So wird die Kantine oder Mensa bio
BioMentoren öffnen ihre eigenen Betriebe für Hospitationen und zeigen Betrieben, wie der Einstieg klappt
Immer mehr Kantinen, Mensen, Restaurants oder Caterer setzen auf Biolebensmittel. Doch wie gelingt die Umstellung? Als „BioMentoren" haben sich 21 Entscheider aus Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung zusammengeschlossen, um ihren Kollegen zu helfen. Der RNE hat die ehrenamtlichen Berater jetzt als besonderes Transformationsprojekt im Rahmen von „Projekt Nachhaltigkeit" ausgezeichnet.
Angefangen hat Annelen Trost mit den Kartoffeln. Mitte der 90er Jahre ersetzte die Abteilungsleiterin Hochschulgastronomie des Studentenwerks Osnabrück als erstes Lebensmittel konventionelle Kartoffeln durch biologisch angebaute. Seitdem setzt sie in den sechs Mensen und sechs Bistros der Hochschulen in Osnabrück, Vechta und Lingen allmählich immer mehr auf Bioprodukte, Fleisch und Fisch aus artgerechter Tierhaltung sowie auf vegetarische und vegane Speisen. Donnerstags ist zudem Veggie-Day. 2016 verlieh die Tierschutzorganisation Peta den dritten Stern „Vegan-freundliche Mensa", den bisher 21 Studentenwerke haben. Trost ist eine von 21 „BioMentoren", ein ehrenamtliches Netzwerk, das Rainer Roehl mit seinem Beratungsunternehmen a‘verdis 2004 gegründet hat. Die Mentorinnen und Mentoren sind Küchenchefs, Betriebsleiter, Gastronomen oder Einkäufer, die Kolleginnen und Kollegen zeigen, wie in einem Gastrobetrieb biologische, faire, artgerechte und regionale Lebensmittel angeboten werden können.
Mischkalkulation im Studentenwerk
Dabei hat jeder Gastrobereich seine eigenen Herausforderungen, vor allem, was die Kosten angeht. Beispielsweise verkauft Annelen Trosts Studentenwerk bis zu 10.000 Essen am Tag. Manche sind komplett bio, sonst stehen Beilagen in Bioqualität zur Auswahl, zu erkennen an den grünen Schalen. Mehr Geld vom Land bekommt sie dafür aber nicht. Es bezuschusst alle Studentenwerke nach dem gleichen Schlüssel mit einer bestimmten Summe pro Gericht. Will Trost besonders viel Bio anbieten, kann sie also nicht einfach mehr Geld beantragen. „Wir können auch den Preis nicht beliebig erhöhen. Drei Euro für ein Essen sind für Studenten die absolute Schmerzgrenze", sagt Trost. Deshalb sei es momentan auch utopisch, komplett auf Bio umzustellen. Stattdessen setzt Trost eine Mischkalkulation an. Einfache Gerichte, die günstiger herzustellen sind, werden etwas teurer verkauft, dafür sinkt dann der Preis bei den Biogerichten.
Trost hat die Küchen seit 1992 Stück für Stück umgestellt. „Da müssen die Arbeitsabläufe sehr genau stimmen. Sie dürfen Bio nicht einfach mit konventionellem Essen mischen", sagt sie. Das Personal sei aber mit „Feuereifer" dabei – auch, wenn es darum geht, Veganes anzubieten. Für die Köche sei das keine Belastung, sondern eine willkommene Abwechslung und zusätzliche Herausforderung. „Nachhaltigkeit muss man eben wollen und mit Herzblut dabei sein", sagt Trost.
Thomas Voß ist stellvertretender Kaufmännischer Direktor und verantwortlich für die Küchen der beiden LWL-Kliniken in Münster und Lengerich. Auch er ist BioMentor, 20 Prozent des Wareneinsatzes der täglich 1.600 Essen ist bio, Tendenz steigend. „Der Einstieg war nicht schwer. Wir haben festgestellt, dass wir einen Anteil von zehn Prozent Bio schaffen, ohne Mehrkosten." Der Grund ist simpel; wer Bio einführt, denkt allgemein über mehr Nachhaltigkeit im Betrieb nach. Dazu gehört auch der Kampf gegen Lebensmittelverschwendung.Voß spart Geld, weil heute weniger Lebensmittel in den Müll wandern. Beispielsweise können die Patienten und Bewohner der Kliniken die Gerichte vorab im Intranet bestellen. Die Suppe zum Vortisch war früher automatisch mit ausgewählt – viele bestellten sie versehentlich mit, 90 Prozent davon landete im Mülleimer. Jetzt müssen die Gäste die Suppe online mit einem Klick aktiv bestellen, was nur die machen, die sie auch essen wollen. Drei bis vier Anfragen im Jahr hat Voß von Kollegen, die sich informieren, wie der Umstieg auf Bio klappen kann.
„Die meisten denken, es sei ein gewaltiger Aufwand, eine Biozertifizierung zu bekommen", sagt er. Eine Zertifizierung ist Voraussetzung, um Essen als bio verkaufen zu dürfen. Andere seien besorgt, dass sie für die Biowaren einen extra Lagerraum bauen müssten. Voß erklärt ihnen dann: Ein Neubau ist nicht nötig, bei ihm habe man einfach im vorhandenen Kühlraum und im Lager separate Regalbereiche für die Biozutaten angelegt. Eine Zertifizierung koste rund 700 Euro im Jahr – das fällt bei einer Kantine kaum ins Gewicht.
Trotzdem, sagt Voß, kostet Bio auch mehr. Die Mitarbeiter der Kliniken hat er vor der Umstellung befragen lassen, die meisten waren gern bereit, ein paar Cent mehr zu zahlen. Momentan arbeitet Voß daran, sämtliches Rindfleisch auf Bio umzustellen, das macht dann 20 Cent mehr pro Essen. Schweinefleisch ist bereits komplett bio – dafür bekam er auch einen Zuschuss von der Klinikleitung. Sein Argument dafür war ein Medizinisches: Die Kliniken sind Mitglied in dem regionalen, grenzüberschreitenden Netzwerk Eursafety, das sich für Infektionsschutz einsetzt. Ziel ist unter anderem, die Ausbreitung von multiresistenten Keimen einzudämmen. Die kommen häufig in der Schweinemast vor – besonders in konventionellen Betrieben, die viel Antibiotika einsetzen. Insofern sei Bioschweinefleisch also auch ein Beitrag zur Eindämmung von multiresistenten Keimen, argumentierte Voß.
Tipps gibt es auch von Bundeslandwirtschaftsministerium
Der RNE hat Thomas Voß, Annelen Trost, Rainer Roehl und die anderen BioMentoren als eines von vier Transformationsprojekten im Rahmen von „Projekt Nachhaltigkeit" in diesem Jahr ausgezeichnet. Diese sind „langfristig angelegt und zeigen ein besonders großes Potenzial, die Welt nachhaltiger zu gestalten", heißt es in der Begründung.
Lifestyle | Essen & Trinken, 01.05.2017
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2017 - Wie ernähren wir uns in Zukunft? erschienen.
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