Starke Frauen - Dr. Auma Obama

Sauti Kuu - Eine starke Stimme erhebt sich

Dr. Auma Obama ist internationale Vortragsrednerin zu Themen ökonomischer, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit und eine Powerfrau. Mit ihrer Stiftung Sauti Kuu –„Starke Stimmen" – setzt sie sich für Jugendliche in ihrem Heimatland Kenia, in Deutschland und weltweit ein.
 
Sie arbeiten seit vielen Jahren in der Entwicklungshilfe. Was ist die Motivation für Ihr soziales Engagement?
Dr. Auma Obama im Interview © Sauti Kuu FoundationIch bin auf keinen Fall eine Entwicklungshelferin. Ich arbeite mit benachteiligten Menschen, hauptsächlich mit Jugendlichen und Kindern, und unterstütze sie dabei, ihr Leben in die Hand zu nehmen. Ich mache das, weil jeder Mensch die Chance haben sollte, seine Lebensumstände zu verbessern. Ich finde, das ist meine Verpflichtung.
 
Wieso wollen Sie auf keinen Fall als Entwicklungshelferin gelten?
Ich denke, wir leisten eine großartige Arbeit. Aber unsere Philosophie unterscheidet sich von anderen Organisationen insofern, als dass wir nicht nur einseitig interagieren, sprich geben und Leistungen ohne Gegenleistung anbieten. Damit nämlich wurde in der Vergangenheit bereits viel Schaden angerichtet. Wir versuchen, auf einer Augenhöhe mit den Menschen zu sein und legen den Fokus darauf, dass Menschen lernen, die Ressourcen, die ihnen zur Verfügung stehen, zu ihrem Vorteil und für das Gemeinwohl zu nutzen. Durch Verantwortungsübernahme und aktive Beteiligung verbessern sie so selbst ihre Situation. Wir nennen dies eine nachhaltige, ökonomische Entwicklung.
 
Mit Ihrer Stiftung möchten Sie vor allem jungen Menschen helfen und die Landflucht bekämpfen. Ist der Trend zur Verstädterung und zur Slumbildung noch zu stoppen?
Mit der Stiftung Sauti Kuu wollen wir nicht primär die Landflucht bekämpfen. Wir wollen allerdings eine neue Wertschätzung für die Landwirtschaft erreichen. Die Menschen sollen erkennen, dass dieses Land wertvoll ist und sie auch auf dem Land ihren Lebensunterhalt verdienen und ein gutes Leben führen können. Damit zeigen wir ihnen eine Alternative zu dem Weg in die Großstädte, der oftmals in den Slums endet. Wir wollen nicht grundsätzlich davon abraten, in die Stadt zu gehen. Aber schon Jugendliche sollten sich fragen, ob Landwirtschaft nicht die bessere Alternative ist. Wir wollen zeigen, dass mit unserer Hilfe und unserem Know-how die Möglichkeit besteht, vorhandene Möglichkeiten zu nutzen und damit die eigene finanzielle Situation zu verbessern.
 
Welches Afrika-Klischee ärgert Sie besonders und warum?
Einmal, dass man von Afrika redet, als wäre es ein Land. Ich würde mir wünschen, dass man die Diversität des Kontinents und die verschiedenen Kulturen, Traditionen und Sprachen anerkennt. Außerdem ärgert mich die mitleidige Vorstellung von den armen Menschen in Afrika. Das ist nicht nur schlimm, weil man schlichtweg nicht alle in einen Pott werfen kann, sondern auch, weil es den Menschen das Gefühl gibt, Opfer zu sein. Bei Sauti Kuu bekämpfen wir diese Opfermentalität. Das ist harte Arbeit, weil viele Menschen diese Einstellung verinnerlicht haben.
 
Glauben Sie, dass der afrikanische Kontinent aus den Problemen lernen kann, die vielen Industrieländern mit einem rein auf Wachstum orientierten Kurs erwachsen?
Ich kann nicht für ganz Afrika reden. Jedes Land hat eine andere wirtschaftliche Situation. Dieser Kontinent ist noch vielfältiger als Nordamerika und auch Europa. Auch in Afrika wollen Menschen viel und das möglichst billig. Deshalb nutzen auch wir in der Landwirtschaft zunehmend chemischen Dünger und Pestizide, weil wir schnell und viel produzieren wollen. Wir rennen in die gleichen Sackgassen. Daher denke ich, dass wir einen globalen Mentalitätswechsel brauchen. Denn kein Land und auch kein Kontinent kann Probleme wie Energie-, Ernährungs- und Ressourcensicherheit allein lösen.
 
