Der Mensch ist, was er isst (Teil 3)
Inspirationen aus exotischen, trendigen oder seltenen Ernährungsphilosophien
Ayurveda: Das geistige Wohl im Sinn
Beim Ayurveda werden je nach Typ unterschiedliche Nahrungsmittel empfohlen. Der Heilslehre aus Indien geht es um körperliches und spirituelles Wohlbefinden. Im Mittelpunkt steht die frische Zubereitung gekochter, fettarmer und leicht verdaulicher Gerichte. Dazu gehören vor allem Milch, Getreide und Obst, während Fleisch, Alkohol, kohlensäurehaltige Getränke und Schokolade als ungesund gelten.
Basische Ernährung: Macht sauer nicht lustig?
Bei der basischen Ernährung werden Lebensmittel bevorzugt, die im Körper basische Wirkung haben und Säurebildung vermeiden: Gemüse, Mandeln, manches Obst und kalt gepresste Öle. Das soll für eine Stoffwechselentlastung sorgen und giftige Ablagerungen auflösen, die durch Säureüberschuss im Gewebe entstehen. Gesundheitliche Vorteile sind aber nicht nachgewiesen.
Fasten: Schlacken? Fehlanzeige.
Den Anhängern des Heilfastens gilt ihre Diät als Zeit geistiger und körperlicher Reinigung. Jährlich fasten laut der Ärztegemeinschaft Heilfasten fast drei Millionen Deutsche. Das heißt: eine Woche nur Tee, Gemüsebrühe und verdünnte Säfte; oft kommen Darmentleerungen mit Glaubersalz und Einläufen dazu. Im Gegensatz zu allen Lehren gibt es die unseren Körper vergiftenden Schlacken allerdings nicht. Dennoch gilt das Fasten als guter Einstieg für eine dauerhafte Ernährungsumstellung.
Frutarier: Wir lieben alle Lebewesen. Alle!
Vegan sein ist noch nicht genug? Auch Pflanzen haben eine Seele. Für Frutarier heißt das: Als Nahrungsmittel kommen nur solche Pflanzenteile in Frage, für deren Ernte die Pflanze nicht beschädigt wird - also bestimmte Früchte, Nüsse und Samen. Kartoffeln, die üblicherweise ihrem natürlichen Lebensraum Boden entrissen und dann verspeist werden, kommen einem Frutarier also nicht auf den Teller. Der Apfel dagegen fällt nicht weit vom Frutarierkorb. In Deutschland ziehen diese Ernährungsweise aber nur eine Handvoll Menschen durch.
Wie man Frutarier wird: www.thenewearth.org (englisch)
Steinzeitkost: Gemüse und Fleisch
Essen wie unsere Vorfahren, die Jäger und Sammler? Das kann nur gesund sein, sagen die Steinzeitköstler. Im Klartext: kein Getreide und allgemein wenig Kohlenhydrate, stattdessen Gemüse, Obst, Fleisch, Fisch, Milchprodukte und Eier. Besonders bei Abnehmwilligen, die Fleisch lieben, ist diese Ernährungsform auch als Low-Carb-Lehre oder Atkins-Methode bekannt und beliebt.
Rohkost: In Maßen gesund
Rohköstler ernähren sich von unerhitzten pflanzlichen, teils auch tierischen Lebensmitteln. Dazu zählen v.a. Obst und Gemüse, Kräuter, Öl, Blattgrün, Samen, Pilze, Nüsse, rohes Sauerkraut und für nicht-vegane Rohköstler auch Rohmilchprodukte sowie roher Fisch und rohes Fleisch. Die Strömung wird als Zwischendurch-Diät genutzt, oft aber als Ideologie gelebt. Der Hintergedanke: Unsere Verdauung habe sich noch nicht an die zivilisatorische Erhitzung von Speisen gewöhnt, wie an der Wurzel- und Beeren-Ernährung unseren nächsten Verwandten, den Menschenaffen, deutlich wird. "Humbug!", sagen Gegner - die Verträglichkeit von Milch in vielen westlichen Ländern sei schließlich auch erst wenige Jahrtausende alt.
