Geboren für die tödliche Kugel
Löwen, gehalten als Stalltiere hinter Gittern, gezüchtet für maximalen finanziellen Ertrag
Löwen werden gezüchtet, um dann von „mutigen" Trophäenjägern gnadenlos abgeknallt zu werden. Der deutsche Global Nature Fund und der Wildlands Conservation Trust aus Südafrika kämpfen gegen diesen Ausverkauf des afrikanischen Löwen und das gnadenlose Geschäft mit dem König der Tiere. Und dann gibt es da noch diese freiwilligen, gutmeinenden Helfer…
Mit der Dokumentation „Blood Lions: Bred for the bullet" und der deutschen Kampagne „Lions for Sale – Aufgezogen für den Abschuss" ¬setzen die Naturschutzorganisationen auf Aufklärung, um das für Löwen tödliche Geschäft mit Freiwilligenarbeit, Tourismus und Trophäenjagd zu unterbinden.
Nennen wir sie Tina. Tina gehört zu der Gruppe, die männliche Biologiestudenten früher despektierlich als „Kuscheltierfraktion" bezeichneten: junge Frauen, deren Motivation für Natur- und Artenschutz stark emotional bestimmt ist. Einmal im Leben Wildtiere – etwa verwaiste Löwenbabys – mit der Flache großziehen und etwas richtig Gutes für den Artenschutz tun, das ist ihr großer Traum. Und für so einen Traum ist Tina sogar bereit, für einige Monate jeden Groschen auf die Seite zu legen …
Bis zu 2.400 Euro pro Monat knöpfen findige Geschäftsleute solchen jungen Freiwilligen in südafrikanischen Löwenfarmen ab. Die Volunteers werden schamlos für ein Geschäftsmodell missbraucht, das richtig Geld bringt.
Großes Geld im Käfig
Begonnen hatte es vor einigen Jahren damit, dass man Löwen für die Gatterjagd züchtete. Dabei können zahlungskräftige Trophäenjäger einen Löwen zum Abschuss im Katalog bestellen, mit Garantie in wenigen Tagen in einem großen Freigehege abschießen – Siegerfoto inklusive – und dann zuhause mit ihren jagdlichen Fähigkeiten prahlen.
Möglich wird dies, weil die Löwen an Menschen gewöhnt sind und kommen, wenn der Jäger mit einem Stück Fleisch naht. Wegen der schlechten Käfighaltung können sie eh kaum laufen und sind nach einigen Tagen im Gatter durch Hunger geschwächt. Ein leichtes Opfer für tapfere „Löwenbezwinger". Noch besser, das haben die Löwenfarmer nach einiger Zeit gemerkt, funktioniert es, wenn die Löwen von Hand aufgezogen werden. Und warum sich das nicht auch noch vergolden lassen? Da sind wir wieder bei Tina …
Sie erfährt natürlich nichts von der Gatterjagd, sondern hört herzzerreißende Geschichten von verwaisten Löwenjungen, deren Mütter gewildert wurden und die nach der Handaufzucht wieder in die Freiheit entlassen werden. „Unwahrheit" sagt man dazu heute euphemistisch.
Kuscheln und Kuschen
Rund 8.000 Löwen vegetieren in Südafrika in Gefangenschaft. Männliche Löwen warten unter Haltungsbedingungen, die man keinem deutschen Industrieschwein wünscht, auf ihre Gatterjagd – „Ave latro, morituri te salutant". Die Weibchen werden als „Legehennen" missbraucht, die bis zu dreimal im Jahr werfen und Nachwuchs zum Kuscheln und Abschießen produzieren.
Das wiederum geht nur, wenn man die Löwenbabys schon wenige Tage nach der Geburt den Müttern wegnimmt und isoliert, bis sie ausreichend Hunger haben, um sich von Freiwilligen wie Tina mit der Flasche füttern zu lassen. Auf manchen Farmen arbeiten bis zu 30 Freiwillige. Da soll es keinem der aufgeklärten Westeuropäer auffallen, dass das etwas dubios ist? Doch, das tut es, und dann wird es schnell gar nicht mehr kuschelig für junge Leute, die kritische Fragen stellen. So ein Freiwilligendienst ist schnell beendet, wenn Beschwichtigungen und sanfte Drohungen nicht reichen.
