Stadt der Zukunft
Futuristisch oder sanierter Altbau?


Sanieren oder neu bauen?
Statt neue Gebäude und Infrastrukturen zu errichten, wird deshalb immer stärker die Forderung laut, mehr von den – teilweise sogar leerstehenden – Gebäuden in den Stadtkernen nachhaltig zu sanieren. Dagegen spricht oft der Mehraufwand, der sich im Vergleich zu einem Neubau ergibt, und damit eine zweifelhafte Rentabilität für Investoren, die zwar ihr Geld gerne in nachhaltige Projekte investieren, aber auf der anderen Seite auch Gewinn machen wollen.
Für den Neubau eines „Haus der Zukunft" spricht viel, denn es kann nicht nur energieautark sein, sondern im Verbund mit anderen Bauten in neuen Stadtvierteln sogar überschüssige Energie abgeben. Die Energiegewinnung erfolgt dabei über viele Quellen: Dächer werden mit Photovoltaik-Paneelen und Kollektoren ausgestattet, Geothermie wird genutzt sowie Abluft- und Abwasserwärme gesammelt und weiterverwertet. Die thermische Aktivierung tragender Bauteile aus Beton bietet hier eine innovative Speichermöglichkeit. Doch im Rahmen der Präsentation der Gesamtergebnisse aus 13 Jahren Forschungsprojekt „Haus der Zukunft" konstatiert Dipl.-Ing. Prof. Christoph Achammer, Leiter des Forschungsbereiches Industriebau und Interdisziplinäre Bauplanung an der Technischen Universität Wien, ganz klar:
„Das nachhaltigste Haus ist noch immer jenes, das nicht gebaut wird."

Verbrauchstechnisch gesehen kann fast jedes Bestandsobjekt durch Installation von Doppel- oder sogar Dreifachverglasungen, Dämmung der Außenwände, Ausbau und vollständige Isolierung des Dachgeschosses sowie der Kellerdecke und Installation moderner Anlagen zur Belüftung und Feuchtigkeitsregulierung zumindest auf den Standard eines Niedrigenergiehauses gebracht werden. Doch da die Österreichische Baukultur primär auf der Architektur der Gründerzeit beruht, stehen speziell in den Großstädten viele Wohn- und auch Industriegebäude unter verschärftem Denkmalschutz. Strenge Auflagen zur Erhaltung des Originalerscheinungsbildes müssen bei der Sanierung berücksichtigt werden. Der Spagat zur Erreichung bestmöglicher Energieeffizienz bei gleichzeitiger Einhaltung aller Vorschriften ist oft kompliziert und kostspielig. Davor schrecken Investoren und Eigentümer zurück. Insbesondere, da die Sanierungskosten aufgrund des Mietrechtsgesetzes, das maximale Mieten für Altbauten vorgibt, nicht oder nur zum Teil durch Mieteinnahmen refinanziert werden können.
Doch es sind gerade diese Gebäude, die über die Erreichung der Klimaziele im Wohnbereich entscheiden und dringend einer zukunftsfähigen Wohnraumnutzung zugeführt werden müssen.
Standards für nachhaltiges Bauen und Sanieren sind gefragt
klima:aktiv, eine Initiative des österreichischen Lebensministeriums, möchte bis 2020 in Österreich 20 Prozent mehr Energieeffizienz erreichen und hat zu diesem Zweck auch für nachhaltiges Bauen und Sanieren Standards entwickelt. Diesen liegt ein Kriterienkatalog zugrunde, der Interessenten an Wohn- und Gewerbeobjekten, aber auch Bauträgern, Architekten und Stadtplanern verbindliche Bewertungs- und Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Bautätigkeit zur Verfügung stellt. Gebäude werden dabei nach einem Punktesystem vor allem zu den Hauptkriterien Energieeffizienz, Klimakomfort und der Verwendung ökologischer Baustoffe beurteilt. Damit liefert klima:aktiv einen großen Beitrag, um Wohnbau und Sanierungen umweltverträglicher planen und realisieren zu können. Bei einer direkten Kooperation mit klima:aktiv im Bereich Beratung und Planung kommen Sanierungsmaßnahmen sogar in den Genuss von erhöhten staatlichen Förderungen. Doch darüber, ob und welche Altbauten für ein Sanierungsprojekt wirklich interessant sind, gibt der klima:aktiv-Kriterienkatalog nur in technischer Hinsicht Auskunft. Da er von der Energieeffizienz als Hauptbewertungskriterium ausgeht, erweckt er oft einen negativeren Eindruck von der Sanierungswürdigkeit, als es der Realität entspricht. Soziale Aspekte wie Standort, Infrastruktur und Lärmbelastung nehmen ebenso wenig Einfluss auf die Gebäudebeurteilung wie die Mieterstruktur, das Vorhandensein einer Gebäudehistorie und bereits existente Zertifizierungen als Vorleistung.
Ein umfassendes Ratingsystem für Wohnbauinvestitionen ist nötig

