Die fünf Schlüsseltrends im Bereich Nachhaltigkeit für 2018
Ein Beitrag von Britta Wyss Bisang
2018 wird viele wichtige Weichen stellen, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht. Denn sowohl die Nachfrage der Verbraucher als auch die Anforderungen der Unternehmen in diesem Bereich rücken immer weiter in den Fokus. Ich bin davon überzeugt, dass es vor allem die folgenden fünf Nachhaltigkeitstrends sind, die weiter an Bedeutung gewinnen werden - im Jahr 2018 sowie darüber hinaus. Zertifizierungen markieren dabei einen wichtigen Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit und spielen eine entscheidende Rolle innerhalb dieser Trends.
#1: Nachhaltigkeit ist auf der Agenda von Verbrauchern und Unternehmen nach oben gerückt
In den vergangenen Jahren ist Nachhaltigkeit zu einem immer wichtigeren Thema geworden. Studien zeigen, dass sich diese Entwicklung noch weiter verstärken wird. Schon 2015 hat das Marktforschungsunternehmen Nielsen mehr als 30.000 Verbraucher in 60 Ländern dazu befragt. Das Ergebnis: Zwei Drittel der Befragten waren bereit, mehr Geld für nachhaltige Produkte zu zahlen. Mehr als die Hälfte gab an, dass ihre Kaufentscheidungen davon beeinflusst werden, ob die Produkte natürlich bzw. biologisch angebaut wurden oder ob das Unternehmen dahinter für ein Handeln nach gesellschaftlichen Werten steht.
Zeitgleich erschien eine Studie von Cone Communications, die belegt, dass in den größten Industriestaaten der Welt 91 Prozent der Verbraucher von den Unternehmen erwarten, dass diese Verantwortung übernehmen und soziale und umweltbedingte Probleme angehen. Das ist eine überwältigende Mehrheit. Es kann nicht genug betont werden, wie hoch der Einfluss der Verbraucher ist. Ihre Kaufentscheidungen sind gleichzeitig ein Votum für oder gegen ein Unternehmen und dessen Produkte.
Parallel dazu nutzen immer mehr Regierungen und Unternehmen das 2015 beschlossene Pariser Klimaschutzabkommen und die Sustainable Development Goals (SDGs) der UN als Maßstab für ihre Arbeit im Bereich Nachhaltigkeit. Die SDGs haben zum Ziel, Armut zu beenden, die Erde zu schützen und Wohlstand zu sichern. Diese Ziele in Unternehmensstrategien einzubeziehen, ist eine positive Entwicklung weg von einem ausschließlich am Profit ausgerichteten System hin zu einem System, das die Menschenrechte und eine nachhaltige Umwelt als zentrale Bestandteile anerkennt.
So gibt es mit der Business Sustainable Development Commission eine Initiative, die sich aus den führenden Branchengrößen zusammensetzt, um einen Business Case zu entwickeln und damit die Umsetzung der SDGs zu erreichen. Die Anzahl an Ländern, die sich dazu bereit erklärt haben, eine freiwillige Prüfung zur Umsetzung der SDGs beim Hochrangigen Politischen Forum der UN durchzuführen, hat sich zudem im vergangenen Jahr verdoppelt und umfasst nun 43 Länder. Ein gemeinsamer Report des WWF und der ISEAL Alliance zeigt, wie Nachhaltigkeitsstandards dabei helfen können, den Prozess zur Umsetzung vieler SDGs voranzutreiben - und gleichzeitig zu Vorteilen für Unternehmen und Kleinerzeuger führen.
Nachhaltigkeit wird außerdem zunehmend eine Frage der Rechtspflicht. In Großbritannien sind Unternehmen mittlerweile rechtlich dazu verpflichtet, über ihre Bemühungen zur Abschaffung der Sklaverei in der gesamten Lieferkette zu berichten. In den USA wurde 2016 eine Gesetzeslücke geschlossen, die ein Verbot von Produkten nach sich zog, die mittels Kinderarbeit oder Sklaverei produziert wurden. In Frankreich wurde ein Gesetz gegenüber internationalen Konzernen erlassen, das sie verpflichtet, ihre Pläne zur Einhaltung der Menschenrechte zu veröffentlichen. Und es gibt weitere ähnliche Beispiele.
