Aufruf gegen Patent auf Bier gestartet

Wir brauchen wirksame Verbote im europäischen Patentrecht!

32 Nichtregierungsorganisationen, darunter Slow Food Deutschland e.V., haben einen Aufruf an die Politik gestartet und fordern endlich wirksame Verbote, um Patente auf Pflanzen und Tiere aus konventioneller Züchtung zu verhindern. Konkret wendet sich der Protest gegen Patente für die Brauereikonzerne Carlsberg und Heineken, die 2016 vom Europäischen Patentamt (EPA) erteilt wurden (EP2384110, EP2373154 und EP2575433). Sie erstrecken sich auf Gerste aus konventioneller Züchtung und deren Verwendung durch die Brauereien sowie das damit produzierte Bier. Diese Patente beruhen auf zufälligen Mutationen im Erbgut der Pflanzen. Zwar haben sowohl die EU-Kommission als auch die Regierungen der EU-Staaten jüngst noch einmal klargestellt, dass Pflanzen und Tiere aus konventioneller Zucht nicht patentiert werden dürfen, doch das Europäische Patentamt ist offenbar nicht bereit, sich in Zukunft auch daran zu halten, sondern will weiterhin Patente auf zufällige Mutationen erteilen. Die Organisationen fordern daher, dass die Politik jetzt dafür sorgt, dass die bestehenden Schlupflöcher schnellstmöglich geschlossen werden.
 
32 NGOs haben einen Aufruf gegen das Patent auf Bier gestartet. © pixabay.comDer Einsatz der Gerste soll das Brauen billiger und das Bier länger haltbar machen. Die Brauereikonzerne können somit gleich zweimal verdienen: am Verkauf des Biers und am Anbau der Gerste. Zugleich können sie aber auch andere Züchter daran hindern, eine noch bessere Gerste zu züchten. So weiten die Konzerne ihre Marktmacht weiter aus - zum Schaden von Landwirten, Züchtern, anderen Brauereien und der VerbraucherInnen.
 
"Wenn zufällige Mutationen im Erbgut von Pflanzen ausreichen, um Gerste und Bier als Erfindung zu beanspruchen, stimmt das ganze Patentsystem nicht. Die Politiker sollten diesem Treiben nicht länger zusehen, sondern dafür sorgen, dass in Europa die Interessen der Verbraucher Vorrang vor den Interessen der Konzerne haben", sagt Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland.
 
Geht es nach den Vorstellungen des Europäischen Patentamts, wären aber Pflanzen und Tiere, bei denen natürliche Mutationen entdeckt oder bei denen zufällige Mutationen ausgelöst werden, auch in Zukunft patentierbar. Im Bereich der konventionellen Züchtung beruht etwa die Hälfte der erteilten Patente auf derartigen "zufälligen Erfindungen".
 
"Solange Patente auf Pflanzen und Tiere mit zufälligen Mutationen erlaubt sind, bleibt das Verbot der Patentierung konventioneller Züchtung weitgehend unwirksam. Wir brauchen hier dringend eine Klarstellung seitens der Politik", sagt Ruth Tippe von der Initiative "Kein Patent auf Leben!". "Unsere Recherche zeigt, dass diese Patente einen großen Anteil im Bereich der konventionellen Zucht ausmachen."
 
Die Patente der Firmen Carlsberg und Heineken erstrecken sich nicht nur auf Braugerste, das Brauen von Bier und das Bier selbst, sondern auch auf alle Gerstenpflanzen mit den beanspruchten Eigenschaften, unabhängig davon, wie sie gezüchtet wurden. Deswegen fordern die Organisationen, dass auch die Reichweite der Patente klar begrenzt wird.
 
"Die derzeitige Praxis des EPA bedeutet, dass eine Firma, die beispielsweise per Gentechnik Pflanzen oder Tiere mit bestimmten Eigenschaften herstellt, auch Pflanzen oder Tiere mit diesen Eigenschaften beanspruchen kann, die mit ganz anderen Verfahren gezüchtet oder in der Natur entdeckt werden", sagt Christoph Then für die Koalition "Keine Patente auf Saatgut!". "Wenn man hier keine rechtlich wirksame Grenze zieht, können die Verbote viel zu leicht ausgehebelt werden."
 
Die Organisationen weisen darauf hin, dass das EPA schon in der Vergangenheit aus eigenen wirtschaftlichen Interessen heraus immer wieder versucht hat, die Patentverbote durch juristische Tricks auszuhebeln. Sie fordern, dass die Politik es nicht länger dem EPA überlässt, über die Auslegung der Verbote zu entscheiden.
 
Der Appell wird gestartet von: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL, Deutschland), Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten der Gliedkirchen in der EKD (AGU, Deutschland), Arche Noah (Österreich), Bioland (Deutschland), Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Bund Naturschutz in Bayern (BN), Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW, Deutschland), Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN, Deutschland), Die freien Bäcker, FIAN (Deutschland), Frosamlerne (Dänemark), Gen-ethisches Netzwerk (Deutschland), Katholische Landvolkbewegung Deutschland (KLB, Deutschland), Kein Patent auf Leben! (Deutschland), Keine Patente auf Saatgut! (Europa), Kultursaat e. V. (Deutschland), Landesforeningen Praktisk Økologi (Dänemark), IG Nachbau (Deutschland), IG Saatgut (Deutschland), NOAH - Friends of the Earth (Dänemark), Plataforma Transgénicos Fora (Portugal), ProSpecieRara (Schweiz), PublicEye (Schweiz), Sambucus (Deutschland), Save our Seeds (SOS, Deutschland), SLOW (Dänemark), Slow Food Deutschland (und Dänemark regional), Swissaid (Schweiz), Umweltinstitut München (Deutschland), Verband Katholisches Landvolk e. V. (Deutschland), Zivilcourage (Deutschland).
 
Der Appell richtet sich unter anderem an den deutschen Bundesminister für Justiz, Heiko Maas. Die beteiligten Gruppen und Verbände erwarten, dass die 38 Mitgliedsländer des EPA, zu denen auch Deutschland und die Länder der EU gehören, in der ersten Hälfte 2017 auf einer Sitzung des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation einen Beschluss darüber fassen, wie die bestehenden Verbote in Zukunft ausgelegt werden sollen. Die Nichtregierungsorganisationen fordern, dass Maas sich auf dieser Sitzung für lückenlose Verbote einsetzt. Auch heute und morgen tagt der Verwaltungsrat des EPA in München - Beschlüsse werden allerdings frühestens auf der nächsten Sitzung im Juni 2017 erwartet.
 
Kontakt: Sarah Niehaus, Slow Food Deutschland e.V. | presse@slowfood.de | www.slowfood.de

Lifestyle | Essen & Trinken, 14.03.2017

     
        
Cover des aktuellen Hefts

Pioniere der Hoffnung

forum 01/2025 ist erschienen

  • Bodendegradation
  • ESG-Ratings
  • Nachhaltige Awards
  • Next-Gen Materialien
Weiterlesen...
Kaufen...
Abonnieren...
03
JAN
2025
48. Naturschutztage am Bodensee
Vorträge, Diskussionen, Exkursionen mit Fokus: Arten-, Klima- und Naturschutz
78315 Radolfzell
17
JAN
2025
Systemische Aufstellungen von Familienunternehmen und Unternehmerfamilien
Constellations machen Dynamiken sichtbar - Ticketrabatt für forum-Leser*innen!
online
06
FEB
2025
Konferenz des guten Wirtschaftens 2025
Mission (Im)Possible: Wie Unternehmen das 1,5-Grad-Ziel erreichen
80737 München
Alle Veranstaltungen...
NatuVision Forum

Professionelle Klimabilanz, einfach selbst gemacht

Einfache Klimabilanzierung und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation gemäß GHG-Protocol

Megatrends

Deutsche (Männer) lesen immer weniger
Christoph Quarch wünscht sich eine Kampagne von Buchhandel und Politik, um Leser zurückzugewinnen
B.A.U.M. Insights
Lassen Sie sich begeistern von einem Buch, das Hoffnung macht.

Jetzt auf forum:

Profiküche 2025: Geräte-Innovation spart mehr als 50 Prozent Energie für Grill-Zubereitung ein

Sichere Abstellmöglichkeiten für Fahrräder:

Fotoausstellung Klimagerecht leben

Ohne Vertrauen ist alles nichts

Zeit für Regeneration

The Custodian Plastic Race 2025

Niedriger Blutdruck: Wie bleibt man aktiv, ohne sich schwindlig zu fühlen?

Hacker vs. Host: Wie man Angreifer überlistet

  • Protect the Planet. Gesellschaft für ökologischen Aufbruch gGmbH
  • circulee GmbH
  • BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
  • NOW Partners Foundation
  • DGNB - Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
  • Engagement Global gGmbH
  • Kärnten Standortmarketing
  • ECOFLOW EUROPE S.R.O.
  • Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
  • Futouris - Tourismus. Gemeinsam. Zukunftsfähig
  • Energieagentur Rheinland-Pfalz GmbH
  • World Future Council. Stimme zukünftiger Generationen
  • Global Nature Fund (GNF)