Shareholder Engagement
Die neue Kontrollinstanz?
Im Oxford English Dictionary steht unter dem Begriff „engagement" noch immer als erste Übersetzung „Verlobung", gefolgt von „Einsatz" bis hin zu „Schlacht in einem Krieg". Ganz so martialisch geht es beim Shareholder Engagement, auch Shareholder Action genannt, nicht zu. Dennoch spielen aktive Aktionäre eine immer größere und wichtigere Rolle, wenn es um die Unternehmenspolitik börsennotierter Konzerne geht. Im Duden ist die erstgenannte Bedeutung von „Engagement" übrigens weitaus passender in Bezug auf aktive Aktionäre: „Einsatz aus [weltanschaulicher] Verbundenheit".
Denn genau darum geht es: Aktionäre wollen mehr Kontrolle über das, was in den Unternehmen geschieht, in die sie investieren. Dieser Trend hat sich nach der Finanzkrise, die ungerechtfertigte Boni und Finanzgebaren in Grauzonen zu Tage gefördert hat, drastisch verstärkt. Doch auch in Zeiten guter Konjunktur und hoher Aktienkurse ist Shareholder Engagement, vor allem bei Investoren mit einem nachhaltigen Investmentansatz, ein wichtiges Instrument, um aktiv an der Verbesserung der Beziehung von Wirtschaft und Umwelt zu arbeiten – ökologisch wie sozial. Darüber hinaus hilft aktives Aktionärsverhalten, zukünftige (Investment-)Risiken besser abzuschätzen oder sogar zu verhindern. Aber auch die Unternehmen selbst können davon profitieren, da sie frühzeitig auf Compliance-Risiken hingewiesen werden und Anregungen für eine Verbesserung ihrer Corporate Social Responsability (CSR) erhalten.
Diese Ziele können sowohl durch eine aktive Stimmrechtsausübung bei Hauptversammlungen erzielt werden als auch durch intensive Kommunikation mit den Unternehmen, um diese auf Fehlverhalten oder zu erwartende Kritik aufmerksam zu machen.
Gemeinsame Stärke
Es ist schwer zu sagen, wie viele Investoren tatsächlich auf diese Weise aktiv sind. Für den Bereich „Nachhaltige Investoren" hat die Global Sustainable Investment Alliance (GSIA) zuletzt 2014 in ihrem Global Sustainability Investment Review festgehalten, dass bei weitem die Mehrheit dieser Anleger weltweit nur auf negative Ausschlusskriterien setzen. Aktives Aktionärsverhalten wurde nur bei rund einem Drittel des nachhaltig verwalteten Vermögens festgestellt. Allerdings betonte die GSIA, dass gerade in europäischen Märkten ein Wachstum bei nachhaltigen Investments zu verzeichnen sei. Diese Entwicklung deute auf „eine Veränderung der Einstellung der europäischen Investoren hinsichtlich ihrer Verantwortung als Anleger" hin. Die EU hat unterdessen mit der Überarbeitung der Richtlinie zu Aktionärsrechten (2007/36/EC) versucht, eine aktive Stimmrechtsausübung und die direkte Kommunikation mit Unternehmen zu stärken. Die ab dem nächsten Jahr anstehende Umsetzung der Richtlinie zur Angabe nichtfinanzieller Daten (2014/95/EU) kann den Trend durch die höhere Transparenz weiter fördern.
Gefährliche Größe
Gerade für kleine Investoren gibt es vor allem technische Hürden bei der Stimmrechtsausübung. Einerseits fehlen oft die Ressourcen, um die nötigen Informationen zu sammeln oder sich mit jedem investierten Titel eingehend zu beschäftigen. Andererseits ist eine Stimmrechtsausübung einfach nur bei direkt gehaltenen Aktien möglich. Sobald die Investition über eine Fondsstruktur erfolgt, müsste eine Übertragung der Stimmrechte von der Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) beantragt werden. Nicht alle KVGs bieten das jedoch an.
Aus diesen Gründen hat sich die österreichische fair-finance Vorsorgekasse, die derzeit 370 Millionen Euro an Geldern für die verpflichtende Abfindungsfinanzierung „Abfertigung Neu" verwaltet, eine andere Strategie des Shareholder Engagements überlegt (siehe auch Interview-Kasten): Nicht jedes Stimmrecht wird ausgeübt, dafür werden gezielt solche Unternehmen angesprochen, wo die Analysten problematische Entscheidungen oder Verbesserungspotenzial im Sinne der Nachhaltigkeitsrichtlinien von fair-finance festgestellt haben.
Große Wellen hat ein solches Eingreifen von Investoren im Mai 2016 gemacht, als die großen Pensionsfonds PGGM (Niederlande) und CalPERS (USA) ihren Vermögensverwalter BlackRock kritisierten, weil dieser zu oft bei Hauptversammlungen entgegen seinem eigenen ausgewiesenen Nachhaltigkeitsansatz Position bezogen hat. Die Kritikpunkte wurden durch Gespräche und erhöhte Transparenz geklärt. Die Pensionsfonds schauen aber seitdem allen ihren Vermögensverwaltern genauer auf die Finger.
Barbara Ottawa ist freischaffende Finanzjournalistin in Wien. Sie schreibt vor allem im Bereich Vorsorge und Pensionsfonds für das englischsprachige Magazin „Investment & Pensions Europe" (IPE) sowie das österreichische Kapitalmarktmagazin „Der Börsianer". Nachhaltigkeit und faires Wirtschaften sind sowohl beruflich als auch privat wichtige Schwerpunkte ihres Wirkens.
Lifestyle | Geld & Investment, 01.02.2017
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