BIOFACH 2025

Weitergabe von Lebensmittelüberschüssen keine Lösung gegen Verschwendung, Abfall und Armut

Die Ausgabe an Bedürftige kann nur eine "vorübergehende Notlösung" sein.

Englische Wissenschaftler zeigen in einem neuer Studie, dass die von Regierungen auferlegte Weitergabe überschüssiger Lebensmittel an Essensausgabestellen und Wohltätigkeitsorganisationen durch Supermärkte keine langfristige Lösung gegen Armut, Lebensmittelverschwendung oder Abfallprobleme darstellt.
 
Eine von Professor Martin Caraher der City, University of London und Dr Sinéad Furey von der Ulster University verfasste Studie untersucht die vorhandenen Daten und die Forschung zum Thema Lebensmittelverschwendung, Ernährungsarmut, Essensausgabestellen und Lebensmittelspenden von Unternehmen. Die Weitergabe der überschüssigen Lebensmittel an Essensausgabestellen sei nur eine "vorübergehende Notlösung", meinen die Autoren, denn man löse weder die Bedürfnisse armer Menschen, noch werde man dem Problem der Lebensmittelverschwendung gerecht. Die von der Food Research Collaboration (City, University of London) veröffentlichte Studie (paper) kommt zu der Erkenntnis, dass ein großangelegtes System der Lebensmittelspenden sogar negative Konsequenzen für die Gesundheit der Hilfsbedürftigen haben, und sich zudem auch sozial negativ auswirken könne.
 
Die strukturellen Ursachen der Armut sollten lieber besser bekämpft werden
Im Ergebnis der Studie empfehlen die Wissenschaftler den Regierungen zu bedenken, dass eine Umverteilung überschüssiger Lebensmittel "schlecht durchführbar und kaum moralisch vertretbar" sei, und zudem vom eigentlichen Problem ablenken würde. Vielmehr sollten die Regierungen die strukturellen Grundursachen von Armut bekämpfen. Die Autoren denken zudem, dass die parlamentarischen Diskussionen Großbritanniens über Unternehmenslebensmittelspenden vor allem deswegen aufkamen, weil Frankreich und Italien ein Gesetz verabschiedeten, mit dem Supermärkte verpflichtet wurden, überschüssige Lebensmittel an Wohltätigkeitsorganisationen abzugeben.
 
Ergebnisse der Studie:
Es sei erniedrigend, ein Zweiklassensystem zu praktizieren, in dem der Großteil der Bürger Nahrungsmittel in gesellschaftlich akzeptabler Weise wählen kann, und für andere diese Auswahl an ihrer Stelle getroffen würde. Die Weitergabe der überschüssigen Nahrungsmittel löse weder die Fehlfunktion des Ernährungssystems oder Umweltprobleme, noch würde dadurch eine langfristige Reduzierung des Überschusses oder des Abfalls bewirkt. Es gibt noch nicht genügend Forschungsarbeiten über die Langzeitwirkung von Spenden auf die Gesundheit der Bürger und auf die Ernährungsunsicherheit, aber es bestünden kurzfristige Vorteile für Einzelpersonen. Mit dem Befürworten der Abgabe überschüssiger Lebensmittel würde die Regierung von ihrer moralischen Pflicht, eine soziale Sicherung zu garantieren, entbunden werden, und diese an die Wohltätigkeitsorganisationen und Unternehmen weitergeben.
 
Die Versorgung mit überschüssigen Nahrungsmitteln von Supermärkten sei nicht planbar und die Unterstützungsempfänger würden nach den individuellen Interessen der Wohltätigkeitsorganisationen bestimmt werden.
 
Die Gesetzgebung, die vorsieht, dass überschüssige Lebensmittel abgegeben werden, müssen sei nur eine kurzfristige Notlösung und keinesfalls der richtige Weg, um der Problematik Hunger und dem Menschenrecht auf Nahrung gerecht zu werden.
 
Die Produktion von Warenüberschuss müsse stattdessen wirtschaftlich sanktioniert werden
Die Autoren sind der Überzeugung, dass die Probleme der Lebensmittelverschwendung und der Ernährungsunsicherheit von den Politikern separat und mit systematischen Lösungen für jedes Problem einzeln angegangen werden müssen und dies auch so in den Medien dargestellt werden sollte. Sie argumentieren, dass die Lösung nur darin bestehen kann, dass die Produktion von Überschuss bestraft wird, wie z.B. durch Deponiesteuern, und nicht in der Gewährung von Steuervergünstigungen bei Lebensmittelspenden liegen kann. Zu der Ernährungsunsicherheit sagen die Autoren, dass nur eine umfassende Bereitstellung an Sozialversorgung eine Lösung bietet, und meinen, dass die Regierung dafür Sorge tragen muss, dass verspätete Leistungszahlungen und Sanktionen nicht dazu führen, dass Familien auf die Tafeln angewiesen seien, und dass die Lücke zwischen den Einkünften und den Lebensmittelkosten geschlossen werden müsse.
 
Professor Martin Caraher dazu: "Die Lösungen für die Lebensmittelverschwendung und Ernährungsunsicherheit sind nicht in der Abgabe des Überschusses und abgelaufener Lebensmittel der Supermärkte an Lebensmittelabnehmer in Not zu finden. Dies wird dem Recht der Armen und Bedürftigen auf eine angemessene und gesunde Ernährung nicht gerecht. Angesichts der vorhandenen Daten behaupten wir, dass die Nachteile dieser Art von Spendensystemen die Vorteile überwiegen. Während die kurzfristige Umverteilung der überschüssigen Lebensmittel an Hilfsbedürftige eine unmittelbare Entlastung liefern mag, gibt es keinen Nachweis dafür, dass sich die Ernährungsunsicherheit dadurch verringert."
 
Zur Food Research Collaboration (FRC)
Die Food Research Collaboration (FRC) ist eine Initiative des Centre for Food Policy (Zentrum für Nahrungsmittelregulierung) der City, Universität London, die von der Esmée Fairbairn-Stiftung gegründet wurde. Die FRC ermöglicht die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern und Gesellschaftsorganisationen (CSOs) zum Zweck der Verbesserung des Nahrungsmittelsystems Großbritanniens. Es ist eine einmalige Zusammenarbeit von 500 Wissenschaftlern und CSO-Mitgliedern. Die Initiative wird vom Zentrum für Nahrungsmittelregulierung (Centre for Food Policy) durchgeführt und geleitet. Die Initiative wird von einem Leitungsausschuss und einem Berater-Panel aus Wissenschaftlern und Experten der Zivilgesellschaft beaufsichtigt und geleitet. Professor Corinna Hawkes, Direktorin des Zentrums für Nahrungsmittelregulierung, ist Vorsitzende des FRC. Professor Tim Lang ist der Gründer und Berater des FRC. foodresearch.org.uk/
 
Kontakt: Pascal Jentsch, NSB Paris | pjentsch@noirsurblanc.com | http://foodresearch.org.uk/

Lifestyle | Essen & Trinken, 02.02.2017

     
        
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