehr teuren Produkte zu kaufen." Japan finanziert also die Einführung einer neuen Technologie bis zu dem Punkt, an dem sie für die Masse erschwinglich ist.

Sie meinen, unsere Regierung verhält sich wie ein 100 Meter-Läufer, der zum Wettkampf antritt und dann nach 50 Metern schlapp macht?

Nein, nach 90 Metern, und das ist noch ärgerlicher. Offenbar wissen Politiker nicht, dass ein Produkt noch lange nicht fertig ist, wenn es fertig entwickelt wurde. Aber egal, ob man es wahrhaben will oder nicht: Eine Invention ist noch lange keine Innovation!

Gibt es Erfolgsbeispiele für gelungene Markteinführungen grüner Technologien?

© Jahr Vaillant GmbH, RemscheidJa, nehmen Sie beispielsweise die Photovoltaik. Die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im Bereich der Solarstromerzeugung begannen 1965, zehn Jahre später gab es von der Bundesregierung erste Fördermittel für Solar­energie. Richtig los ging es dann 1990 mit dem Start des 1.000-Dächerprogramms, dabei wurden 2.550 Dächer mit Photovoltaikanlagen ausgestattet. Ein Jahr darauf trat das Stromeinspeisungsgesetz in Kraft, bei dem Energieversorger den Strom aus Sonnen- und Windenergie vergüten mussten. Den echten Durchbruch aber brachte im Jahr 2000 das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Das EEG sorgte nicht nur dafür, dass jede solar erzeugte Kilowattstunde Strom mit rund 50 Cent vergütet wurde, sondern löste einen regelrechten Solarboom aus und hat Deutschland zum weltgrößten Photovoltaikmarkt und die Förderpolitik der Bundesrepublik Deutschland zum weltweiten Vorbild gemacht.

Brauchen nachhaltige Lösungen aus Ihrer Sicht immer eine so groß angelegte Förderung, um den Massenmarkt zu erreichen?

Vermutlich ja. Allerdings sollte die Steuerung exakter erfolgen. Niemand hatte damals mit einem so großen Boom der Photovoltaik gerechnet. Aber dieses durch die Decke brechen wird es bei Brennstoffzellen nicht geben, da ja immer auch die entsprechende Wärmeabnahme sichergestellt sein muss.

Geht es nicht doch eine Nummer kleiner?

Nein, regionale Initiativen wie das Programm progres.nrw zeigen, dass das auf lange Sicht nicht gelingt. Bei progres.nrw unterstützt das Land Nordrhein-Westfalen die Markteinführung von Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energien und rationellen Energieverwendung. Unternehmen, Kommunen und Privatpersonen, die Produkte nutzen wollen, die im Prinzip marktfähig sind, können einen Förderbaustein zur Markteinführung beantragen. Seit Juli 2014 hat das Land nun eine Haushaltssperre verhängt, Förderanträge werden nicht mehr bewilligt. Damit wird nicht nur die Förderung gestoppt, sondern das gesamte Ziel verfehlt, nämlich die Stückkosten zu senken. Damit sind alle bis dahin aufgewandten Mittel zum Fenster rausgeworfen.

Woran liegt das? Andere Produkte schaffen es doch auch ohne Finanzspritze in den Markt.

Eine gute Frage. Aus meiner Sicht ist die Rechnung, die unsere Volkswirtschaft den umweltschädlichen, also den nicht nachhaltigen Lösungen zugrunde legt, einfach falsch.

Jeder darf schlechte und veraltete Technologien nutzen und Folgeschäden verursachen, ohne für diese Folgeschäden finanziell aufkommen zu müssen. Einmal angenommen, wir würden „Nachhaltigkeitskosten" erheben, was glauben Sie, was dann passieren würde?

Dann würde die Anwendung nicht-nachhaltiger Technologien vermutlich erheblich teurer…

… ja und mit diesem Geld ließen sich leicht Industrialisierung und Markteinführung der nachhaltigen Technologien fördern…

… wenn das dann überhaupt noch notwendig wäre. Haben Sie ein Beispiel für einen Ansatz solcher Nachhaltigkeitskosten?

