BIOFACH 2025

11. Dienstwagen-Check unter deutschen Spitzenpolitikern

Deutsche Umwelthilfe vergibt neunzehn "Grüne Karten"

Zum elften Mal hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) deutsche Spitzenpolitiker nach ihren Dienstwagen befragt und die Fahrzeuge nach der Höhe der offiziellen CO2-Emissionen sowie der Antriebsart untersucht. Der jährliche Blick unter die Motorhauben des politischen Spitzenpersonals zeigt Wirkung: 2017 zeichnet die DUH 19 Spitzenpolitiker mit einer "Grünen Karte" aus, mehr als doppelt so viele wie 2016. Die DUH fordert alle Politiker auf, auf schmutzige Diesel-Dienstwagen zu verzichten, mit alternativen emissionsarmen Antriebsarten ein positives Beispiel zu setzen und die Verkehrswende voranzubringen.
 
DUH-Bundesgeschäftsführer Resch fordert Umstieg auf emissionsarme Antriebsarten © Free-Photos, pixabayVoraussetzung für die Auszeichnung mit einer "Grünen Karte" ist die Unterschreitung eines CO2-Ausstoßes von unter 117 g/km sowie eine umweltfreundliche Antriebsart (Elektro-, Erdgas-, Benzin-Plug-In Hybrid oder konventioneller Benzinantrieb). Insgesamt stieg die Zahl der Spitzenpolitiker mit umweltfreundlicher Antriebsart zwar deutlich an, allerdings bleibt mit 171 von 233 befragten Spitzenpolitikern die Mehrheit weiterhin dem Dieselantrieb treu. Diesel-Pkw werden wegen ihrer hohen Realemissionen von giftigen Stickoxiden (NOx) grundsätzlich abgewertet und erhalten generell keine "Grüne Karte". Zu den Ergebnistabellen: l.duh.de/170917.

"Es freut uns, dass deutlich mehr Spitzenpolitiker als im Vorjahr klimaverträglicher und gleichzeitig sauber unterwegs sind und so zeigen, dass man auch ohne schmutzigen Dieselantrieb mobil sein kann. Wir fordern alle Spitzenpolitiker auf, diesem Beispiel zu folgen und sich von ihren Diesel-Dienstwagen zu verabschieden. Angesichts der ab 2018 kommenden Diesel-Fahrverbote sollten die verantwortlichen Regierungspolitiker die Verkehrswende aktiv mitgestalten und bei ihren Dienstwagen auf umweltfreundliche Antriebsarten umsteigen", sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.

Einzelne Diesel-Limousinen wurden zwischenzeitlich als besonders schmutzig identifiziert. Gerade der bei Politikern beliebte Audi A8 Euro 6 ist auf der Straße mit einer gemessenen 24-fachen Überschreitung des geltenden Grenzwertes für Stickoxid eine wahre Drecksschleuder und eine Gesundheitsgefahr. Dies belegen Messungen der DUH im Rahmen ihres Emissions-Kontroll-Instituts (EKI).

Erfreulich ist, dass Bundesumweltministerin Barbara Hendricks von allen Mitgliedern des Bundeskabinetts mit 115 g CO2/km den sparsamsten Dienstwagen und gleichzeitig keinen Diesel sondern einen Benzin-Hybrid fährt. Im Jahr zuvor belegte sie noch den letzten Rang. Schlusslichter sind in diesem Jahr Bundesjustizminister Heiko Maas und Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries, deren Dienstwagen nicht nur durch einen Diesel-Motor angetrieben werden, sondern auch jeweils 159 g CO(Sub>2/km ausstoßen.

Betrachtet man die Fuhrparks der Minister und ihrer Staatssekretäre, belegen das Auswärtige Amt mit einem durchschnittlichen CO2-Ausstoß von 122 g/km (2016: 132 g/km) und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit mit einem CO2-Ausstoß von 126 g/km (2016: 122 g/km) die vorderen Plätze.

Während 2016 auf Bundesebene lediglich eine "Grüne Karte" vergeben wurde, erhalten dieses Jahr sieben Politiker die Auszeichnung. Dies liegt an der deutlich ausgeweiteten Nutzung von Benzin-Plug-In Hybrid-Dienstwagen. Alle ausgezeichneten Dienstwagen der Bundesminister und Staatssekretäre haben einen CO2-Ausstoß von jeweils 115 g/km. Das Schlusslicht auf Bundesebene bildet die parlamentarische Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller (BMAS) mit einer Diesel-betriebenen Mercedes S-Klasse und einem CO2-Ausstoß von 169 g/km.

