Mit dem Gleitschirm ins Glück

Maisbrei, Rauch und Social Business

Mr. Social will armen Bauern in Kenia helfen und den Raubbau an der Natur stoppen. Mrs. Business achtet streng auf Hilfe zur Selbsthilfe und gibt Handwerkern eine Start­rampe für ein eigenes Unternehmen. forum erzählt die faszinierende Erfolgsgeschichte von SOFIs WORLD in Afrika.

Foto: © SOFIs WORLD – Social Finance

Die Luft Afrikas kocht und schüttelt ihn und seinen Gleitschirm herzhaft durch. Die sich aufbauenden Gewitterwolken erzeugen bereits einen Sog in die Höhe, der gute Flugerfahrung fordert. Als sich in der Ebene eine immense Wolke abregnet, entscheidet er sich zu einer Sicherheitslandung in einem abgelegenen Maisfeld. Kaum zur Ruhe gekommen, versammeln sich dutzende Menschen aus den benachbarten Dörfern um ihn herum. Sie staunen. Sie jubeln. Und wollen den Segen von dem Mann, der gerade vom Himmel gefallen ist.

Dicke Luft beim Maisbrei
Da es über eine Stunde dauert, bis er mit jemandem zum Startplatz zurückfahren kann, nimmt er gerne die Einladung zum Ugali-Maisbrei an. In der Küche beißt der Qualm des Holzherds in den Augen und ein starker Hustenreiz breitet sich in ihm aus. Auch die Kinder, die sich neugierig um ihn drängen, müssen regelmäßig husten. Glücklicherweise darf heute mit dem Gast im Wohnzimmer gespeist werden. Trotz- dem hat die einfache Mahlzeit einen bitteren Beigeschmack und spätere Recherchen zeigen, dass jährlich weit über zwei Millionen Menschen durch Rauchgasvergiftungen sterben.

Ein Entrepreneur sucht die Lösung
Der Münchner Druckereiunternehmer und passionierte Gleitschirmflieger Klaus Haegler beginnt, sich intensive Gedanken über Lösungsansätze zu machen. Mr. Social regt an, dass er mehr für andere und sich selbst tun kann. Mehr, als nur diverse Spenden zu verteilen. Genau zu dieser Zeit trifft er auch Quirin Walter, der in Kenia seit 15 Monaten die Möglichkeiten der Biogaserzeugung und -nutzung für Kleinbauern erforscht. Gemeinsam erarbeiten sie ein Konzept für eine effektive und effiziente Entwicklungshilfestrategie. Mit der Gründung einer Stiftung möchte Klaus die finanziellen Grundlagen schaffen. Diese sollen Quirin ermöglichen, vor Ort mit dem Biogasprojekt zu starten.

Social Business statt Almosen
Mrs. Business ist sich bewusst, dass es nicht zukunftsträchtig ist, nur Almosen in Entwicklungsländern zu verteilen. Daher sollen ökonomisch nachhaltige Investitionen gefördert und ein Social Business aufgebaut werden. Dazu gehört es auch, dass die Einheimischen informiert und ausgebildet werden und für die nötigen Anschaffungen ihren Eigenanteil leisten. Mr. Social fordert und fördert intensive Aufklärungsarbeit und sieht die wirtschaftlichen Vorteile erst mittelfristig. Das Abenteuer beginnt.

Dezember 2010 – Geld für den Aufbau
Der Münchner Druckereiunternehmer und Gleitschirmflieger Klaus Haegler fliegt in Afrika, landet auf den Feldern von Kleinbauern und erfährt dort, dass meist mit gestohlenem, feuchtem Holz gekocht wird. Die Folge: Raubbau an der Natur und Rauchvergiftungen. Daraufhin beschließt er, Handwerker auszubilden und Biogasanlagen zu bauen. // Foto: © SOFIs WORLD – Social FinanceDie Stiftung SOFIs WORLD – Social Finance wird gegründet. Die Organisationsphilosophie ist: Hilfe zur Selbsthilfe durch Ausbildung und Schaffung neuer Arbeitsplätze, unter nachhaltigen ökologischen und ökonomischen Prinzipien. Die ersten Finanz- mittel werden von der Stiftung bereitgestellt und das Projekt Biogas Taita startet. Vorrangig aus Kuhdung soll Gas für Küche und Beleuchtung erzeugt werden. Als „Ab- fall" entsteht neben dem Gas hochwertiger Biodünger, ein wertvolles Produkt für die Nutzgärten der Bauern. Der flächendecken- de Raubbau des Regenwaldes, ein hoher CO?-Ausstoß und die Gesundheitsgefährdung könnten in diesem Zuge verringert werden. Auch die Kostenlast für Brennholz und Strom wollen Klaus und Quirin mit ihrem Projekt für die Bevölkerung senken. Denn nur so kann auch die wirtschaftliche Existenzgrundlage der Einheimischen verbessert werden. Aber das größte Anliegen von SOFI ist es, Handwerker vor Ort zu eigenen Unternehmen zu verhelfen.

März 2011 – Nun kommt weitere Unterstützung vor Ort
Einen Riesenfortschritt erzielt das Projekt, als zwei halbstaatliche kenianische Organisationen gewonnen werden, die den Bau von Kleinbiogasanlagen subventionieren. Sie stellen den Bauern 50 Prozent der Gesamtkosten zur Verfügung. SOFIs WORLD bildet nun dutzende Handwerker zu selbstständigen Biogasunternehmern aus. Diese akquirieren anschließend selbst ihre Kunden und bauen unter Anleitung die ersten standardisierten Anlagen.

Dezember 2013 – Bereits 250 Anlagen in Betrieb
Der Erfolg ist unglaublich. Innerhalb von drei Jahren entstehen 250 Anlagen. Da die Coast Province das Konzept und die Technologie nun als etabliert ansieht, stellen die halbstaatlichen kenianischen Organisationen die Subventionen ein. Ein schwerer Rückschlag für Biogas Taita.

Sommer 2014 – Kettenreaktion im Merry Go Round
Aufgrund der Verdoppelung der Investitionskosten geht die Nachfrage nach neuen Biogasanlagen um 75 Prozent zurück. Daher entwickelt SOFIs WORLD ein Ansparmodell für Gruppen – unter der Anwendung des afrikanischen Brauchs „Merry Go Round". Einer zehn- bis 20-köpfigen Gruppe von Kleinbauern, die jeweils eine Biogasanlage bauen wollen, werden dabei ein bis zwei zinslose Kleinkredite für den Bau einer Anlage zur Verfügung gestellt. Während die Restgruppe kleine Monatsbeträge anspart, müssen die Mitglieder, die durch den Kredit schon eine Anlage bauen konnten, deutlich höhere Einzahlungen tätigen. Diese können sie durch die Einsparungen der vermiedenen Brennholzkosten aufbringen. Sobald wieder die Einzelkreditsumme angesammelt ist, kann das nächste Mitglied eine eigene Anlage bauen. Das Projekt wird von der Stiftung Urbis Foundation mitfinanziert. Mr. Social lobt die Unabhängigkeit von hohen Bankzinsen und Mrs. Business freut sich über die Ankurbelung der regionalen Wertschöpfung.

Januar 2015 – Es wird weiter geforscht
Ernüchterung tritt ein, als erkannt wird, dass steigende Bevölkerungszahlen und wachsender Hygiene- bedarf den Energiehunger weiter antreiben. Wenn nach mehreren Stunden Kochen das Biogas zur Neige geht, wird Wasch-, Spül- und Duschwasser wieder mit Brennholz erhitzt. Mr. Social empfiehlt die Projekterweiterung mit Solarthermie. Und Mrs. Business sieht neue Chancen, weitere sinnvolle Arbeits- plätze zu generieren. Mit Unterstützung der Hans Sauer Stiftung wird ein Forschungsauftrag zur Produktentwicklung für regional hergestellte Solarthermieanlagen ausgerufen. Vier Freiwillige untersuchen über das gesamte Jahr hinweg verfügbares Baumaterial, mögliche Konstruktionsarten und einfach wartbare Systemtechniken. Es werden Alternativmodule gebaut, bei Probefamilien installiert und im Dauerbetrieb gemessen und getestet.

Als das nicht reicht, entscheidet er sich, auch noch regionale Heißwasserkollektoren zu entwickeln und zu produzieren. Damit schafft er sinnvolle Arbeitsplätze und es konnte bereits eine große Werkstatt gebaut werden. // Fotos: © SOFIs WORLD – Social Finance

Dezember 2015 – 1.000 Tonnen Brennholz gespart
Mittlerweile sind 350 Biogasanlagen in Betrieb. Eine intensive Evaluation und auch die Weiterbildung der Biogasbauern verbessern Effizienz und Qualität. Eingespeist werden neben tierischen nun auch vermehrt menschliche Fäkalien, sowie Küchen- und Gartenabfälle. Das Resultat ist bereits eine jährliche Einsparung von über 1.000 Tonnen Brennholz und 1.500 Tonnen CO2. Eine stolze Bilanz für das Projekt, das aus einem Gleitschirmflug und einer zufälligen Landung entstand.

