Geld anlegen und Gutes tun
Über das wachsende Geschäft mit Mikrokrediten
Mikrofinanzierungen sollen Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern die Chance eröffnen, ihre Lebensumstände zu verbessern und Anlegern nachhaltige Renditen bescheren. Mikrofinanz-Modelle stellen jedoch keine Entwicklungshilfe dar, sondern sind vor allem Investments. Und so gibt es auch hier neben Licht auch Schatten.
Primetime im deutschen Fernsehen. Ein klassischer Werbespot erscheint. Eine Bank wirbt für ihren Ratenkredit. Die Story: Ein junger Mann möchte seine Freunde zum Fußballschauen einladen und dafür einen neuen Flachbildfernseher kaufen. Den finanziert er ganz unproblematisch über den Ratenkredit dieser Bank. Was für uns wenig spektakulär erscheint, ist für viele Menschen in der dritten Welt unvorstellbar. Nur etwa die Hälfte der Erwachsenen weltweit hat laut Erhebungen des Kapitalentwicklungsfonds der Vereinten Nationen (UNCDF) Zugang zu formalen Bankdienstleistungen. Diese Lücke versuchen Mikrofinanz-Projekte zu schließen.
Das Potenzial des Mikrofinanz-Ansatzes für nachhaltige Entwicklung wurde auf der im vergangenen November stattfindenden European Microfinance Week in Luxemburg diskutiert. Die sozialen Aspekte waren vor allem die Bildung und die Flüchtlingshilfe. Doch auch Themen wie Digitalisierung und Digital Financial Services (DFS) machen vor der Mikrofinanzierung nicht Halt. Papierlose Kreditvergaben und Antragstellungen sollen Asset Managern und Mikrofinanzinstituten die Arbeit erleichtern und den hohen Aufwand deutlich vermindern. Doch sie bergen Risiken: Auch MFIs müssen sich um Datensicherheit und Cyber-Attacken Gedanken machen.
Primetime im deutschen Fernsehen. Ein klassischer Werbespot erscheint. Eine Bank wirbt für ihren Ratenkredit. Die Story: Ein junger Mann möchte seine Freunde zum Fußballschauen einladen und dafür einen neuen Flachbildfernseher kaufen. Den finanziert er ganz unproblematisch über den Ratenkredit dieser Bank. Was für uns wenig spektakulär erscheint, ist für viele Menschen in der dritten Welt unvorstellbar. Nur etwa die Hälfte der Erwachsenen weltweit hat laut Erhebungen des Kapitalentwicklungsfonds der Vereinten Nationen (UNCDF) Zugang zu formalen Bankdienstleistungen. Diese Lücke versuchen Mikrofinanz-Projekte zu schließen.
Nobelpreisverdächtiger Ansatz
Die Idee dahinter ist ebenso einfach wie genial: Kleinkredite sollen mittellosen Menschen, die eine Geschäftsidee haben, den Sprung in die Selbstständigkeit ermöglichen. So können sie sich und ihre Familien ernähren. Sie sollen dadurch ebenfalls Zugang zu finanziellen Basisdienstleistungen wie der Führung eines Bankkontos erhalten. Prominentester Verfechter dieser Idee ist der Wirtschaftswissenschaftler Muhammad Yunus. Schon vor 40 Jahren verteilte er in Bangladesch Kleinkredite an Menschen, die außer ihrem Überlebenswillen und ihrer Arbeitskraft keinerlei Sicherheiten anzubieten hatten. Vor allem setzte er auf Frauen mit einem Einkommen von weniger als einem US-Dollar am Tag.
Seine Idee: Hilft man Frauen, ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern, hilft man nicht nur ihnen selbst, sondern auch ihren Familien. Der Erfolg gab ihm Recht. Speziell Frauen zeigten ein sehr starkes unternehmerisches Engagement und eine hohe Zuverlässigkeit bei der Rückzahlung der Kleinkredite. 1983 gründete Yunus die Grameen Bank und professionalisierte so ein Modell, das seitdem die Finanzierungssituation in Schwellen- und Entwicklungsländern revolutioniert hat. 2006 wurde Yunus dafür mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Auch in anderen Teilen der Welt begannen NGOs wie ACCION in Lateinamerika und Opportunity International in Asien mit der Vergabe von Mikrokrediten.
