Die Seekuh
startet durch und säubert die Meere

Und es kommt noch schlimmer: Plastikmüll hat eine Lebensdauer von bis zu 450 Jahren und gelangt letztlich als Mikroplastik (kleinste Teilchen) durch die Nahrungs- aufnahme der Fische auch in unsere Nahrungskette. Damit schadet Plastik in den Ozeanen nicht nur dem fragilen Ökosystem, sondern insbesondere auch uns Menschen. Um dieses drängende Menschheitsproblem zumindest ansatzweise zu bekämpfen, hat Günther Bonin, der Gründer der Umweltorganisation One Earth – One Ocean e.V., vor fünf Jahren das Konzept der „Maritimen Müllabfuhr" entwickelt, bei dem der Plastikmüll von Spezialschiffen aus dem Meer gefischt und wiederverwertet wird. Die Seekuh, die für den Einsatz in küstennahen Regionen und Flussmündungen konzipiert ist, ist nun das erste seetaugliche Forschungs-, Reinigungs- und Aufklärungsschiff dieses Konzepts.
Von der Idee zum fertigen Schiff
Mehr als drei Jahre hat es gedauert, die Seekuh von einer visionären Idee zur Wirklichkeit werden zu lassen. Von der Konzeption der Maritimen Müllabfuhr mit ihren Spezialschiffen, über die konkrete Planung der ersten Seekuh bis zu deren langwierigen Finanzierung durch Spenden, von der Genehmigung durch die entsprechenden Verwaltungsorgane, über die Schiffsklassifikation durch die DNV GL bis hin zum Bau auf der Werft zogen die Monate ins Land. Doch Günther Bonin glaubte fest an seine Idee, leistete geduldig Überzeugungsarbeit an allen Fronten und ließ sich auch von Rückschlägen und Zeitverzögerungen nicht entmutigen. Nun hat er allen Grund stolz zu sein, denn das Spezialschiff ist weltweit einmalig.

Die Finanzierung war ein Meisterwerk
Neben unzähligen Kleinspenden ermöglichten vor allem die Röchling Stiftung aus Mannheim und die Deutsche Telekom den Bau des Schiffes. Während die Deutsche Telekom die Konstruktionsplanung, Projektleitung und die Zulassungskosten für den DNV GL übernahm, finanzierte die Röchling Stiftung zu einem Großteil den Rohbau der Seekuh. Von Michael Röchling stammt auch die Idee, überall dort, wo der Verschmutzungsgrad besonders hoch ist, Fischern kostenlos Spezialnetze, die keine Tiere fangen, zum Abfischen des Plastikmülls zur Verfügung zu stellen. So könnten zwei Trawler mit einem dazwischen gezogenen Netz bis zu 200 Tonnen Plastikmüll am Tag einsammeln.
Während die Verarbeitung des Kunststoffes derzeit noch an Land passiert, sieht das Projekt zu einem späteren Zeitpunkt vor, große Energieschiffe mit ihren HOCHSeekuh-Begleitschiffen auf See zu positionieren, die das Plastik mit Hilfe von Satellitenortung erkennen, einsammeln und direkt an Bord des großen Schiffes in leichtes, schwefelfreies Heizöl, Gas und Strom weiterverarbeiten („Waste to Energy"). Eine Tonne Kunststoff kann so in 900 Liter Erdöl zurückverwandelt werden. Mit der Energie könnte zudem Salz- in Trinkwasser umgewandelt werden. Was liegt näher, als dass die Energieschiffe dann auch große Häfen in Schwellen- und Entwicklungsländern anlaufen und den Menschen dort ihren Plastikmüll abkaufen, um im Gegenzug Öl, Gas und Wasser zu liefern. „Ich bin sehr stolz, nach fünf Jahren der Überzeugungsarbeit nun endlich die Seekuh fertig und im Wasser zu haben, um die Öffentlichkeit auf das dringende Problem des Plastikmülls und des Marine Littering hinzuweisen”, erklärt Günther Bonin, „Mit der Taufe der Seekuh in Kiel wurde der erste wichtige Schritt getan, doch das System wird in Zukunft weiter ausgebaut und perfektioniert. Mein großer Dank gilt all jenen, die mich und meine Idee über Jahre begleitet, unermüdlich geholfen und nicht zuletzt Geld bezahlt haben, um dieses Projekt Wirklichkeit werden zu lassen."
Auch ölverseuchte Gewässer umweltfreundlich reinigen

2015 hat der Umweltverein in einem Pilotprojekt begonnen, stark ölverschmutzte Bereiche des Nigerdeltas zu reinigen. Seit Jahrzehnten wird dort Öl gefördert und die Natur durch veraltete Technik, unzureichende Wartung und Lecks an den Förderanlagen und Pipelines stark verschmutzt. Die Umweltschäden dort sind immens und Experten schätzen, dass mehr als zwei Millionen Tonnen Rohöl ins Ökosystem des Nigerdeltas gelangt sind und so die Lebensgrundlagen vieler Bauern und Fischer zerstört haben.
Eine neue Lebensgrundlage schaffen
Niemand will helfen, die Umwelt im Delta zu säubern und seit die islamistische Terrorgruppe Boko Haram in Nigeria ihr Unwesen treibt, hat sich die Situation noch verschärft. Für One Earth – One Ocean ein untragbarer Zustand und im Frühsommer 2015 haben Mitarbeiter des Vereins Regierungsvertretern und dem Umweltminister vor Ort bewiesen, dass eine Reinigung mit Hilfe des Bindemittels funktioniert. Unterstützt wird der Verein von Nnimmo Bassey, dem bekannten nigerianischen Umweltschützer und Träger des Right Livelihood Awards (Alternativer Nobelpreis).

Frank Brodmerkel ist Inhaber einer Kommunikationsagentur in München, kommuniziert seit 2011 zu den Themenbereichen Cleantech, Erneuerbare Energien, Technologie und Umwelt sowie Nachhaltigkeit und Bürgerdialog. Damit unterstützt er vor allem mittelständische Unternehmen und Start-ups aus dem Technologieumfeld.
Gesellschaft | Pioniere & Visionen, 01.11.2016
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2016 - Klima, Krieg und gute Taten erschienen.

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forum 02/2025 ist erschienen
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