Januar 2016 – Die neue Werkstatt
Der Projektantrag beim BMZ über eine 75-prozentige Mitfinanzierung wird gerade rechtzeitig abgesegnet und der Bau einer Ausbildungs- und Produktionswerkstatt beginnt. Diese soll zur Herstellung von Solarthermiemodulen für die Heißwassergewinnung dienen. Mit dem Erwerb eines Grundstücks kann das 120 Quadratmeter große Gebäude, mit Einbindung von Lehm- und Holzbau, errichtet werden.

August 2016 – Ausbildungsplätze schaffen
Die erste Trainingsphase in Zusammenarbeit mit den umliegenden Polytechnic-Berufsschulen wird gestartet. Mit einer staatlich anerkannten Handwerksausbildung können 20 Schüler die Holz-, Metall- und Glasverarbeitung praxisorientiert erlernen. Gute und interessierte Teilnehmer haben die Chance, sofort eine Stelle in der anlaufenden Produktion der Solarmodule zu erhalten. Das motiviert ungemein. Währenddessen gibt es Schulungen für Direktvertrieb, Kundenberatung und Installation.

Zielvorgabe für 2017
Mrs. Business hofft, dass neben der Produktion auch das Marketing und der Vertrieb erfolgreich vor Ort umgesetzt werden können. Auf diese Weise soll der Betrieb möglichst bald finanziell unabhängig sein. Mr. Social sieht die Chance, dass mit dem zusätzlichen Verkauf von Photovoltaikanlagen eine umfassende ökonomische Grundlage geschaffen werden kann, um den Einheimischen günstige alternative Energiequellen zur Verfügung zu stellen. Außerdem soll das Umweltbewusstsein der Bevölkerung durch Informationsveranstaltungen gefördert werden. Der Raubbau der letzten Ressourcen in der fruchtbaren Region der Taita Hills soll so gestoppt werden damit sich die verbliebenen Regenwälder wieder regenerieren und ausbreiten können. Mit dieser Vision vor Augen hebt Klaus, der vom Drucker zum Stifter und Sozialunternehmer wurde, wieder ab. Mit seinem Gleitschirm steigt er auf in die heiße Luft über Kenia. Unter ihm gleitet die schützenswerte Bergwelt der Taita Hills vorbei. Und er weiß, dass ihm bei der nächsten Landung freundlich-neugierige Bauern begegnen werden. Mit Gastfreundschaft und Geschichten und Meinungen und Inspirationen. Und den Maisbrei kann er sich dabei in einer rauchfreien Küche schmecken lassen.

www.sofisworld.net

Lennart Zech hat Journalistik studiert und ist derzeit vor Ort in Kenia. Mit seinem Engagement für SOFIs WORLD möchte er der Welt ein Stück von dem zurückgeben, was er in seinen 23 Lebensjahren bisher von ihr bekommen hat.

Ihre Möglichkeiten zum Engagement
SOFIs WORLD – Social Finance bietet Firmen exklusive Projektpatenschaften im Bereich Biogas und Solarthermie an. Ausführliche Foto- und Textdokumentationen helfen Businesspartnern, ihr Engagement in der internen sowie externen Kommunikation deutlich darzustellen. Ein Beispiel dafür ist die Firma Barnhouse, ein Hersteller von Bio Krunchy. Beteiligungen jeglicher finanzieller Art sind möglich. Des Weiteren bietet SOFIs WORLD hervorragende individuelle Möglichkeiten der Freiwilligenarbeit im In- und Ausland an. So wurden im Projektbereich schon einige Diplom-, Master- oder auch Bachelorarbeiten erstellt. Es gibt vielseitige, herausfordernde und erfüllende Tätigkeiten im Freiwilligenjahr, Studiumspraktika oder auch Managementsabbatical.

Kontakt: klaus.haegler@sofisworld.net 


Wirtschaft | Mr Social und Mrs Business, 01.11.2016
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2016 - Klima, Krieg und gute Taten erschienen.
     
        
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