Leder- und Schuhproduktion in der Türkei

Report der Kampagne Change Your Shoes prangert Missstände an

Das INKOTA-netzwerk hat eine Studie veröffentlicht, die massive Arbeitsrechtsverletzungen in der türkischen Schuh- und Lederindustrie aufdeckt. Die Staaten der Europäischen Union, allen voran Deutschland, sind die größten Abnehmer von Schuhen aus der Türkei. Deshalb fordert INKOTA zusammen mit seinen Partnern von Change Your Shoes europäische Schuhunternehmen auf, die Einhaltung der Menschenrechte in Produktionsländern wie der Türkei sicherzustellen und darüber öffentlich zu berichten.
 
Die Petition 'Transparenz statt Versteckspiel' richtet sich an sechs international bekannte Schuhunternehmen – darunter Deichmann und Birkenstock. © InkotaDie aktuelle Studie „Hier läuft was schief… – Arbeitsbedingungen in der türkischen Schuh- und Lederindustrie" untersucht die Situation der Arbeiter in der türkischen Schuh- und Lederindustrie. Im Rahmen der Kampagne Change Your Shoes wurden zahlreiche Personen interviewt, die in Gerbereien, bei Lederverarbeitungsfirmen und bei Schuhproduzenten arbeiten. Ihre Aussagen zeigen, dass Arbeitsrechtsverletzungen in der türkischen Schuh- und Lederindustrie weit verbreitet und strukturell bedingt sind. Die Arbeiter berichten von Löhnen unter dem existenzsichernden Niveau, unzureichendem Schutz vor Gesundheits- und Sicherheitsrisiken am Arbeitsplatz und einem extremen Anstieg von informellen Arbeitsverhältnissen. Außerdem seien überlange Arbeitstage und die Diskriminierung von Gewerkschaften festzustellen.
In der Lederproduktion ist insbesondere der intensive Einsatz von Chemikalien ein großes Problem – mit massiven Auswirkungen auf die Gesundheit der Beschäftigten. Die Arbeiter in den Gerbereien und verarbeitenden Betrieben sind in dreierlei Hinsicht besonders gefährdet: Erstens können Mikroorganismen, die sich auf den rohen Häuten befinden, Infektionen wie Milzbrand oder Typhus auslösen. Zweitens verursachen Chemikalien, die zum Konservieren, als Lösungsmittel oder Gerbstoff verwendet werden (darunter das hochgefährliche Chrom VI), bei mangelndem Schutz Atemwegs-, Augen- und Hauterkrankungen bis hin zu Krebs. Drittens kann die Arbeit in ständig feuchten, staubigen oder lauten Arbeitsbereichen zu rheumatischer Arthritis, Atemwegserkrankungen und Hörschäden führen. Die Herstellung von Leder ist daher oft ein giftiges und gefährliches Geschäft.
   
Aylin*, Arbeiterin in einer Schuhfabrik in der Provinz Istanbul, berichtet: „Vor allem im Sommer, wenn es heiß ist, spüren wir die Wirkung der Chemikalien. Wir haben Husten und Übelkeit, sind schwach und können manchmal kaum das Gleichgewicht halten." Tarek*, ebenfalls Arbeiter in einer Istanbuler Schuhfabrik, ergänzt: „Es gibt keine Gesundheits- oder Sicherheitsmaßnahmen an den Arbeitsplätzen. Ich glaube, nicht mal der Staat kümmert sich um uns. Wir würden gefeuert werden, wenn wir uns zusammenschließen und dagegen protestieren würden."
 
Der größte Abnehmer türkischer Schuhe ist die Europäische Union – allen voran Deutschland. Im Jahre 2015 importierten die EU-Staaten Schuhe im Wert von 162 Millionen US-Dollar aus der Türkei. Die türkischen Schuhunternehmen, die von einer Zollunion mit der EU profitieren, streben an, das Exportvolumen nach Europa in Zukunft massiv zu steigern.
  