Nehmen Sie das Beispiel eines S-Klasse-Fahrers im Vergleich zum Fahrer eines Elektrofahrzeugs, das mit grünem Strom fährt. Wenn der S-Klasse-Fahrer alle Folgekosten tragen müsste, also von der CO2 -Belastung bis hin zum Ressourcenverbrauch, dann hätte er endlich eine realistische Grundlage, auf der er entscheiden könnte, ob er wirklich S-Klasse fahren will. Denn dann würde er alleine die Kosten seines Handelns tragen und nicht die Umwelt oder eben die anderen! Die eigentlich gute Nachricht dabei: Wenn wir nachhaltige Produkte wirklich umsetzen wollen, müssen wir eigentlich bloß richtig rechnen lernen. Volkswirtschaftlich richtig rechnen, nicht betriebswirtschaftlich.

Sie meinen also, Nachhaltigkeit ist eigentlich ein volkswirtschaftliches Gebot?

Ja. Denn dann ist jeder wirklich vollumfänglich haftbar und verantwortlich für alle Umweltschäden, die er anrichtet. Im Moment glaubt noch niemand so recht daran, dass sich eine Investition in Nachhaltigkeit tatsächlich rechnet. Für viele Unternehmen ist Nachhaltigkeit deshalb eher ein Imagefaktor. Das liegt aber daran, dass niemand die Folgekosten für die Anwendung schädlicher Technologien tragen muss. Deshalb halten immer noch so viele an den alten und falschen Technologien fest. Aus meiner Sicht tun sie das vor allem, weil sie Angst haben, morgen zu den Verlierern zu gehören.

Ist diese Angst berechtigt?

Natürlich. Ich glaube nicht an die von der Politik so gern propagierte Win-win-Situation. Wenn wir unser Energiesystem grundlegend reformieren wollen, dann wird es auch Verlierer geben! Ich persönlich glaube, dass es sich kein Unternehmer mehr leisten kann, das Thema Nachhaltigkeit zu ignorieren und plädiere deshalb für mehr Mut zum Wandel. Sowohl in der Politik wie auch in der Wirtschaft und letztlich auch beim Verbraucher.

Herr Dauensteiner, wir danken für das Gespräch.

 
 Alexander Dauensteiner
ist Innovationsmanager bei Vaillant und referiert auf der Konferenz green2market über die Herausforderungen bei der Vermarktung von Brennstoffzellen.

Brennstoffzelle: Das Kraftwerk im Keller

Die Gewinnung von elektrischer Energie aus chemischen Energieträgern erfolgt heute zumeist durch Verbrennung in einem Motor mit nachgeschaltetem Generator. Eine Brennstoffzelle ist wesentlich effizienter, da ihre galvanische Zelle die chemische Reaktionsenergie eines kontinuierlich zugeführten Brennstoffes und eines Oxidationsmittels direkt in elektrische Energie wandelt. Die Zelle ist somit kein Energiespeicher, sondern ein Wandler.

Mit dieser zukunftsträchtigen Technik können Strom und Wärme direkt im Haus effizient und umweltschonend erzeugt werden. Vorteile sind die direkte Umwandlung von im Energieträger gespeicherter Energie (z.B. im Erdgas) in Strom ohne mechanische Umwandlung und die gleichzeitige Nutzung der dabei anfallenden Wärme. Brennstoffzellen waren bislang in der Raumfahrt und militärischen Anwendung vorzufinden. Eine Nutzung für die Haus­energie oder auch als Antrieb im Auto erfordert im Wesentlichen wettbewerbsfähige Kosten. Diese müssen noch deutlich gesenkt werden. Technische Probleme gibt es heute keine mehr.

Weitere Infos: 
http://de.wikipedia.org/wiki/Brennstoffzelle

 


Technik | Cleantech, 01.10.2014
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2014 - Green Tech als Retter der Erde erschienen.
     
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