Enttäuschend fällt das Ergebnis bei den Regierungschefs der Länder mit einem durchschnittlichen CO2-Ausstoß von 179 g/km aus. Der Grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann fährt einen Benzin-Hybrid mit 142 g CO2/km. Elf Länderchefs sind in Diesel-Limousinen unterwegs. Die Regierungschefs Volker Bouffier, Hannelore Kraft, Michael Müller und Horst Seehofer fahren die klimaschädlichsten Fahrzeuge. Ihre Benzin-Dienstwagen stoßen jeweils deutlich über 250 g CO2/km aus.

Nachdem die Bayerische Staatskanzlei 2016 die Angaben zum Dienstwagen von Ministerpräsident Seehofer verweigert hatte, hält sich Horst Seehofer in diesem Jahr an das Urteil des Verwaltungsgerichts München. Vorausgegangen war eine Klage der DUH gegen den Freistaat Bayern vor dem Verwaltungsgericht München. Das Gericht bestätigte im Februar 2017 den Anspruch der DUH gegenüber dem bayerischen Ministerpräsidenten auf Herausgabe von Umweltdaten.

Ministerpräsident Horst Seehofer belegt in diesem Jahr mit seinem BMW 760Li High Security Limousine und einem CO2-Ausstoß von 303 g CO2/km zusammen mit dem Minister für Inneres und Kommunales aus Nordrhein-Westfalen, Ralf Jäger, den letzten Platz im Gesamtranking der Dienstwagenumfrage unter allen Spitzenpolitikern in Deutschland. Zudem sind beide Klimakiller-Limousinen mit einem Dieselantrieb versehen.

Bei den Landesregierungen erhalten zwölf Spitzenpolitiker die "Grüne Karte". Alle fahren einen Benzin-Plug-In Hybrid-Dienstwagen mit weniger als 115 g CO2/km. Der niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel belegt mit einem CO2-Ausstoß von 100 g/km nicht nur bei den Landesregierungen, sondern auch im Gesamtranking den Spitzenplatz. Auf Platz zwei und drei folgen der Justizsenator Hamburgs, Till Steffen, mit 101 g CO2/km sowie der Hamburger Senator für Umwelt und Energie, Jens Kerstan, mit 102 g CO2/km.

Viele Bundesländer fallen mit einem extrem hohen durchschnittlichen CO2-Ausstoß auf. So bleibt etwa die Regierung des Freistaats Bayern ihrer Neigung zu schmutzigen, spritschluckenden und klimaschädlichen Dienstwagen mit einem durchschnittlichen CO2-Ausstoß von 163 g/km (2016: 165 g/km) treu. Das Bundesland wird im diesjährigen Ranking nur noch von Nordrhein-Westfalen mit einem durchschnittlichen CO2-Ausstoß von 172 g/km (2016: 158 g/km) übertroffen. Positiv hervorstechen die Länder Hamburg mit 114 g CO22/km, welche auf einem guten Weg sind, den EU CO2-Flottenzielwert von 95 g CO2/km bis zum Jahr 2020 einzuhalten. Den größten Sprung hat Sachsen-Anhalt zu verzeichnen. Das Bundesland verbessert sich auf Platz sechs mit einem durchschnittlichen CO2-Ausstoß von 139 g/km (2016: 151 g/km).

Im Parteienvergleich schneidet wiederholt das Bündnis90/Die Grünen mit einem durchschnittlichen CO2-Ausstoß von 126 g/km am besten ab. Sie liegt erneut als einzige Partei unter dem durchschnittlichen CO2-Ausstoß der Pkw-Neuzulassungen in Deutschland. Es folgt Die Linke mit durchschnittlich 136 g CO2/km, FDP mit 138 g CO2/km, SPD mit 145 g CO2/km und die CDU mit 155 g CO2/km. Schlusslicht sind auch in diesem Jahr die Mitglieder der CSU, die im Durchschnitt 163 g CO2/km ausstoßen.

Die DUH weist allerdings darauf hin, dass die realen CO2-Emissionen von Neuwagen immer stärker von den Herstellerangaben abweichen. Durch die Verwendung illegaler Abschalteinrichtungen, Manipulationen an den Ausrollfahrzeugen und Verzicht des Kraftfahrt-Bundesamtes auf herstellerunabhängige CO2-Nachprüfungen, werden Autokäufer und Finanzminister systematisch getäuscht. Der Mehrverbrauch hat sich bei gleichgebliebenem Testverfahren über die letzten 15 Jahre von ehemals neun auf zwischenzeitlich 42 Prozent im Durchschnitt erhöht.

Der International Council on Clean Transportation (ICCT) hat in seiner Studie "From Laboratory to Road" (2016) den Mehrverbrauch für die verschiedenen Hersteller und Fahrzeugklassen dargestellt. Der ICCT stellte bei den in der DUH-Dienstwagenumfrage vorkommenden Herstellern folgende Abweichungen fest: Mercedes-Benz 54 Prozent, Audi 49 Prozent, BMW 43 Prozent und VW mit 40 Prozent.

Die DUH hat daher für den 11. Dienstwagen-Check die offiziellen CO2-Angaben mit einer Angabe zum Realverbrauch nach Marken in Prozent ergänzt. Ausgenommen sind Plug-In Hybride, da hierzu noch keine solide Datengrundlage vorliegt.

"Die Lücke zwischen Herstellerangaben und Realverbrauch untergräbt den Erfolg angeblich sinkender CO2-Emissionen der Dienstwagen. Dieser Betrug an Umwelt und Verbraucher muss ein Ende haben. Wir benötigen endlich unabhängige behördliche Nachmessungen der CO2-Emissionen auf der Straße und wirksame Sanktionen bei Verstößen. Dies ist rechtlich möglich und längst überfällig", fordert Barbara Metz, Stellvertretende DUH-Bundesgeschäftsführerin.

Um die Lücke zwischen Herstellerangaben und realen Verbräuchen zu schließen, hat die DUH eine von der Europäischen Kommission geförderte Informationskampagne "Get Real - für ehrliche Spritangaben" gestartet (www.get-real.org/my-front-page-de/).

Hintergrund:
Von Februar bis September 2017 befragte die DUH insgesamt 233 deutsche Bundes- und Landespolitiker zu ihren Dienstwagen. In den Ergebnistabellen wurden die bei Anfragestellung jeweils im Amt befindlichen Politiker berücksichtigt. Neu bestellte und im Einsatz befindliche Dienstwagen wurden bis einschließlich April 2017 einbezogen. Die besonders geschützten Fahrzeuge der Bundeskanzlerin, der Verteidigungsministerin, des Finanz-, Innen- und Außenministers und des Bundespräsidenten werden wie in den Vorjahren nicht gewertet.

Der EU CO2-Flottenzielwert von 130 g /km für das Jahr 2015 wird bis zum Jahr 2020 auf 95 g CO2/km verschärft. Die DUH passt daher für die Dienstwagenumfrage ihre Bewertungskriterien jährlich schrittweise an und verschärft diese. Für den Erhalt einer "Grünen Karte" liegt der Wert in diesem Jahr bei unter 117 g CO2/ km (2016: 124 g/km) - bezogen auf alle Antriebsarten außer Diesel.

Das Ranking stützt sich wie in den letzten Jahren auf die offiziellen beim Kraftfahrt-Bundesamt hinterlegten Angaben zum durchschnittlichen CO2-Ausstoß in Gramm pro Kilometer (g/km). Bei Elektro-Pkw sowie Plug-In Hybriden legt die DUH die mit der Stromerzeugung verbundene durchschnittliche CO2-Emission laut Berechnungen des Umweltbundesamtes zugrunde. Eine Berücksichtigung individueller Tank- bzw. Strombezugsquellen (Biodiesel beziehungsweise Ökostrom) unterbleibt, da ansonsten ein Vergleich des Energieverbrauchs und der durch den Gebrauch der Fahrzeuge verursachten CO2-Emissionen unmöglich gemacht würde.

Weitere Informationen:
Zu den Ergebnistabellen: l.duh.de/170917
Zu den DUH-Dienstwagenumfragen: www.duh.de/dienstwagencheck/
Zur ICCT-Studie "From Laboratory to road 2016": www.theicct.org/laboratory-road-2016-update
 

Technik | Mobilität & Transport, 19.09.2017

     
        
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