Angeschmiert

forum Interview mit Apu Gosalia, Bereichsleiter für Nachhaltigkeit und Strategie bei der FUCHS PETROLUB SE

Schmierstoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe sowie synthetische Produkte leisten einen entscheidenden Beitrag zur Verminderung von Reibung, Verschleiß und Korrosion. Herstellung und Betrieb moderner Maschinen aller Art wären ohne Schmierstoffe nicht möglich. Im forum Interview wären wir beinahe in den Tiefen der Tribologie abgeschmiert...
 
Apu Gosalia, Bereichsleiter für Nachhaltigkeit und Strategie bei der FUCHS PETROLUB SE, die im letzten Jahr zahlreiche Awards gewonnen hat, darunter den Deutschen Nachhaltigkeitspreis. © Fuchs Petrolub SEAls beim deutschen Nachhaltigkeitspreis im November letzten Jahres ein Schmierstoffhersteller unter den ausgezeichneten Firmen auf der Bühne stand, gab es ein Raunen im Saal. Öl, Schmiere und Nachhaltigkeit, das erschien den Festgästen denn doch als eine seltsame Kombination. Doch der Nachhaltigkeitschef der Firma FUCHS, Apu Gosalia, erklärte mit tiefster Überzeugung, wie stark das Engagement und wie wichtig die Produkte seiner Firma für Umwelt und Gesellschaft seien. Für uns Grund genug, bei Herrn Gosalia nachzufragen, warum er sich für Schmierstoffe so begeistern kann.
 
Herr Gosalia, warum sind Schmierstoffe so wichtig?
Allein die Schäden, die auf Reibung und Verschleiß zurückgeführt werden können, werden in Deutschland auf über 30 Mrd. Euro geschätzt. Schäden durch Korrosion können noch größere Summen erreichen. Untersuchungen in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts, die von vielen weiteren in den Folgejahren gestützt wurden, erbrachten, dass jährlich ca. 1 – 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts durch Reibungs- und Verschleißvorgänge verschwendet werden. Zudem werden ca. 30 Prozent des gesamten weltweiten Energieaufwands in Reibungs- und Verschleißvorgängen verzehrt. Die Verminderung dieser Verluste ist die sinnvolle und wichtige Aufgabe der Schmierstoffindustrie.
 
Und wie können diese Verluste verhindert werden?
Die Schmierstoffe sind Mittler zwischen Reib­partnern. Sie trennen, schützen, ­konservieren, vermeiden Verschleiß, transportieren Wärme und führen Verschleißpartikel ab. Der dahinter stehende Wissenschaftszweig ist die Tribo­logie (griechisch tríbein = reiben), die Lehre von Technik und Wirkflächen in Relativ­bewegung. Diese Wissenschaft, die sich mit dem Phänomen der Reibung und des Verschleißes befasst, hat eigentlich eine lange Tradition. Schon ca. 2000 v. Chr. benutzten die Ägypter Olivenöl als Schmierstoff, um größere Lasten durch Verringerung der Gleitreibung mit weniger Aufwand zu bewegen. Noch ­heute gibt es einfachste tribologische Systeme, z.B. eine quietschende Tür, aber auch hochkomplexe Tribosysteme wie ein Automobil mit seinen Lagern, Wellen, Getrieben, Kolben und Zylindern. Bei ersterem hilft vielleicht immer noch etwas Olivenöl, bei letzterem sicher nicht mehr.
 
Na ja, man muss halt einfach schmieren und ölen – was ist daran so besonders?
Heute läuft nicht eine Maschine ohne Schmier­stoffe. Überall, wo Kräfte in einem Antriebsstrang übertragen werden, entsteht Reibung. Schmierstoffe haben primär die Aufgabe der Reibungsverminderung. Zudem sind heutige Maschinen, Lager und Getriebe ungleich komplizierter und aus den verschiedensten Materialien aufgebaut. Damit sind die Anforderungen an den Schmierstoff vielfältiger und anspruchsvoller geworden. Die Tribologie muss sich der Physik, Chemie, der Materialwissenschaften, Ingenieurwissenschaften, der Biochemie und Elektrotechnik bedienen. Es lässt sich schon erahnen, dass die Beschreibung von Tribosystemen hochkomplex und bis heute kaum vollständig möglich ist.
 
