Die Ritter der Kakaobohne
Faire Erzeugung in Nicaragua

In den letzten zwölf Monaten sind die Preise für Kakao auf dem Weltmarkt stark eingebrochen. Damit ist die Lebensgrundlage für viele Kakaobauern gefährdet. Ritter Sport, ein deutsches Familienunternehmen, möchte eigene Erfahrungen mit dem Rohstoff, den Anbaubedingungen und dem Lieferantenmarkt machen und hat deshalb in Nicaragua eine rund 2.500 Hektar große Brachfläche gekauft, um dort nach sozial und ökologisch nachhaltigen Standards Kakao in Agroforstwirtschaft zu kultivieren. Im forum-Gespräch erläutert der Vorsitzende der Geschäftsführung Andreas Ronken die Hintergründe für diesen ungewöhnlichen Schritt in die Lieferkette.
Herr Ronken, kann die Industrie Erzeuger-Probleme vor Ort lösen, wenn sie selbst den Anbau übernimmt?
Als einzelnes Unternehmen können wir die Probleme im Kakaoanbau natürlich nicht lösen. Das geht nur als gemeinsame Anstrengung aller Marktteilnehmer. Aber wir wollen mit unserer Plantage El Cacao zeigen, dass es möglich ist, Kakao zu ökologisch und sozial vernünftigen Bedingungen und zugleich zum Marktpreis anzubauen. Neben der aus unserer Sicht sinnvollen Anbaumethode der Agroforstwirtschaft wollen wir vor allem auch unser westliches und technisches Know-how für den Kakaoanbau nutzen. Die Mechanisierung ist ein wichtiger Teil davon. Wir lernen auf El Cacao viel, wollen aber von unserem Wissen auch etwas weitergeben.
Kritiker werden Ihnen vorwerfen, dass Sie den Bauern ihre Lebensgrundlage – das Land – wegnehmen.
Diese Stimmen mag es geben, sie entsprechen aber nicht der Realität. Gerade in Mittelamerika ist Landgrabbing kein Thema. Dort liegen große Flächen brach. Das war auch in unserem Falle so. Dort, wo heute El Cacao entsteht, war bis vor wenigen Jahren Brachland. Die Fläche ist ehemaliges Weideland, das aber nicht mehr genutzt wurde und das wir Großgrundbesitzern abgekauft haben. Die Wiederaufforstung und nachhaltige Nutzung ist daher auch unter ökologischen Aspekten äußerst sinnvoll. Darüber hinaus bieten wir auf El Cacao inzwischen über 300 Mitarbeitern gute und sichere Arbeitsplätze.
Wie weit ist Ihre eigene Plantage denn? Läuft alles planmäßig?
Wir erwarten Ende dieses Jahres die erste kleine Ernte. Den Kakao werden wir zwar noch nicht für unsere Schokolade, sondern zunächst für wichtige Sensorik-Tests nutzen, aber wir liegen im Plan. In den fünf Jahren seit dem Landerwerb hat sich allerdings vieles anders entwickelt, als wir es geplant hatten. Eine besondere Herausforderung war die fehlende Infrastruktur. Vom Kakaoanbau kamen wir auch noch zum Straßenbau und haben inzwischen über 70 Kilometer Straße und drei große Brücken gebaut. Dazu mussten wir erst einmal eigene Steinbrüche erschließen. Das klingt vielleicht banal, hatte aber durchaus das Potenzial, das ganze Vorhaben scheitern zu lassen…
Uns war immer bewusst, dass es ein Risiko ist, die eigene Wertschöpfungskette zu verlängern und sich an ein Thema zu wagen, das man eigentlich nicht beherrscht. Aber wir haben diese Dinge bislang gut in den Griff bekommen und viel gelernt. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass wir sehr gute Mitarbeiter vor Ort gefunden haben – ein Aspekt, den wir uns übrigens sehr viel schwieriger vorgestellt hatten.
Kakaopreise im freien Fall
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Führt die von Ihnen angesprochene Mechanisierung nicht letztlich zu einer Rationalisierung und damit zu einem Wegfall von Arbeitsplätzen im Kakaoanbau?
Diese Kritik führt in die Irre. Nachhaltigkeit muss auch menschenwürdige Arbeit bedeuten. Nehmen Sie das Beispiel Kakaoschneidemaschine. Es kann doch nicht im Sinne der Nachhaltigkeit sein, dass die Arbeiter die Kakaofrüchte weiterhin mit der Machete öffnen und sich regelmäßig schwer verletzen – wie das in den Kakaoanbauregionen ständig passiert. Wer meint, dass es besser ist 1.000 Leute zu beschäftigen, die trotz Verletzungsgefahr die Kakaofrüchte mit der Machete öffnen, statt 300 mit buchstäblich sicheren Arbeitsplätzen, hat aus meiner Sicht von Nachhaltigkeit nichts verstanden.
