Von der Unvermeidbarkeit der digitalen Transformation
Ein Beitrag von Claudia Nemat, Vorstand Technologie und Innovation, Deutsche Telekom.
Noch vor wenigen Jahren dominierten Banken und Ölgesellschaften die einschlägigen Rankings der größten Unternehmen der Welt. Heute stehen dort auch sogenannte Tech-Unternehmen wie Google, Apple, Amazon, Microsoft und Facebook auf den Top-Positionen. Zugleich erhalten Start-ups, wie Uber oder Airbnb, Bewertungen in einer Höhe, die etablierte DAX-Unternehmen in den Schatten stellen.
Wer kennt nicht die Erfolgsgeschichten innovativer, technologiegetriebener Unternehmen? Dagegen steht eine Fülle von Studien, die auf die Gefahr hinweisen, den technologischen Wandel zu verschlafen. In Deutschland trifft dies dem Vernehmen nach ganze Industriezweige, etwa die Automobilindustrie, den Maschinenbau oder auch den viel zitierten Mittelstand.
Was ist also an dem Schreckgespenst dran, dass etwa Tesla, Apple und Uber deutsche Autoproduzenten wie Daimler, BMW und Volkswagen in Zukunft die Butter vom Brot nehmen werden?
Nicht neu ist, dass sich die Produktionsbedingungen von Unternehmen mit der Zeit ändern. Joseph Schumpeters hat sich mit diesem Phänomen schon vor gut 100 Jahren beschäftigt und später den Begriff creative destruction (auf deutsch: schöpferische Zerstörung) etabliert: neue Strukturen ersetzen alte. Dabei ist die schöpferische Zerstörung kein Selbstgänger, sondern wird durch Innovation ausgelöst.
Neu allerdings ist die Digitalisierung als Innovationsquelle. Neu ist auch, dass die Digitalisierung sehr tiefgreifende, wenn nicht sogar fundamentale Änderungen ermöglicht und provoziert. Die Einführung des Fließbandes oder des Containers, haben Produktionsprozesse und Logistik weltweit revolutioniert. Die Digitalisierung hat das Potential neben Produktion und Logistik ganze Geschäftsmodelle, etablierte Wertschöpfungsketten, die Organisation von Unternehmen, die Steuerung einzelner Gewerke, die Arbeit an sich, Mobilität, Kommunikation, Vertrieb und Zahlungsverkehr umzuwälzen.
So sind Zweifel angebracht, ob das über Jahrzehnte etablierte und gewachsene Geschäftsmodell der Autohersteller – nämlich Autos an Kunden zu verkaufen – in Zukunft Bestand haben wird. Was, wenn Menschen Mobilität lieber als Service nutzen, für den sie pro gefahrene Kilometer oder genutzte Stunde zahlen? Ähnliche Servicemodelle spielen derzeit Maschinen- und Anlagenbauer oder die Hersteller von Windkrafträdern mit ihren Kunden durch. Verkauft würde nicht mehr die Maschine oder das Windrad, sondern produzierte Einheiten; die Zahlung könnte über eine Umsatzbeteiligung erfolgen.
Es ließen sich viele weitere Beispiele der digitalen Innovation nennen, von selbstfahrenden Autos über Supermärkte ohne Kassen oder Waschmaschinen, die dann laufen, wenn der Strompreis günstig ist. Möglich macht all dies die Kommunikation von mit Sensoren ausgestatteten Maschinen mit Maschinen und Menschen, die über digitale Netzwerkinfrastrukturen verbunden sind.
Zugleich ist die tatsächliche Innovationskraft der Digitalisierung heute noch nicht fassbar. Mit 5G stehen bald größere Bandbreiten, kürzere Latenzzeiten und die Möglichkeiten Billionen von Sensoren effizient zu managen zur Verfügung. Das Potential künstlicher Intelligenz, Daten auszuwerten und nutzbar zu machen, scheint nach heutigen Maßstäben geradezu grenzenlos zu sein.
Wenn es also richtig ist, dass Innovation durch Digitalisierung fundamental, jedenfalls aber tiefgreifender ist, als vorherige Innovationsschübe, dann sollten wir uns abgewöhnen von Digital- oder Tech-Unternehmen zu sprechen. Vielmehr sollten wir uns klar machen, dass Unternehmen sich entweder der digitalen Transformation stellen und erfolgreich meistern, oder aber ihre Marktposition verlieren werden, wenn nicht gar der Konkurs droht. Insofern wird es bald nur noch sogenannte Tech-Unternehmen geben.
Das gilt übrigens auch für die Deutsche Telekom. Technisch fehlerfrei funktionierende und auch sichere Infrastrukturen, die den gewachsenen und stets ändernden Anforderungen der Datenübermittlung genügen, sind Voraussetzung. Gelingt es der Deutschen Telekom hier eine Führungsrolle einzunehmen, können wir Schrittmacher der digitalen Transformation werden. Und, es bieten sich Möglichkeiten für neue, innovative Geschäftsmodelle und Produkte. Versagen wir allerdings, werden andere reüssieren.
Übrigens war es stets Konsens, dass Innovationskraft ein wesentlicher Erfolgsgarant der deutschen Wirtschaft war, unabhängig der Branchenzugehörigkeit. Das ist ein gutes Zeichen, weil Offenheit für Innovationen und Änderungen eine Frage der Haltung ist. Die erfolgreiche Umsetzung der digitalen Transformation erfordert allerdings Kompetenzen und Fertigkeiten, die nicht unbegrenzt verfügbar sind. Insofern wird die digitale Transformation Kooperationen und Koalitionen über Unternehmen und Branchen hinweg mit sich bringen. Wir können also nicht nur Schrittmacher, sondern auch Matchmaker sein.
Quelle: Deutsche Telekom AG
Gesellschaft | Megatrends, 25.01.2017
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