Traumhafte Rückzahlungsraten
Mit der Vergabe von Kleinkrediten in Höhe von einem bis eintausend Euro haben die Ärmsten der Armen die Möglichkeit, aus eigener Kraft die Armutsspirale zu verlassen. Aber Kredite an Menschen vergeben ohne Sicherheiten? Das mutet zunächst wie ein großes Wagnis an. Doch die Zahlen geben dem Mikrofinanz-Ansatz Recht: Von einer 98-prozentigen Rückzahlungsrate können Kreditbanken in Industrieländern nur träumen. Diese hohe Quote ergibt sich, da nicht nur Kredite vergeben, sondern Menschen auch beraten werden – zum Beispiel beim Kauf einer Nähmaschine oder bei der Eröffnung eines Geschäfts. Durch diese Begleitung können fast alle Kreditnehmer das Geld für die Rückzahlung erwirtschaften. Kritisiert wird dagegen oft der hohe Zinssatz von bis zu 20 Prozent pro Jahr. Das ist hoch, doch der Aufwand für Mikrokredite ist durch die kleinen Summen und die Betreuung immens. Und sie bieten eine Möglichkeit, den lokalen Geldanbietern, die häufig bis zu 80 Prozent Zinsen pro Jahr nehmen, zu entkommen. Daten der Weltbank zeigen, dass zwischen 2011 und 2014 rund 700 Millionen Menschen durch Mikrofinanzierung unterstützt wurden.Von NGOs hin zu Großbanken
War dieses Finanzierungsmodell lange vorwiegend in der Hand von Non-Profit-Unternehmen und weitgehend nur in Entwicklungs- und Schwellenländern eingesetzt, ist es inzwischen auch für Industrieländer wie Amerika und Deutschland interessant geworden. Denn das Segment der Kunden mit geringem Einkommen wurde bis dato von den klassischen Kreditinstituten eher vernachlässigt – obwohl sich in den vergangenen zehn Jahren ihre Kaufkraft und Kreditwürdigkeit entscheidend verbessert haben. Grund dafür war aber nicht nur ihre schwache Bonität, sondern vor allem der hohe Verwaltungsaufwand. Inzwischen gibt es einige Best-Practice-Beispiele, wie etwa The Bank for Agriculture and Agricultural Cooperatives (BAAC) in Thailand oder The Village Banks (United Desas, BRI-DU) of Bank Rakyat Indonesia (BRI). In Europa war es die italienische Credem, die ein Kredit-Programm erfolgreich implementieren konnte, das speziell Kunden mit geringem Einkommen und Migrationshintergrund im Blick hat.
In Österreich gründete die Stiftung der Erste Bank der österreichischen Sparkassen AG im Jahr 2006 gar eine Zweite Sparkasse für genau diese Zielgruppe und schreibt dazu: „Mit der Gründung der Zweite Sparkasse hat unsere Stiftung ihr erstes größeres Projekt verwirklicht und kommt damit in besonderer Weise ihrem Gründungsauftrag nach – nämlich sich sozial zu engagieren und mit nachhaltigen Projekten aktiv zur Verbesserung der Lebenssituation möglichst vieler Menschen beizutragen." Akteure wie die GLS Bank bespielen das Thema Kleinkredite und Mikrofinanz schon lange und auch Großbanken wie die Deutsche Bank, Credit Suisse oder Citibank sowie Fondsgesellschaften sind in diese Kredit-Nische und auch in das Mikrofinanz-Business eingestiegen.
Der Mikrofinanz-Boom
Die Bandbreite der Anbieter und Modelle wächst damit stetig an. Institute, die direkt Mikrokredite an die Endkunden vergeben, gibt es im deutschsprachigen Raum aber bisher nicht. Große Player kommen mittlerweile aus dem Bankenbereich, aber auch Fondsgesellschaften wie die Schweizer Blue Orchard, responsAbility Investments AG und Vision Microfinance aus Österreich sind aktiv am Markt vertreten. Ihr Prinzip: Sie vergeben Darlehen an ausgewählte Mikrofinanzinstitute (MFIs) in Entwicklungs- und Schwellenländern. Diese sind oft aus NGOs entstanden. Einige davon wuchsen mittlerweile zu eigenständigen Banken heran, die auch größere Unternehmen finanzieren. Mit dem Run auf den Mikrofinanz-Ansatz stiegen auch die Investitionssummen: Das mongolische Mikrofinanzinstitut XAC Bank etwa förderte im Jahr 2015 rund 103.000 Kreditkunden mit einem Kreditportfolio von rund 630 Millionen US-Dollar. Auch der Mikrofinanzierungsfonds der GLS Bank ist daran beteiligt. Die durchschnittliche Kreditsumme bei der XAC Bank: 6.119 US-Dollar. Diese hohen Summen sind kein Einzelfall. Laut Monatsbericht der Schweizer Asset Manager responsAbility Investments AG vom Februar 2017 betrug das Fondsvolumen 602 Millionen Euro (rund 642 Millionen US-Dollar). Die Beispiele zeigen deutlich: Den Kinderschuhen ist diese Finanzierungsform entwachsen. Gute Rendite mit gutem Gewissen
350Viele Finanzinstitute versprechen sich in dem Bereich großes Potenzial, aber vor allem auch dringend benötigtes gesellschaftliches Ansehen. „Im Kampf gegen Armut wollen wir Menschen in unterentwickelten Regionen helfen, sich selbst zu helfen", beschreibt beispielsweise die Deutsche Bank auf ihrer Website den Bereich Mikrofinanz. Auch andere Banken und Fondsgesellschaften werben gerne mit ihrem ethisch korrekten und sozialen Engagement in Sachen Mikrofinanz. Die Frankfurt School Financial Services schreibt: „Durch diese Form der sozial nachhaltigen Kreditvergabe wird die wirtschaftliche Entwicklung unterstützt, werden Arbeitsplätze geschaffen und so die Armut in Entwicklungsländern reduziert." Doch es geht neben sozialer Unterstützung auch – und das ist das Besondere an diesem Ansatz – um Rendite und Wachstum.
