Ökologie und Menschenrechte zählen in der IT-Produktion wenig
Für den steigenden Bedarf an IT-Geräten werden Menschen und Umwelt ausgebeutet - AG Rohstoffe fordert rasches Umdenken
Die Produzenten von Handy, Laptop und Co. sind Meister darin, Menschenrechtsverletzungen und ökologischen Raubbau hinter funkelnden Bildschirmen und polierten Metallflächen zu verstecken. Wer die dunkle Seite seines Smartphones kennen lernen will, muss zu den Minen nach Bolivien, Kolumbien, in den Kongo oder zu den IT-Sweatshops nach China reisen.

Umweltzerstörung für Smartphones & Co.
Jaime Caichoca aus dem Bezirk Oruro in Bolivien kennt die Probleme des Rohstoffabbaus aus eigener Erfahrung: „Unser Trinkwasser ist massiv mit Schwermetallen belastet. Eine hohe Anzahl von Missbildungen bei neugeborenen Lamas und Kälbern spricht eine deutliche Sprache.”
Kaum eines der über 300 Bergbauunternehmen in seiner Heimatregion hält sich an die Umweltbestimmungen. „Den Gewinn mit den Rohstoffen machen internationale Konzerne, die Menschen der Abbauländern können mit ihren niedrigen Löhnen und bei dem geringen Anteil, der über Abgaben und Steuern im Land bleibt, der Armut nicht entfliehen. Was bleibt sind nachhaltig vergiftete Landstriche", kritisiert Herbert Wasserbauer von der Dreikönigsaktion, die Projekte in Bergbauregionen in Bolivien finanziell unterstützt.
Arbeitsbedingungen in der IT-Produktion
Österreichische SchülerInnen freuen sich bereits auf ihre Freizeit während der bevorstehenden Sommerferien. Chinesische SchülerInnen hingegen müssen während ihrer Ferien in Fabriken arbeiten, die u.a. Smartphones für österreichische KonsumentInnen fertigen. „Die Schülerinnen und Schüler haben keine Wahl. Verpflichtende Praktika zwingen sie in den Fabriken der Umgebung zu arbeiten", erklärt Sophia So von der chinesischen Arbeitsrechtsorganisation SACOM. „Ungeschult werden sie in Fabriken gesteckt, schuften dort viele Stunden täglich und hantieren teils mit gefährlichen Maschinen. Am Ende des Monats bekommen sie gerade einmal die Hälfte des Mindestlohns", beschreibt So die Situation. „IT-Konzerne profitieren von der Ausbeutung von Schülerinnen und Schülern. IT-Konzerne müssen Verantwortung übernehmen und ihre Produktion ohne die Verletzung von Menschenrechten gewährleisten", fordert Konrad Rehling von der Menschenrechtsorganisation Südwind.
Sorgfaltspflicht von Unternehmen
Entsprechend der UN-Leitsätze für Wirtschaft und Menschenrechte sind Unternehmen verpflichtet, wenn der Staat versagt, sicherzustellen, dass es in ihren Zulieferketten zu keinen Menschenrechtsverletzungen kommt. „Die UN-Leitsätze sind nicht rechtlich bindend. Nach wie vor gibt es typische Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen in der internationalen Liefer- und Wertschöpfungskette, die praktisch nicht verfolgt werden können. Unternehmen verstecken sich hinter ihren komplexen Unternehmensstrukturen und die Opfer gehen leer aus", kritisiert Marieta Kaufmann von NeSoVe. Sie fordert für Unternehmen eine menschenrechtliche Sorgfaltsprüfungspflicht. Unternehmen müssen die Folgen ihrer Aktivitäten und Geschäftsbeziehungen kennen, das Risiko von Negativfolgen minimieren und für verursachte Schädigungen an Mensch und Umwelt aufkommen.
Was tun mit dem Schrott
Laut einer 2015 veröffentlichten Studie der AK Wien ersetzen die ÖsterreicherInnen öfter ihre Handys (durchschnittliche Nutzungsdauer 2,7 Jahre) als ihre Jeans (durchschnittliche Nutzungsdauer 3 Jahre). In der EU fallen jährlich rund 550.000 Tonnen IT-Schrott an. Laut den (freiwilligen) Mitteilungen der Mitgliedstaaten an Eurostat wurden im Jahr 2012 lediglich rund 70.000 Tonnen Elektro- und Elektronik-Altgeräte wiederverwendet oder zur Wiederverwendung vorbereitet. „Wir müssen einerseits die längere Nutzung von IT-Geräten forcieren und andererseits die flächendeckende Wiederverwertung der in Smartphones und anderen IT Geräten verarbeiteten Ressourcen vorantreiben", fordert Lisa Kernegger von der Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000.
Alternative Konzepte
„Es gibt bis dato kein fair gehandeltes Smartphone", erklärt Konrad Rehling von Südwind, „aber es gibt Unternehmen, die sich um eine nachhaltige Produktion, Verwendung und Entsorgung ihrer Produkte bemühen, wie Shiftphone, Nager-IT oder Fairphone." Das niederländische Unternehmen Fairphone setzt auf robustes Design, Haltbarkeit und einfache Reparaturmöglichkeiten und verspricht gute Arbeitsbedingungen sowie die Verarbeitung von konfliktfreien Mineralien und Fairtrade-Gold. Fabian Hühne von Fairphone gibt jedoch zu bedenken: „Das fairste Smartphone ist jenes, das man schon besitzt."
Hintergrundinformationen finden Sie hier.
Die ARBEITSGEMEINSCHAFT ROHSTOFFE ist ein Bündnis österreichischer NGOs mit dem Ziel, negative Auswirkungen des Abbaus mineralischer Rohstoffe etwa für IT- und Hochtechnologie-Produkte durch deren Herstellung, Nutzung und Entsorgung zu verringern sowie gleichzeitig positive Ansätze eines nachhaltigeren Umgangs mit diesen Materialien politisch und gesellschaftlich voranzutreiben. Konkret heißt dies, nationale, europäische und internationale Rohstoffpolitik mitzugestalten und zu einem bewussteren gesellschaftlichen Umgang mit mineralischen Rohstoffen beizutragen.
Die AG Rohstoffe wird von Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar, GLOBAL 2000, Finance & Trade Watch, Südwind und dem Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe) gebildet. Wissenschaftlich begleitet wird das Bündnis durch die Österreichische Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE) sowie das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte (BIM).
Diese Presseaussendung wurde mit finanzieller Unterstützung der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit durchgeführt. Die darin vertretenen Standpunkte geben die Ansicht der AG Rohstoffe wieder und stellen somit in keiner Weise die offizielle Meinung der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit dar.
Kontakt:
Südwind Verein für Entwicklungspolitik und globale Gerechtigkeit
Umwelt | Ressourcen, 29.06.2017
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