#2: Worte allein reichen nicht. Verbraucher wollen Taten sehen
Die Verbraucher von heute agieren sehr versiert, wenn sie sich erst einmal für eine Sache entschieden haben. Gut informierte Verbraucher wollen keine leeren Versprechungen, sie wollen Taten und Ergebnisse sehen. Und Unternehmen haben die technischen Mittel und Social Media, um ihnen zu zeigen, wie ihre Produkte entstehen.
Als Resultat daraus schließen sich viele Unternehmen mittlerweile Programmen für eine zertifizierte Rohstoffbeschaffung an - eines der Schlüsselinstrumente, um ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Gleichzeitig hilft ihnen eine Zertifizierung, Ergebnisse vorzulegen, die von unabhängiger Stelle bestätigt wurden. Mehrere große Unternehmen beziehen bereits zu 100 Prozent zertifizierte Rohstoffe.
Dennoch, so zeigt ein aktueller Bericht der Economist Intelligence Unit, besteht in einigen Bereichen die Gefahr, selbstgefällig zu werden. Während vier von fünf Unternehmen angaben, über verantwortungsvolle Lieferketten zu verfügen, befassten sich weniger als ein Viertel mit Kernproblemen wie Klimawandel oder Kinderarbeit. Bei 30 Prozent der befragten Unternehmen waren die Bemühungen um eine verantwortungsvolle Lieferkette über die letzten fünf Jahre sogar rückläufig. Ich würde gerne mehr Engagement seitens der Unternehmen sehen, nicht weniger.
Verbraucher werden sehr wahrscheinlich immer mehr von ihrer Entscheidungsfreiheit Gebrauch machen und nach Marken suchen, die zu ihren Werten passen. Eine aktuelle globale Studie von BBMG und GlobeScan ergab, dass zum ersten Mal seit 2009 mehr Verbraucher sagen, dass sie Unternehmen für ihr Verhalten abgestraft (28%), als sie dafür belohnt haben (26%).
Während eine klare Zuweisung der Verantwortlichkeiten ganz entscheidend ist, damit Unternehmen ihren Worten Taten folgen lassen können, ist vielen von ihnen oftmals unklar, welche Werkzeuge sie zur Erreichung ihrer anvisierten Nachhaltigkeitsresultate nutzen können oder wie sie diese Werkzeuge am effektivsten einsetzen. Das Accountability Framework, eine Initiative, die sich aus einer Koalition führender Umwelt- und Sozialorganisationen (einschließlich der Rainforest Alliance) entwickelt hat, zeigt Unternehmen einen klaren Weg in die Nachhaltigkeit auf - einschließlich wichtiger Meilensteine und Benchmarks zur Bewertung ihrer Fortschritte.
#3: Das Thema Zertifizierungen wird nach wie vor kritisch beäugt (und das ist gut so)
Sowohl die Partner innerhalb der Lieferketten als auch die Verbraucher stellen weiterhin die Frage, worin der spezielle Mehrwert von Zertifizierungen liegt. Meine Antwort darauf lautet, dass Zertifizierungen Einsichten in die Lieferketten liefern, die über andere Kanäle nicht zu erreichen sind.
Die Verbindungen, die Zertifizierungen innerhalb der Lieferketten herstellen - indem sie Farmer und Arbeiter mit Märkten und Akteuren der Zivilgesellschaft zusammenbringen - sind einzigartig und wirken sich positiv auf die Farmer sowie auf die Umwelt aus. Das bescheinigen zahlreiche unabhängige Studien. Zertifizierungen bieten ein Level an Transparenz, mit dem wenig andere Ansätze aufwarten können. Und: Sie bilden die Basis für ein System, das vollständig skalierbar ist und sowohl Farmer als auch Unternehmen einbindet.
Dieser Mehrwert von Zertifizierungen erfährt immer mehr Anerkennung. Das International Trade Center, eine gemeinsame Einrichtung der Welthandelsorganisation und der UN, stellt in seiner Untersuchung zur aktuellen Lage der nachhaltigen Märkte im Jahr 2017 (The State of Sustainable Markets 2017) fest, dass "nachhaltig angebaute Produkte, die nachweislich international anerkannten Standards entsprechen, mit ihrem rasanten Wachstum die konventionell angebauten Produkte überholen".
Zertifizierungen müssen permanent verbessert werden und es stimmt, dass verschiedene Elemente sich unterschiedlich stark auswirken oder unterschiedliche Herausforderungen mit sich bringen. Außerdem kann selbstverständlich kein Label eine hundertprozentige Nachhaltigkeitsgarantie leisten, da kein funktionsfähiges und weltweit agierendes System jeden Produzenten an 24 Stunden pro Tag und an 365 Tagen pro Jahr überwachen kann.