Walk on the wild side
Für manche Löwen gibt es eine für dubiose Investoren praktische und erneut lukrative Zwischennutzung: Löwenspaziergänge, „Walk with Lions", sind beliebt bei Südafrikas Safarianbietern. Fünfzig Euro für ein so „einmaliges" Erlebnis, das kann man schon mal machen, wenn auch nicht ganz ungefährlich, wie Todesfälle zeigen. Und auch wenn am Ende der finale Schuss des Trophäenjägers den Löwen erlöst, ist das Geschäft noch nicht zu Ende. Eine Verwertung von der Wiege bis zur Bahre ermöglicht die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM). Ausgebeint und luftgetrocknet freut sich die TCM über Ersatzstoffe für wertvolle Tigerknochen. Löwe oder Tiger – Panthera leo oder Panthera tigris – wer will das schon unterscheiden, helfen gegen Rheuma und verleihen Manneskraft. Wer’s nötig hat und dran glaubt, ist bereit, für den Tiger im Tank eine Menge zu bezahlen – auch wenn es nur ein Löwe ist.
Der Kampf beginnt
Die südafrikanische Naturschutzorganisation Wildlands Conservation Trust ist schon vor einigen Jahren auf diese Praktiken gestoßen. Der Versuch, diesen im Land selbst mit guten Argumenten zu begegnen, scheiterte kläglich. Zu eng sind die Verflechtungen zwischen den Farmern und den Verantwortlichen in Regierung und Verwaltung. Die Dokumentation „Blood Lions – bred for the bullet" brachte die Wende. Das Team um den Umweltaktivisten und Publizisten Ian Michler recherchierte ein Jahr lang das Geflecht zwischen Wirtschaft und Politik, Naturschutzgesetzen und Lücken darin, zwischen Safarianbietern und Reiseveranstaltern. Entstanden ist eine Dokumentation, die nichts für zarte Nerven ist. Es geht zur Sache, und zwar nicht nur mit den Löwen, sondern auch mit dem Filmteam.
In Südafrika und mit guten Worten, das war bald klar, würde man nicht weiterkommen. Nach ausgezeichneten Resonanzen zu „Blood Lions" in den USA bringt der Global Nature Fund (GNF) die Kampagne unter dem Namen „Lions for Sale – Aufgezogen für den Abschuss" nach Deutschland. Das Ziel ist, potentielle Freiwillige zu erreichen und zu sensibilisieren, damit sie solche Reisen nicht machen, sondern echte Artenschutzprojekte unterstützen. Dort kann man zwar gerade nicht mit Löwen kuscheln, dafür wird man erwachsen und tut wirklich etwas für den Arten- und Naturschutz.
Aufklärung ist wichtig
Der GNF braucht Ihre Unterstützung! Bitte spenden Sie auf folgendes Spendenkonto bei der GLS Bank:
IBAN DE 53 4306 0967 8040 4160 00, Stichwort Bloodlions |
Der GNF wendet sich im Rahmen der Kampagne an Organisationen, die solche Freiwilligenprogramme anbieten, und klärt diese, ebenso wie Anbieter von Afrikareisen, über die Hintergründe auf. Auch mit dem Deutschen Jagdverband (DJV) gab es Gespräche. Der DJV hält die Gatterjagd und die damit verbundenen Praktiken für unethisch. Echte Jäger, auch Trophäenjäger, das haben die Vertreter unzweideutig klargemacht, machen eine Safari und knallen nicht auf geschwächte Löwen im Gehege. Noch besser als ein Kadaver an der Wand, das findet zumindest der Global Nature Fund, sind einmalige Erinnerungen an den König der Löwen, wild, frei und quicklebendig. Und wenn schon Schüsse, dann gelungene, einmalige Schnappschüsse, mit der Kamera auf Fotosafari. Und dafür muss kein Löwe sterben.
Thomas Schaefer
ist Biologe und beim Global Nature Fund zuständig für internationale Naturschutzprojekte. Als Vater von vier Töchtern ist es ihm persönlich ein Anliegen, dass jugendliche Freiwillige nur sinnvolle Projekte unterstützen.
Umwelt | Naturschutz, 03.08.2017
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2017 - Tierische Geschäfte erschienen.
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