Sie engagieren sich für biologischen Landbau, wo liegt sein Potenzial?
Produkte aus ökologischem Landbau sind einfach besser und gesünder. Nicht nur für den Menschen, sondern vor allem auch für die Umwelt. In Kenia, wo wir unsere Agrarprojekte haben, ist er die natürlichste und intelligenteste Form der Landwirtschaft.
 
Den Dünger bekommen die Menschen von ihren Kühen, Ziegen und Hühnern auf natürliche Weise. Chemischer Dünger und Pestizide kosten dagegen Geld. Wir versuchen den Menschen zu zeigen, wie sie wieder einheimisches Getreide anbauen und traditionelles, regionales Saatgut verwenden können. Viele Menschen haben verlernt, ihr Land zu bebauen. Wir erinnern sie daran, wie Bauern das früher gemacht haben und zeigen die neuen und modernen Methoden der biologischen Landwirtschaft.
 
Sind die Menschen damit gut beraten? Wie wollen sie mit konventionellen Bauern in Kenia konkurrieren?
Dr. Auma Obama engagiert sich für eine selbstbewusste Jugend und möchte zeigen, dass biologische Landwirtschaft und modernes Know-How oft eine bessere Lösung als Landflucht ist. © Sauti Kuu FoundationNatürlich bekommt man auf den ersten Blick mehr Ertrag mit künstlichem Dünger und moderner Agrochemie. Daher ist es schwer, die Menschen zu motivieren, es anders zu machen. Wir stehen mit unserem Ansatz deshalb vor einer großen Herausforderung und uns ist klar, dass wir in einem Lernprozess sind. Um bessere Erträge zu erzielen, benutzen wir natürliche Dünger und nutzen via Kompost alles, was vom Acker kommt. Wir haben viele und kompetente Partner, die uns unterstützen und Rat geben. Kompostierung und biologische Landwirtschaft sind weltweit auf dem Vormarsch und der internationale Erfahrungsaustausch bringt uns allen große Fortschritte.
 
Was bietet die Green Economy für afrikanische Länder?
Mit dem Begriff Green Economy bin ich vorsichtig.
 
Warum?
Er ist für mich eines dieser Modewörter und Trends, bei dem ich mich frage, wer sich das ausgedacht hat und warum. Wir fahren zu all den Konferenzen und einigen uns darauf, in Richtung Green Economy zu gehen. Würde ich aber zu den Leuten auf dem Land in Kenia sagen, lasst uns jetzt Green Economy machen, die würden nur gucken und nicht verstehen, wovon ich rede, weil es ein abstraktes Konzept ist. Ich finde es besser, anhand konkreter Methoden und Projekte zu zeigen, was man verändern kann.
 
Sie engagieren sich besonders in der sozialen Dimension der Nachhaltigkeit. Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf, um den sogenannten Armen zu helfen?
Dr. Auma Obamas Vision: Die Verbesserung der Lebensbedingungen von benachteiligten Kindern und Jugendlichen auf der ganzen Welt. © Sauti Kuu FoundationNachhaltigkeit ist wirklich das A und O von allem, was wir machen. Wir müssen darauf achten, dass wir nicht neue Opfer und Abhängigkeiten schaffen. Mit Abhängigkeit gibt es keine Nachhaltigkeit. Wir arbeiten und reden sehr viel mit den Menschen, auch um herauszufinden, ob sie überhaupt in Not sind. Denn wer Äcker und Wasser hat und in einer Hütte lebt, ist noch lange kein armer Mensch für mich. Den Menschen fehlt oft nur das Bewusstsein, dass sie eigentlich reich sind. Diese Barrieren im Kopf wollen wir bekämpfen. Ich denke auch, Armut müsste man neu definieren. Dann würden viele Menschen merken, dass sie gar nicht arm sind und mit dieser positiven Grundeinstellung würden sie beginnen, ihre Situation zu verbessern. Wer mit dem eigenen Schweiß und Geld an etwas beteiligt ist, wird eher darauf achten, dass es nachhaltig ist. Und: Wer Nahrungsmittel auf eigenem Land anbauen kann, ist aus meiner Sicht privilegiert. In der Stadt sind die Menschen auf die Produkte aus dem Supermarkt angewiesen.
 
