Weltbank-Jahrestagung 2016
Urgewald veröffentlicht vor der Jahrestagung, die vom 7.-9. Oktober 2016 in Washington, DC stattfindet, Hintergrundinformationen.
Lesen Sie dazu auch in der neuen Ausgabe von forum Nachaltig Wirtschaften das Portrait der urgewald-Gründerin: "Starke Frauen. Heffa Schücking sorgt für Moral beim Kapital"
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Am 4. August 2016 hat der Verwaltungsrat der Weltbank nach vierjähriger Debatte neue Umwelt- und Sozialstandards verabschiedet. Damit tritt eine Verwässerung von Schutzstandards in Kraft, vor der urgewald und internationale NGOs seit Jahren warnen. Gleichzeitig belegt eine neue Untersuchung, wie stark die Weltbank über ihre Tochter IFC entgegen eigener Klimaschutz-Richtlinien die Kohle-Expansion in Asien und weitere zerstörerische Projekte finanziert. Dies werden zwei bestimmende Themen auf der Jahrestagung sein.
Nach über vier Jahren hat die Weltbank vor kurzem ihre so genannte "Safeguard Review” beendet. Das Resultat ist allerdings keine Überarbeitung bestehender Schutzstandards, sondern ein völlig neues Regelwerk zum Umgang mit Umwelt- und Sozialrisiken in von der Weltbank finanzierten Vorhaben. Wie grundlegend die Veränderung ist, zeigt, dass die Weltbank eine Übergangsphase von mindestens einem Jahr vorsieht, um sich auf die neuen Standards einzustellen. Sie sollen frühestens Anfang 2018 zur Anwendung kommen.
Dass es im Rahmen von Weltbank-Projekten immer wieder zu Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen gekommen ist [1], liegt nicht an Mängeln in den bestehenden Schutzstandards, sondern an der mangelnden Anwendung in der Praxis. Daraus hätten wichtige Lektionen für die neuen Standards gewonnen werden. Doch dies ist nicht geschehen.
Die neuen Standards verabschieden sich weitgehend von Verbindlichkeit und lassen den Nehmerländern der Weltbank großen Freiraum, was den Schutz von Umwelt und betroffenen Gemeinschaften angeht. Dies ist ein riskantes Experiment, insbesondere aufgrund der wachsenden Bedrohung zivilgesellschaftlicher Organisationen in vielen Staaten, die wichtige Bankkunden sind.
Trotz des negativen Beschlusses gibt es noch Einflussmöglichkeiten für NGOs:
- Wie genau das neue Regelwerk umgesetzt wird, hängt stark von den Implementierungsrichtlinien ab. Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen wie urgewald werden diesen Prozess daher eng begleiten.
- Entscheidend ist auch, nach welcher Methode nationale Umwelt- und Sozialstandards geprüft und zugelassen werden, wenn diese Weltbankstandards ersetzen sollen. [2]
- Nach wie vor sind bestimmte Kreditinstrumente wie "Development Policy Loans" nicht von Umwelt- und Sozialstandards abgedeckt. Es geht hierbei um ca. 30 bis 40 Prozent des Weltbank-Portfolios. Ein großer Teil dieser Kredite bestimmt die Rahmenbedingungen für Wald-, Bergbau- und Energievorhaben und andere hoch sensible Bereiche. Hier bietet sich also gewaltiger Spielraum für Verbesserungen.
- Ein transparentes Monitoring-System sollte die Anwendung der neuen Standards zeitnah beobachtet und die Resultate öffentlich zugänglich machen.
Auch bei der Weltbank-Tochter für Projekte mit Partnern in der Privatwirtschaft zeigen sich große Probleme. Die International Finance Corporation (IFC) vergibt einen Großteil ihrer Gelder über so genannte „Finanzintermediäre" wie Banken oder Fonds. Hier fehlt es an Transparenz und Kontrolle. Immer wieder werden Projekte finanziert, die zu mehr Leid und Not führen, statt Entwicklung zu ermöglichen.
Wie gravierend das Problem ist, belegt eine neue Studie der urgewald-Partnerorganisation Inclusive Development International, die am 3. Oktober in Washington veröffentlicht wurde. Demnach hat die Weltbankgruppe trotz ihres im Jahr 2013 beschlossenen weitgehenden Kohle-Ausstiegs auf versteckten Wegen die massive Kohle-Expansion in Asien mitfinanziert.
Der vergangene Woche wiedergewählte Weltbankpräsident Jim Yong Kim hat in der Vergangenheit mit starken Worten vor neuen Kohle-Projekten gewarnt: „Wenn Asien die Kohle-Pläne jetzt umsetzt, dann sind wir denke ich am Ende", sagte er. Dennoch finanziert die Weltbank laut der Untersuchung weiterhin Kohle und weitere Projekte, die zu schweren Umweltzerstörungen und Menschenrechtsverstößen geführt haben. Die International Finance Corporation (IFC), die die Weltbank-Geschäfte mit dem Privatsektor durchführt, finanziert solche Projekte über sehr undurchsichtige Geschäfte mit Banken, Private-Equity-Fonds und weiteren externen Finanzpartnern [3].
In einer monatelangen Untersuchung hat die US-Menschenrechtsorganisation Inclusive Development International insgesamt 91 schädliche Projekte entdeckt, die die IFC durch die Hintertür finanziert. Im Zeitraum 2011 bis 2015 hat die IFC 40 Milliarden US-Dollar an solche externen Finanzpartner vergeben, die das Geld im Anschluss investiert haben, so wie sie es für angebracht hielten, mit kaum erkennbarer Aufsicht.
Insgesamt plant die Bank unter Führung von Jim Yong Kim, ihr Kapital zunehmend in riskante Großprojekte zu investieren und schneller abfließen zu lassen. Die Risiken für Menschen, vor allem die schwächsten sozialen Gruppen, sind dabei enorm. Gleiches gilt für die Umwelt.
Die Weltbank reagiert mit dieser Risikostrategie auf die zunehmende Konkurrenz im Bereich der Entwicklungsfinanzierung. So hat im Juli 2015 die neue Entwicklungsbank der BRICS-Länder ihre Arbeit aufgenommen. Größter Anteilseigner ist, wie auch bei der neuen Asiatischen Infrastrukturbank AIIB, China. Anfang 2016 hat die AIIB ihren Betrieb aufgenommen. Sie hat ihren Sitz in Beijing und verfügt über ein Anfangskapital von 100 Milliarden US–Dollar. Deutschland ist neben weiteren EU-Staaten Gründungsmitglied der AIIB und größter europäischer Kapitalgeber.
[1] Vgl. u.a. ICIJ-Rechercheergebnisse
[2] Sog. "Use of Country Systems"
[3] Sog. "Financial Intermediaries" oder „Finanzintermediäre”
Kontakt: Knud Vöcking, urgewald | knud@urgewald.org | www.urgewald.org
Lifestyle | Geld & Investment, 04.10.2016
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