Die Kampagne Change Your Shoes bemängelt, dass Politik und Wirtschaft in der EU zwar die politischen Entwicklungen in der Türkei kritisieren, aber gleichzeitig die Handelsbeziehungen zu dem Land ausbauen wollen. Europäische Schuhunternehmen würden direkt von den niedrigen Einkaufspreisen profitieren und seien deshalb mitverantwortlich für die Arbeitsrechtsverletzungen in der Türkei. Berndt Hinzmann von INKOTA sagt: „Das muss sich ändern. Jetzt ist die Zeit gekommen. Firmen und Politik müssen handeln und die Missstände abstellen. Durch Offenlegung und Berichtspflichten müssen Unternehmen glaubhaft machen, dass sie sichere Arbeitsbedingungen schaffen und die Menschenrechte bei der Arbeit einhalten."
 
Um diesen Forderungen Nachdruck zu verleihen, hat INKOTA die Petition „Transparenz statt Versteckspiel" gestartet. Diese richtet sich an sechs international bekannte Schuhunternehmen – darunter Deichmann und Birkenstock.

 
* Die Namen der befragten Beschäftigten wurden verändert, um ihre Identität zu schützen.
 
Mit der Kampagne Change Your Shoes setzen sich 18 Partnerorganisationen aus Europa, Indien, Indonesien und China für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Durchsetzung von Menschenrechten bei der Arbeit in der Schuh- und Lederproduktion ein. Politik und Unternehmen fordern sie auf, Verantwortung für Menschen und Umwelt zu übernehmen.
 
Kontakt: Berndt Hinzmann, INKOTA-netzwerk | hinzmann@inkota.de | www.inkota.de

Lifestyle | Mode & Kosmetik, 06.06.2017

     
        
Cover des aktuellen Hefts

Pioniere der Hoffnung

forum 01/2025 ist erschienen

  • Bodendegradation
  • ESG-Ratings
  • Nachhaltige Awards
  • Next-Gen Materialien
Weiterlesen...
Kaufen...
Abonnieren...
23
DEZ
2024
Ein leuchtendes Zeichen für Demokratie und Gemeinschaft
Tollwood Winterfestival unter dem Motto "Wir braucht Dich!", bis 23. Dezember
80336 München
03
JAN
2025
48. Naturschutztage am Bodensee
Vorträge, Diskussionen, Exkursionen mit Fokus: Arten-, Klima- und Naturschutz
78315 Radolfzell
17
JAN
2025
Systemische Aufstellungen von Familienunternehmen und Unternehmerfamilien
Constellations machen Dynamiken sichtbar - Ticketrabatt für forum-Leser*innen!
online
Alle Veranstaltungen...
NatuVision Forum

Professionelle Klimabilanz, einfach selbst gemacht

Einfache Klimabilanzierung und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation gemäß GHG-Protocol

Megatrends

Eindämmung der Barbarei durch Kultur
Angesichts der aktuellen Zahlen über die Zunahme der Sexualstraftaten und Femizide nimmt Christoph Quarch v.a. die Männer in die Pflicht
B.A.U.M. Insights
Hier könnte Ihre Werbung stehen! Gerne unterbreiten wir Ihnen ein Angebot

Jetzt auf forum:

Profiküche 2025: Geräte-Innovation spart mehr als 50 Prozent Energie für Grill-Zubereitung ein

Fotoausstellung Klimagerecht leben

Ohne Vertrauen ist alles nichts

Zeit für Regeneration

The Custodian Plastic Race 2025

Niedriger Blutdruck: Wie bleibt man aktiv, ohne sich schwindlig zu fühlen?

Hacker vs. Host: Wie man Angreifer überlistet

Auf der Überholspur: Förderpolitik hat E-Busse wettbewerbsfähig gemacht.

  • Energieagentur Rheinland-Pfalz GmbH
  • BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
  • circulee GmbH
  • NOW Partners Foundation
  • World Future Council. Stimme zukünftiger Generationen
  • Engagement Global gGmbH
  • Protect the Planet. Gesellschaft für ökologischen Aufbruch gGmbH
  • Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
  • Global Nature Fund (GNF)
  • Futouris - Tourismus. Gemeinsam. Zukunftsfähig
  • ECOFLOW EUROPE S.R.O.
  • Kärnten Standortmarketing
  • DGNB - Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen