Biomasse produzieren, Recht auf Nahrung wahren
Food Security-Kriterien im Praxistest
„Weltweit beginnen Länder damit, Bioökonomie-Strategien umzusetzen, in der Folge steigt die Nachfrage nach Biomasse für Non-food-Zwecke. In der EU haben sich die Regierungen vor diesem Hintergrund zum Grundsatz „Food first!" bekannt. Um diesen einzuhalten und zu überprüfen, fehlt es allerdings noch an einem praxistauglichen und allgemein anerkannten Zertifizierungsstandard. Diese Lücke wollen wir schließen", erklärt Dr. Rafaël Schneider von der Welthungerhilfe. Gemeinsam mit dem WWF und dem Zentrum für Entwicklungsforschung der Universität Bonn werden derzeit die in einem Vorläuferprojekt entwickelten Ernährungssicherungs-Kriterien in der Praxis erprobt. „Große Nachhaltigkeitsstandards wie ISCC, RSPO und Cotton made in Africa kooperieren mit uns und werden den neuen Food Security Standard (FSS) unter realen Bedingungen prüfen. Sie unterstützen uns dabei, die Praxistauglichkeit sicherzustellen und nachzuweisen. Das ist ein Riesenerfolg!", so Schneider.

Freiwillige Standards und Zertifizierungskriterien für eine nachhaltige Biomasseproduktion gibt es bereits einige. Manche beziehen sich nur auf bestimmte Rohstoffe wie die Runden Tische für Palmöl bzw. Soja oder der Forest Stewardship Council (FSC) für Holz. Andere wie der International Sustainability & Carbon Certification Standard (ISCC) oder das System des Schweizer Runden Tisches für nachhaltige Biomaterialien (Roundtable on Sustainable Biomaterials, RSB) sind auf diverse Rohstoffe anwendbar. Alle diese Systeme berücksichtigen bislang jedoch kaum die Frage der Ernährungssicherheit, auch wenn sie in Ländern zertifizieren, in denen Hunger herrscht. Die wenigen existierenden Vorschläge werden in der Praxis noch nicht angewandt, da sie sehr komplex sind. Hier setzen die drei Organisationen gemeinsam mit Zertifizierungsstandards an: Ihr Ziel ist es, bestehende Zertifizierungssysteme durch den Food Security Standard (FSS) so zu ergänzen, dass die Einhaltung des Menschenrechts auf angemessene Ernährung1 auf lokaler Ebene bei der Produktion nachwachsender Rohstoffe überprüft und sichergestellt werden kann. Insbesondere Länder und Regionen in Afrika, Asien und Lateinamerika, in denen dieses Recht in der Praxis nicht immer erfüllt wird, sollen davon profitieren. Dazu erarbeitete und publizierte das Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) der Uni Bonn in Kooperation mit der Welthungerhilfe in einem Vorgängerprojekt bereits den konzeptionellen Rahmen und 45 konkrete Kriterien, die bei Zertifizierungsprozessen einsetzbar sind. Die Wissenschaftler hatten dazu existierende Standards analysiert, geeignete Kriterien übernommen und fehlende ergänzt.
Im seit Mai 2017 laufenden Vorhaben geht es nun darum, diese Kriterien in regulär laufende Zertifizierungsprozesse zu integrieren. Dies erfolgt an Standorten, an denen bereits Biomasse für den Weltmarkt produziert wird. Als ersten Meilenstein konnte das Projekt bereits Absichtserklärungen für die Pilotzertifizierungen einholen: In Bolivien und Guatemala wird der Food Security Standard im Zuckerrohranbau Anwendung finden, und zwar sowohl bei Kleinbauern als auch auf Plantagen. In der Côte d’Ivoire wird der kleinbäuerliche Baumwollanbau einbezogen. Ein Pilot ist im Kakaoanbau in Sierra Leone geplant. In Indonesien wird der Ölpalmen-Anbau in das Projekt einbezogen. Um die Pilotprojekte einheitlich durchzuführen, erstellen die Beteiligten ein Auditorenhandbuch. Dieses soll, basierend auf den Erfahrungen im Projektverlauf, kontinuierlich fortgeschrieben werden. Außerdem entstehen Trainingsmaterialien, die die Auditoren für die Überprüfungen der Ernährungssicherung schulen.
Die wissenschaftliche Begleitung des Vorhabens durch das ZEF zielt darauf, die tatsächliche Wirksamkeit des Food Security Standards bezüglich des Schutzes des Menschenrechts auf Nahrung sicherzustellen.
Schließlich ist es Ziel des Vorhabens, den Food Security Standard nach erfolgreicher Erprobung bekannter zu machen. Dazu will das Projektteam auf weitere Standards und Unternehmen zugehen und den Dialog mit wichtigen Stakeholdern aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft suchen. Denn nur gemeinsam kann es gelingen, den Food Security Standard als Baustein zu etablieren, um das Primat der Ernährungssicherung in der Bioökonomie einzuhalten.
(1) Nach der Definition der FAO auf dem World Food Summit 1996, Rom: „Food security exists when all people, at all times, have physical and economic access to sufficient, safe and nutritious food that meets their dietary needs and food preferences for an active and healthy life.”
Lifestyle | Essen & Trinken, 28.09.2017

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