30 Jahre Brundtland-Bericht

Eindimensionales Denken überwinden

Dr. Volker Hauff, Bundesminister a. D., war lange Jahre Vorsitzender des Rats für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung und Mitglied der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung. Er gehörte zu den Verfassern des sogenannten Brundtland-Berichts („Our Common Future", 1987), in dem das Konzept der nachhaltigen Entwicklung erstmals global formuliert wurde.  
 
Herr Dr. Hauff, Sie haben der UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung unter dem Vorsitz von Gro Harlem Brundtland angehört. Vor 30 Jahren, am 4. August 1987, legte die Kommission ihren Bericht mit dem Titel "Our Common Future" vor. Was war für Sie damals die wichtigste Leistung dieses Berichts?
Dr. Volker Hauff, einer der Verfasser des Brundtland-Berichts © Nola BunkeMit dem Bericht wurde das Thema "Nachhaltigkeit" auf die Tagesordnung der internationalen Diskussion gesetzt. Es ist seither nicht mehr verschwunden; im Gegenteil: Das Thema hat einen beispiellosen Siegeszug hinter sich. Heute steht es im Zentrum der wichtigen Debatten.
 
Das mag damit zusammenhängen, dass wir in der Brundtland-Kommission nicht versucht haben, die Wahrheit zu finden und dogmatisch festzuhalten; sondern wir haben uns darum bemüht, Fragen und Gedanken zu formulieren, die es wert sind, darüber gründlich nachzudenken, weil sie das eindimensionale Denken – sei es in der ökonomischen oder ökologischen oder sozialen Dimension –überwinden. Wir wollten uns und andere dazu ermuntern, dieses neue Denken zu wagen; auch weil wir wussten, was Einstein so formulierte: "Man kann ein Problem nicht mit dem Denken lösen, das zu diesem Problem geführt hat".
 
Und was ist aus heutiger Sicht wichtig?
Mehr zum Thema "Sustainable Development" lesen Sie auf unserer Homepage und in der Ausgabe 4/2017 von forum Nachhaltig Wirtschaften.
Heute ist der Begriff in aller Munde und man muss aufpassen, dass er nicht verwässert wird. Ein Beispiel mag das verdeutlichen: Die Deutsche Bank hat bei der Sanierung ihrer Bürotürme in Frankfurt sehr umsichtig gehandelt. Dafür wurde sie mit einem Preis für Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Aber gleichzeitig hat die Bank mit kriminellen Methoden den Kreditmarkt vergiftet, und das ist ihr eigentliches Geschäft. Da hat sie keine nachhaltigen Lösungen praktiziert. Und deswegen müssen wir darauf achten: Nachhaltigkeit muss mit den eigentlichen Kernaufgaben eines Unternehmens, einer Organisation, eines Gemeinwesens oder einer Einzelperson zu tun haben. Nachhaltigkeit ist viel mehr als "nice to have". Nachhaltigkeit ist der Ernstfall. Und wir müssen wissen: Wir stehen ganz am Anfang einer Entwicklung, die das 21. Jahrhundert wesentlich bestimmen muss.

Die Themen Umwelt und Nachhaltigkeit haben Sie bis heute begleitet; u. a. waren Sie Mitglied des Rats für Nachhaltige Entwicklung und der Ethikkommission für eine sichere Energieversorgung. Wo sehen Sie heute die dringlichsten Handlungsfelder für Deutschland – und für die EU?
Wir brauchen heute keine generelle Überzeugungsarbeit mehr zu leisten, um Menschen davon zu überzeugen, dass die Arbeit an einer nachhaltigen Entwicklung richtig und vernünftig ist. Aber wir müssen noch viele davon überzeugen, dass es notwendig ist, vom Ziel einer nachhaltigen Entwicklung auch dann nicht abzulassen, wenn es schwierig wird und wir auf Widerstände stoßen. Die größten ungelösten Probleme liegen vor allem im Bereich der Finanzwirtschaft. Das wird uns noch viel Kopfzerbrechen bereiten. Und das zweite große Feld bei dem die Nachhaltigkeit eher in Mitleidenschaft gezogen wird, ist die enorm zunehmende Kluft innerhalb unserer Gesellschaft. Das hat mit materiellen Fragen zu tun, aber es erschöpft sich nicht darin; es gibt auch so etwas wie eine zunehmende seelische Verarmung, die gelegentlich zur Verwahrlosung führt. Das hält auf Dauer keine Gesellschaft aus und deswegen ist das eine Gefahr für den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Das gilt nicht nur für die Gegenwart; das kann auch zu ernsthaften Belastungen für kommende Generationen führen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Hauff.

Gesellschaft | Politik, 06.12.2017

     
        
Cover des aktuellen Hefts

Pioniere der Hoffnung

forum 01/2025 ist erschienen

  • Bodendegradation
  • ESG-Ratings
  • Nachhaltige Awards
  • Next-Gen Materialien
Weiterlesen...
Kaufen...
Abonnieren...
23
DEZ
2024
Ein leuchtendes Zeichen für Demokratie und Gemeinschaft
Tollwood Winterfestival unter dem Motto "Wir braucht Dich!", bis 23. Dezember
80336 München
03
JAN
2025
48. Naturschutztage am Bodensee
Vorträge, Diskussionen, Exkursionen mit Fokus: Arten-, Klima- und Naturschutz
78315 Radolfzell
17
JAN
2025
Systemische Aufstellungen von Familienunternehmen und Unternehmerfamilien
Constellations machen Dynamiken sichtbar - Ticketrabatt für forum-Leser*innen!
online
Alle Veranstaltungen...
NatuVision Forum

Professionelle Klimabilanz, einfach selbst gemacht

Einfache Klimabilanzierung und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation gemäß GHG-Protocol

Megatrends

Depression ist die neue Volkskrankheit
Um den Trend zu stoppen empfiehlt Christoph Quarch einen Kommunikations- und Perspektivenwechsel - auch der Medien
B.A.U.M. Insights
Hier könnte Ihre Werbung stehen! Gerne unterbreiten wir Ihnen ein Angebot

Jetzt auf forum:

Fotoausstellung Klimagerecht leben

Ohne Vertrauen ist alles nichts

Zeit für Regeneration

The Custodian Plastic Race 2025

Niedriger Blutdruck: Wie bleibt man aktiv, ohne sich schwindlig zu fühlen?

Hacker vs. Host: Wie man Angreifer überlistet

Auf der Überholspur: Förderpolitik hat E-Busse wettbewerbsfähig gemacht.

TARGOBANK spendet 200.000 Euro für Herzensprojekte von Mitarbeitenden

  • World Future Council. Stimme zukünftiger Generationen
  • Futouris - Tourismus. Gemeinsam. Zukunftsfähig
  • Energieagentur Rheinland-Pfalz GmbH
  • Kärnten Standortmarketing
  • BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
  • Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
  • NOW Partners Foundation
  • Global Nature Fund (GNF)
  • ECOFLOW EUROPE S.R.O.
  • DGNB - Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
  • circulee GmbH
  • Engagement Global gGmbH
  • Protect the Planet. Gesellschaft für ökologischen Aufbruch gGmbH