Davon abgesehen können Zertifizierungen alleine die vielen systemischen Nachhaltigkeitsherausforderungen, mit denen die Farmer konfrontiert sind, nicht lösen. Wenn eine Farm zertifiziert ist, heißt dies beispielsweise nicht zwingend, dass der Farmer und seine Arbeiter über ein stabiles und existenzsicherndes Einkommen verfügen. Denn die internationalen Preise für den Rohstoff sowie Marktschwankungen bleiben auch in Zukunft die Faktoren, die ihr Einkommen am meisten beeinflussen. Was Zertifizierungen jedoch leisten können, ist, dass sie die Farmer mit Wissen, Trainings und Möglichkeiten ausstatten, um ihr Einkommen zu verbessern - indem sie bessere und nachhaltigere Anbaumethoden anwenden, effizienter agieren und sich besser vernetzen.
Zertifizierungen sind ein wertvolles Werkzeug und können auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit viel bewegen. Am effektivsten können Zertifizierungen ihre Katalysatorwirkung für den nachhaltigen Wandel jedoch dann entfalten, wenn sie innerhalb eines größeren Kontexts in die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, NGOs, Regierungen und anderen Akteuren eingebunden werden.
#4: Produzenten wie produzierende Länder verlangen mehr Zusammenarbeit
Will man die größten Nachhaltigkeitsherausforderungen anpacken, muss man auf Partnerschaften und die Zusammenarbeit mit anderen setzen. Völlig zu Recht erwarten außerdem die Produzenten, dass das Thema Nachhaltigkeit aus einer ganzheitlicheren Perspektive betrachtet wird. So sollen auch die Produktionskosten sowie der Zugang zu für die Zertifizierung notwendigen Investitionen mit auf die Agenda kommen. In letzter Zeit sind eine ganze Reihe wichtiger Plattformen für die Zusammenarbeit entstanden. Erst kürzlich hinzugekommen sind zum Beispiel die Cocoa and Forests Initiative und Plattformen für Kaffee aus Kenia und Uganda - diese werden von der Global Coffee Platform mit Sitz in Bonn unterstützt.
Das aktuellste Beispiel der Kollaboration ist der im Januar 2018 erfolgte Zusammenschluss zwischen UTZ und der Rainforest Alliance. 2019 werden wir unser neues, einheitliches Zertifizierungsprogramm veröffentlichen. Es wird die Stärken der beiden Organisationen UTZ und Rainforest Alliance zusammenbringen und darauf aufbauen. Den Zertifizierungsprozess zu vereinheitlichen wird gleichermaßen neuen Farmern als auch den 1,9 Millionen Farmern, mit denen wir bereits zusammenarbeiten, zugutekommen - speziell den 182.000 Kakao-, Kaffee- und Teefarmern, die momentan sowohl UTZ- als auch Rainforest Alliance-zertifiziert sind. Sie werden effizienter in Nachhaltigkeit investieren können, weil sie so den administrativen Aufwand für die Implementierung zweier Standards und Zertifizierungssysteme vermeiden.
Ich hoffe, dies wird der Beginn eines neuen Konsolidierungstrends im Bereich der Nachhaltigkeitsstandards sein. Ich hoffe auch auf einen Trend der Zusammenarbeit nicht nur innerhalb der einzelnen Sektoren, sondern auch darüber hinaus. Es gibt enorme Möglichkeiten, Synergieeffekte im Bereich Anbau zwischen den Rohstoffen zu schaffen (viele Länder bauen zum Beispiel sowohl Kakao als auch Kaffee an). Diese Möglichkeiten wird die neue Rainforest Alliance in Zukunft verstärkt erschließen.
#5: Für transparente Lieferketten müssen wir Daten und Technik vermehrt nutzen
Digitalisierte Daten bieten große Chancen für Innovationen. Mobile Apps und Drohnen machen es beispielsweise schon heute einfacher, Herausforderungen der Nachhaltigkeit besser abzubilden und diese noch gezielter zu adressieren. Das verändert die Art und Weise, in der einige Audits durchgeführt werden.