Slow Food
Im Gegensatz zu Fast Food legt die Slow Food Bewegung Wert auf genussvolles, bewusstes und regionales Essen. Die Lebensmittel sind authentisch, indem sie regionale Wirtschaftskreisläufe stärken und den Essern die jeweils lokalen Traditionen im Wahrsten Sinne des Wortes schmackhaft machen. Die Bewegung zählt über 100.000 Mitglieder in 150 Ländern aller Kontinente. Der Organisation (mit dem Logo der Weinbergschnecke als Symbol der Langsamkeit) geht es vor allem um Genuss (quasi als "Menschenrecht") und Qualität, die eben ihre Zeit brauche. So setzt sich der Verein auch für ökologische Landwirtschaft, Artenschutz und den Erhalt kulinarischer Kulturen ein.
Das "Achtsame Essen" ist geistig mit der Slow Food Bewegung verwandt. Dabei soll jede Mahlzeit mit allen Sinnen wahrgenommen werden, um stärker die Signale des Körpers - wie z.B. das Sättigungsgefühl - zu erspüren. Die Methode hilft v.a. Menschen mit Essstörungen.
Vollwertkost
Die Vollwertkost konzentriert sich auf naturbelassene, möglichst unverarbeitete Lebensmittel wie frisches Obst, Gemüse, Milchprodukte, Nüsse, kalt gepresstes Öl, selbst geschrotetes Getreide und auch Fleisch in Maßen. Sie ähnelt der "vollwertigen Ernährung" die die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt.
Was denn nun?
Jeder muss seine "Essens-Religion" wohl selber finden. "Es gibt genug für alle, aber nicht für alles - ohne eine Änderung unseres Lebensstils geht es auch nicht", ist der Autor des Weltagrarberichts Hans R. Herren überzeugt. Wer sich gesund, umwelt- und menschenfreundlich ernähren will, ist mit folgenden Empfehlungen gut beraten:
- Essen Sie saisonal und regional: Möglichst wenig verarbeitet, der Jahreszeit entsprechend und aus der Umgebung sollten unsere Nahrungsmittel sein. "Wer kochen kann, kann alle frischen Zutaten genau zu ihrer Jahreszeit, im besten Zustand und super günstig zu leckeren Speisen verarbeiten", weiß auch der britische Star-Koch Jamie Oliver, der seine Millionen Leser und Zuschauer auch zu regionalen Kreationen inspiriert.
- Essen Sie Waren aus biologischem Anbau: Der sogenannte Weltagrarbericht (IAASTD Studie) und FAO/UNCTAD-Analysen ziehen den gleichen Schluss: Nicht Kunstdünger und Gentechnik, sondern nur ökologische Anbaumethoden können die Ernährung langfristig sicherstellen. Weniger Klimabelastung, bessere Bodenbehandlung, weniger Wasserverbrauch - die Gründe sind vielfältig. Nebenbei tragen Bio-Lebensmittel weniger Gesundheitsrisiken.
- Essen Sie weniger oder gar kein Fleisch - und wenn, dann qualitätsvoll. Die deutschen Anbauverbände Bioland, Naturland und demeter garantieren strengere Vorgaben für Tierhaltung und -fütterung, als das EU-Bio-Siegel. Die zertifizierten Höfe berücksichtigen stärker die Tierrechte, halten Tiere nicht nebenbei auch konventionell und beteiligen sich nicht am Discounter-Preiskampf.
- Wenn Sie noch weiter gehen wollen, um den Welthunger zu stoppen: Vermeiden Sie Geldinstitute und Finanzprodukte, die Nahrungsmittelspekulation betreiben oder in Saatgutpatente und die dazugehörigen Unternehmen investieren.
- Zu guter Letzt: Beschäftigen Sie sich mit Ihrem Essen. Wo kommt es her? Will ich genau das unterstützen? Immer mehr Städter kaufen sich z.B. Genossenschaftsanteile an einem Bauernhof, profitieren von frischem Obst, Gemüse, Milch und Fleisch - und können ab und zu sogar mitbuddeln. Und wer weiß, wo sein Essen herkommt, in dem wächst wieder etwas, dass uns leider in unserem Verhältnis zu Nahrung, aber auch Mensch und Tier viel zu sehr abhandengekommen ist: Wertschätzung.
Von Tina Teucher
Lifestyle | Essen & Trinken, 01.01.2013
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2013 - 300 Jahre Nachhaltigkeit in Deutschland erschienen.
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