Halt, wir wollen hier nicht in die Tiefen der Tribologie eintauchen!
Na gut, reden wir dann über den Korrosionsschutz, der gesellschaftlich gesehen ungeheure Werte erhalten muss. Korrosionsschutzflüssigkeiten bilden einen dünnen Film aus Wachs (auch ein Rohölprodukt) bzw. Öl auf den Bauteilen und verhindern so den Zutritt von Luft, Wasser und Chemikalien an die Metalloberfläche, die dann zu Rost und Korrosion führen würden. Mit solchen Produkten werden z.B. Bauteile während Lagerung und Transport geschützt. Gleichzeitig lässt sich ein solcher temporärer Korrosionsschutz wieder schnell und gründlich mit Reinigern entfernen und recyceln, im Gegensatz z.B. zu Lackierungen, wenn das Bauteil weiter verarbeitet wird.
 
Sie sind ja nicht mehr zu bremsen…
Tja, da fehlt mir wohl das richtige „Bremsöl". Damit zur Produktwelt der Schmierstoffe. Diese werden nach den jeweiligen Hauptanwendungen gegliedert. Im Industriebereich sind dies Fette (relativ feste „pastöse" Schmierstoffe für Lager, etc.), Hydrauliköle (übertragen Kräfte, z.B. in Baumaschinen), Turbinenöle (Lagerschmierung z.B. von Gas- und Dampfturbinen), Formöle (Bauindustrie), Kompressorenöle (Schmierung von Kolben in Kompressoren), Umlauföle (Schmierung von Lagern in Industrieanlagen), Getriebeöle (Schmierung von Zahnrädern und Lagern in Getrieben, z.B. in Windkraftanlagen), Kühlschmierstoffe (zur Kühlung und Schmierung bei der Metallbearbeitung), Walzöle (Schmierung beim Walzen von Metall zu Blechen und Folien), Gleitbahnöle (Schmierung in Werkzeugmaschinen), usw. und innerhalb dieser Gruppen gibt es noch zahllose Spezialflüssigkeiten, je nach genauer Anwendungsbedingung.
 
Herr Gosalia, wir sehen, Ihre Begeisterung für Öle kennt keine Grenzen. Uns bleibt nichts anderes übrig, als Ihre weiteren Erklärungen ausführlich im Internet vorstellen.
Aber lassen Sie mich bitte noch das Thema Recycling ansprechen. Viele Schmierstoffe können (und werden) heute nach Gebrauch gesammelt und einer Wiederverwertung zugeführt. Diese kann zum einen „thermisch" sein, d.h. die Schmierstoffe werden z.B. in der Zementindustrie als Ergänzung zu konventionellen Brennstoffen wie Öl und Gas zur Energiegewinnung verbrannt.
 
Na ja, Verbrennen, das kann doch nicht die Lösung sein …
Deswegen werden die gebrauchten Schmierstoffe auch immer öfter in speziellen Raffinerien zu „frischen" Basisölen recycelt. Dies wird der „thermischen" Verwertung vorgezogen, u.a., weil immer mehr hochwertige, oft synthetische, Basisöle für die Schmierstoffproduktion verwendet werden. Durch den Gebrauch werden diese chemisch oft nur wenig verändert und sind zu wertvoll, um verbrannt zu werden, ganz unabhängig vom Umweltgedanken. Die recycelten Öle stehen „frischen" Ölen in der Qualität nicht nach. Daher sind in Deutschland und Europa in den letzten Jahren große Anlagen zum Recycling von Ölen entstanden.
 
Herr Gosalia, wir danken für das Gespräch und führen unsere Leser gerne unter folgendem Link noch tiefer in Ihre Welt des Gleitens und Schmierens ein.
 
Apu Gosalia ist gebürtiger Mannheimer und hat seinen MBA-Abschluss in den USA gemacht. ­Heute ist er Bereichsleiter für Nachhaltigkeit und Strategie bei der FUCHS PETROLUB SE, die im letzten Jahr zahlreiche Awards gewonnen hat, darunter den Deutschen Nachhaltigkeitspreis. Gegenwärtig bemüht sich Gosalia darum, in deutschen und europäischen Branchenverbänden das Gedankengut der Nachhaltigkeit tiefer in die Schmierstoffindustrie zu tragen. Dies tut er mit unglaublichem Elan und ist in seiner Begeisterung schwer zu bremsen …

Wirtschaft | Lieferkette & Produktion, 01.05.2017

     
        
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