Sie haben jetzt damit begonnen, im Rahmen eines Partnerschaftsprojektes eine Brücke von Kenia nach Deutschland zu schlagen.
Ja, denn ich glaube, die Situation, die Jugendliche in Kenia erleben, unterscheidet sich nicht wesentlich von dem, was Jugendliche anderswo erfahren. Junge Leute brauchen eine Stimme und ein gesundes Selbstbewusstsein. Sie müssen wissen, dass sie ein wertvoller Teil der Gesellschaft sind. Wenn sie das erkennen und sich wertgeschätzt fühlen, können sie Größeres erreichen. Ich komme zwar aus Kenia, aber dieselbe „Entwicklungs-Arbeit" habe ich auch in England und teilweise in Deutschland gemacht. Ich will eine Brücke bauen, damit junge Menschen aus verschiedenen Ländern zusammenkommen, sich austauschen und erkennen, welche Kraft sie gemeinsam haben. Ich stelle mir etwa ein Straßenkind aus Deutschland vor, das sagt: „Eigentlich müsste es mir besser gehen, denn Deutschland ist ein reiches Land." Es denkt, es ist selbst schuld an seiner Situation. Wenn das Kind aber merkt, dass auch andere Kinder auf der Welt dieselben Probleme haben und es die Möglichkeit bekommt, sich mit einem Straßenkind aus Kenia auszutauschen, dann können sie sich gegenseitig motivieren, sich aus der Misere herausholen.
 
Wie funktioniert das konkret?
Wir versuchen beispielsweise, den Kindern und Jugendlichen in Kenia aufzuzeigen, dass das Land, in dem sie leben, über äußerst wertvolle Ressourcen verfügt, die nur richtig genutzt werden müssen. Sie müssen mit Achtsamkeit gepflegt werden. Denn dann bieten sie auch eine wirtschaftliche Sicherheit. Wir wollen verständlich machen, dass einem nicht alles in die Wiege gelegt wird, sondern dass jeder seines eigenen Glückes Schmied ist. Den Kindern und Jugendlichen macht es Spaß, sich zu engagieren. Sie sind äußerst motiviert und arbeiten hart, wenn man sie nur auf den richtigen Weg führt und unterstützt. Zur Stärkung des eigenen Selbstbewusstseins bieten wir beispielsweise Sportprogramme an. In allen unseren Programmen und unserem Handeln geht es darum, den Kindern und Jugendlichen klar zu machen, dass sie eine eigene Stimme und Meinung haben und diese auch vertreten dürfen. Nicht umsonst haben wir Sauti Kuu als Namen für unsere Stiftung gewählt: Es bedeutet „Starke Stimmen" auf Kiswahili.
 
Haben Sie ein persönliches Ziel in Ihrem Leben, eine Vision?
Die Verbesserung der Lebensbedingungen von benachteiligten Kindern und Jugendlichen auf der ganzen Welt ist meine Vision.
 
Frau Obama, wir bedanken uns für das Gespräch und wünschen Ihnen und den Jugendlichen eine starke Stimme.

ACT NOW JUGEND AWARD
Dr. Auma Obama © Sauti Kuu FoundationAm 2. November 2015 wird zum ersten Mal das soziale Engagement von Jugendlichen mit dem ACT NOW JUGEND AWARD geehrt: In den Kategorien „Inspiration", „Nachhaltigkeit", „Innovation" und „Hero" zeichnet der Award junge Menschen aus, die sich herausragend in humanitären, gesellschaftlichen oder ökologischen Projekten einsetzen. Der Award wird von der Sauti Kuu Stiftung von Dr. Auma Obama und dem Friedrichstadt-Palast Berlin verliehen, unterstützt von C&A und vielen Prominenten wie Manuel Neuer, Udo Lindenberg, Nena, Y-Titty und Jens Lehmann. Weitere Ko­operationspartner sind willkommen unter: office@sh-m.de Infos: www.actnow-award.de
 
Dr. Auma Obama
ist die ältere Halbschwester des US-Präsidenten, wurde in Kenia geboren und wuchs dort auf. Sie studierte in Deutschland und gründete die Stiftung Sauti Kuu („Starke Stimmen"). Die Stiftung möchte benachteiligten Kindern und Jugendlichen auf der ganzen Welt eine Stimme geben und ihr Potenzial wecken und stärken. Darüber hinaus ist Dr. Auma Obama seit November 2014 Mitglied des World Future Council (WFC) und wurde soeben mit dem Deutschen Rednerpreis 2015 und dem Internationalen B.A.U.M.-Sonderpreis 2015 ausgezeichnet.
 
Bernward Geier
ist forum-Kurator und Autor und war 18 Jahre Direktor des Weltdachverbandes der biologischen Landbaubewegung (IFOAM). Seit 2005 ist er Direktor der Agentur COLABORA – let‘s work together.

Gesellschaft | Pioniere & Visionen, 01.10.2015
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2015 - Ertrinken wir in Plastik? erschienen.
     
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