Brauchen wir eine Diskussion darüber, was nachhaltiges Wirtschaften in Ländern wie Nicaragua überhaupt bewirken soll?
Wir müssen uns auf jeden Fall von der romantischen Idee verabschieden, dass nachhaltige Landwirtschaft eine Landwirtschaft wie vor 100 Jahren ist. Für die Bauern hat das nämlich nichts Romantisches. Im Kakaoanbau gibt es zwei grundlegende Probleme: zum einen die fehlende Modernisierung des Anbaus, zum anderen die mit 2,5 Hektar geringe durchschnittliche Größe der Anbauflächen. 2015 hat das Südwind Institut eine Studie zu unserem Cacao-Nica Programm durchgeführt, mit dem wir seit 27 Jahren nicaraguanische Kleinbauern beim nachhaltigen Kakaoanbau unterstützen. Die Studie zeigt, dass unser Ansatz, durch nachhaltigen Anbau Qualität und Ertrag zu optimieren, einen wichtigen Beitrag dazu leistet, die Lebenssituation der Bauern zu verbessern. Sie zeigt aber auch, dass dies nicht zuletzt von der Größe der verfügbaren Anbaufläche abhängig ist. Die wirtschaftliche Lage der Kakaobauern wird sich nicht grundlegend verbessern lassen, wenn der Anbau weiterhin vor allem auf Kleinstflächen erfolgt. Das ist in etwa so, als hätten wir in Deutschland wie zu Zeiten unserer Groß- oder Urgroßeltern jeder seine kleine Landwirtschaft hinter dem Haus. Das kann langfristig nicht das Ziel nachhaltigen Wirtschaftens sein.
Der Eigenanbau auf El Cacao wird immer nur einen Teil Ihres Kakaobedarfs decken. Was ist mit dem Rest?
Unser Ziel lautet ganz klar Transparenz. Wir wollen wissen, woher unser Kakao stammt und zu welchen sozialen und ökologischen Bedingungen er angebaut wird. Das geht weit über den Bezug von „einfach nur" zertifiziertem Kakao hinaus, auch wenn der für uns eine wichtige Rolle spielt. Wir setzen grundsätzlich auf drei Säulen: den Einkauf von zertifiziertem Kakao, den Eigenanbau auf El Cacao und den Direktbezug. Wir gehen daher davon aus, dass wir spätestens 2020 – möglicherweise auch schon früher – vollständig auf nachhaltig zertifizierten Kakao umstellen können.
Was ist aus Ihrer Sicht notwendig, um den Kakaoanbau insgesamt nachhaltiger zu gestalten?
Ich bin davon überzeugt, dass es vor allem der intensiven Zusammenarbeit von Industrie, den Regierungen der Kakao produzierenden Länder und den NGOs bedarf – wie sie zum Beispiel im Forum Nachhaltiger Kakao stattfindet. Natürlich haben diese drei Gruppen eine unterschiedliche Sicht auf die Dinge. Am Ende kann für die Kakaobauern aber nur etwas dabei herauskommen, wenn die verschiedenen Perspektiven zusammenkommen. Aber eines ist klar: Bei den Bauern sollte einfach mehr ankommen. Dazu muss die Supply Chain im Kakao erheblich vereinfacht werden: Es gibt viel zu viele Zwischenhändler, die alle mitverdienen wollen. Die Industrie hat hier eine ganz klare Verantwortung: Wir müssen nachhaltig produzierte Rohstoffe einsetzen und damit den nachhaltigen Anbau fördern.
Gegenwärtig tobt eher der Preiskampf und die Kakaopreise fallen. Woran liegt das?
Wenn ich das so genau wüsste. Es gibt keine Nachfragekurve, die den bisherigen eklatanten Anstieg und jetzt das Fallen der Kakaopreise rechtfertigen würde. Aus meiner Sicht ist das vor allem spekulationsgetrieben. Der Kakaomarkt ist relativ klein, da lassen sich die Kurse leicht spekulativ beeinflussen. Für die Menschen am Ursprung ist das natürlich eine Katastrophe. Und ich denke auch, es ist aus ethischer Sicht nicht hinnehmbar, dass mit Lebensmitteln derart spekuliert wird.
Herr Ronken, wir danken für das Gespräch und wünschen viel Erfolg mit dem Projekt „El Cacao".
Quelle: Alfred Ritter GmbH & Co. KG
Wirtschaft | Lieferkette & Produktion, 30.09.2017
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2017 - Tierische Geschäfte erschienen.

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