Um dieser Zielsetzung entsprechen zu können, gab Zeilinger die Entwicklung eines eigenen Ratings für Wohnimmobilien in Auftrag, bei dem neben ökologischen und energetischen vor allem auch soziale und gesellschaftliche Aspekte berücksichtigt werden. Ausgearbeitet wurde dieser Kriterienkatalog von Dipl.-Ing. Erich Reiner, einem gerichtlich beeideten Sachverständigen für Immobilienbewertung und Nutzwertgutachten aus Vorarlberg. Sein Zugang ist ganzheitlich, woraus sich vor allem bei der Bewertung von Bestandsobjekten Unterschiede zu den Resultaten ergeben, die mit dem klima:aktiv-Kriterienkatalog in der Hand erzielt werden.
Open Source auch im Bauwesen
Zeilinger ist mit dem Ergebnis zufrieden: „Im Bereich Immobilien war es früher ausgesprochen schwierig, die richtigen Objekte auszusuchen; der neue Kriterienkatalog hilft uns nun sehr bei der Auswahl. Wir sind der Meinung, dass man als verantwortungsbewusste Vorsorgekasse nicht nur in Neubauten investieren darf. Die ,Stadt der Zukunft’ wird auch auf vorhandener Bausubstanz basieren, und die darf nicht zugunsten der überbordenden Errichtung von Neubauten vernachlässigt werden, sonst geht unser Kulturgut stückweise verloren. Auch erhaltenswürdige Objekte verlieren dann so lange an Wert, bis sie nur noch abgerissen werden können." Dass das Eliminieren von älteren Wohnhäusern und die damit verbundene Absiedelung von Mietern nicht nur sozial bedenklich, sondern auch mit Umweltbelastung wie Lärm, Staub und hohem Abfallaufkommen verbunden sind, steht außer Diskussion. Hingegen können die vollständige thermische Sanierung und die Installation hausinterner Vorrichtungen zur Gewinnung erneuerbarer Energien auch aus einem günstig erworbenen Altbau ein Vorzeigeobjekt in Bezug auf Wohnqualität, Umweltverträglichkeit und planbarer Wertsteigerung machen. Um auch andere Investoren und Bauträger zu motivieren, einen Beitrag zur Erhaltung traditioneller Baukultur zu leisten, hat fair-finance seinen Kriterienkatalog und das daraus entwickelte Ratingsystem für jeden Interessierten kostenfrei als PDF-Datei auf seiner Homepage veröffentlicht.
„Ohne eine fundierte Kalkulationsbasis für Investoren, die sich wie wir für Nachhaltigkeit einsetzen, werden viele, in Wahrheit durchaus attraktive Bestandsobjekte unnötigerweise dem Verfall preisgegeben", erklärt Markus Zeilinger seinen modernen Open-Source-Ansatz und lädt ein, das System gemeinsam laufend weiterzuentwickeln. Für dieses Engagement und für ihre nachhaltigen Investments wurde Zeilingers fair-finance von der ÖGUT (Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik) zertifiziert und mit der bestmöglichen Bewertung ausgezeichnet.
www.fair-finance.at. Den Kriterienkatalog erhalten Sie dort kostenlos zum Download.
Gesellschaft | Green Cities, 01.11.2016
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2016 - Klima, Krieg und gute Taten erschienen.

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