Der Asset Manager responsAbility verspricht auf seiner Webseite Investitionserfolg durch das in der Dritten Welt schlummernde Investitionspotenzial: „In Entwicklungs- und Schwellenländern werden die unbefriedigten Grundbedürfnisse einkommensschwacher Menschen sowie kleinster, kleiner und mittelgroßer Unternehmen verstärkt von Unternehmen mit innovativen Geschäftsmodellen abgedeckt. Gezielte Investitionen tragen dazu bei, dass diese Unternehmen das enorme Marktpotenzial besser und schneller ausschöpfen können. Der Entwicklungsnutzen ihrer Produkte und Dienstleistungen ist der Treiber ihres Wachstums – und legt somit das Fundament für nachhaltigen Investitionserfolg." Die Grafik auf der Website von responsAbility zeigt das Volumen des verwalteten Vermögens. Die Kurve steigt von rund einer Milliarde US-Dollar im Jahr 2009 stetig an. 2016 liegt der Wert bei drei Milliarden US-Dollar. Die Rendite liegt in der Branche bei etwa zwei Prozent über dem Euribor, bei geringen Schwankungen um 0,5 Prozent.
Schwarze Schafe gefährden die Idee
Der Markt ist groß, das Potenzial noch größer. Experten zufolge beträgt der weltweite Bedarf an Kleinstkrediten über 300 Milliarden US-Dollar. Bei solchen Zahlen mischen sich natürlich auch schwarze Schafe unter die weltweit bald 100.000 Mikrofinanz-Anbieter und MFIs. Sie sehen in den Mikrokrediten nicht das Social Entrepeneurship und den Wunsch, Missstände zu beseitigen, sondern vor allem eine lukrative Methode, sich an der Armut anderer zu bereichern. Hohe Gebühren, undurchsichtige Vertragsklauseln, extrem kurze Rückzahlungszeiträume oder unseriöses Geschäftsgebaren, wie das Drängen zur Rückzahlung auch bei Krankheit, laufen dem gemeinnützigen Mikrokredit-Ansatz zuwider. Prüfmöglichkeiten auf Seriosität
Es ist nicht immer leicht, unseriöse Anbieter zu entlarven. Mittlerweile haben sich aber Prüfverfahren für MFIs am Markt durchgesetzt, zum Beispiel Auswertungen durch das Securities Committee der EU (ESC). Grundsätzlich werden dort nur MFIs ausgewählt, die regelmäßig Geschäftsberichte veröffentlichen und einer Finanzaufsicht unterstehen. Die Smart Campaign untersucht Mikrofinanzinstitute vor Ort und überprüft deren soziale und finanzielle Performance. Daneben gibt es für die Anbieter von Mikrofinanzierungsfonds Siegel wie beispielsweise das CGAP ESG Transparency Certificate oder das LuxFLAG-Label. LuxFLAG wurde 2006 in Luxemburg ins Leben gerufen. Das Label garantiert Investoren, dass ihre Gelder auch tatsächlich in Mikrofinanz fließen. Das 1995 von der Weltbank gegründete Forschungszentrum Consultative Group to Assist the Poor (CGAP) zeichnet mit dem CGAP ESG Transparency Certificate Mikrofinanz Asset Manager für ihre Transparenz und Berichterstattung in Bezug auf ökologische, soziale und Steuerungs-Richtlinien aus. Digitalisierung auch bei Mikrofinanz auf dem Vormarsch
Um im Mikrofinanz-Dschungel als Investor nicht den Überblick zu verlieren, helfen diese Siegel und Zertifikate. Und sie sind bei dem Wachstum auch nötig. Laut einem Bericht von responsAbility soll der Mikrofinanz-Sektor im Jahr 2017 weltweit um zehn bis 15 Prozent wachsen – besonders stark in Südostasien. Dort werden 25 bis 30 Prozent vorausgesagt.
Fazit: Die gesamte Branche wird in den nächsten Jahren weiter boomen. Immer mehr Banken erwägen einen Einstieg in das Mikrofinanzierungsgeschäft und diejenigen, die es schon betreiben, berichten von „enormen Wachstumschancen". Gewinne zu machen und das mit gutem Gewissen und der Hilfe für Mittellose zu verbinden, ist ein guter Ansatz, sofern nicht die Renditegier den sozial nachhaltigen Aspekt auffrisst.
Sebastian Henkes
Lifestyle | Geld & Investment, 25.05.2017
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2017 - Wie ernähren wir uns in Zukunft? erschienen.
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