Zertifizierungsprogramme müssen mittelfristig das Datenmanagement umfassend beherrschen. Daten sind das Schlüsselinstrument, um Maßnahmen für positive Veränderungen voranzutreiben. Bei der Rainforest Alliance testen wir den Einsatz von Drohnen, um zusätzliche Informationen über Anbauflächen zu sammeln. Außerdem können wir die durch die Drohnen erfassten Daten mit denen von Dritten abgleichen.
Darüber hinaus können Technologien effektiv zu Trainingszwecken eingesetzt werden sowie dafür, bei den Produzenten mehr Bewusstsein für das Thema Nachhaltigkeit zu schaffen. Anfang letzten Jahres hat die Rainforest Alliance ihre Training App für Farmer gelauncht. Mit ihrer Hilfe haben Farmer über Afrika, Asien und Lateinamerika hinweg Zugang zu Trainingsmodulen und -videos. Außerdem können sie sich durch die App mit anderen Farmern austauschen und ihre Best Practice-Methoden teilen.
Auch die Blockchain - bei der es sich kurz gefasst um eine neue, offene und dezentrale Datenbanktechnologie handelt, die Transaktionen überprüfbar macht und dauerhaft aufzeichnen kann - kommt bereits in ersten Lieferketten der Lebensmittelindustrie zum Einsatz. Zum Beispiel verwendet Provenance, ein britisches Startup, die Blockchain-Technologie, um die Herkunft und den Weg von Produkten wie Thunfisch und Kokosnüssen nachzuvollziehen.
Dennoch sollte bedacht werden, dass alle neuen Technologien auch Herausforderungen mit sich bringen. In einigen Branchen ist der Zugriff auf Daten aus Lieferketten nach wie vor schwierig, da viele Produkte aus Ländern mit unzureichender Dateninfrastruktur stammen. Und ohne eine nennenswerte Beteiligung der betroffenen Regierungen wird es schwierig sein, einige dieser modernen Technologien zu implementieren. Auch der Datenschutz bleibt eine Herausforderung: Sämtliche Vorgänge der Datenverwaltung müssen sich an die Regeln zu personenbezogenen Daten, die Vertraulichkeit kommerzieller Daten sowie Datenschutzgesetze und Best Practices halten. Das alles sind große Herausforderungen. Aber durch die Zusammenarbeit und das Bündeln von Expertisen aus verschiedenen Branchen sind sie zu meistern.
Kontakt: UTZ c/o kalia kommunikation | utz@kalia-kommunikation.de | www.utz.org
Ein Beitrag von Britta Wyss Bisang, Chief Sustainable Supply Chain
Officer der Rainforest Alliance sowie Chair of Board of Directors der
ISEAL Alliance
#1: Nachhaltigkeit ist auf der Agenda von Verbrauchern und Unternehmen nach oben gerückt
In den vergangenen Jahren ist Nachhaltigkeit zu einem immer wichtigeren Thema geworden. Studien zeigen, dass sich diese Entwicklung noch weiter verstärken wird. Schon 2015 hat das Marktforschungsunternehmen Nielsen mehr als 30.000 Verbraucher in 60 Ländern dazu befragt. Das Ergebnis: Zwei Drittel der Befragten waren bereit, mehr Geld für nachhaltige Produkte zu zahlen. Mehr als die Hälfte gab an, dass ihre Kaufentscheidungen davon beeinflusst werden, ob die Produkte natürlich bzw. biologisch angebaut wurden oder ob das Unternehmen dahinter für ein Handeln nach gesellschaftlichen Werten steht.
Zeitgleich erschien eine Studie von Cone Communications, die belegt, dass in den größten Industriestaaten der Welt 91 Prozent der Verbraucher von den Unternehmen erwarten, dass diese Verantwortung übernehmen und soziale und umweltbedingte Probleme angehen. Das ist eine überwältigende Mehrheit. Es kann nicht genug betont werden, wie hoch der Einfluss der Verbraucher ist. Ihre Kaufentscheidungen sind gleichzeitig ein Votum für oder gegen ein Unternehmen und dessen Produkte.
Parallel dazu nutzen immer mehr Regierungen und Unternehmen das 2015 beschlossene Pariser Klimaschutzabkommen und die Sustainable Development Goals (SDGs) der UN als Maßstab für ihre Arbeit im Bereich Nachhaltigkeit. Die SDGs haben zum Ziel, Armut zu beenden, die Erde zu schützen und Wohlstand zu sichern. Diese Ziele in Unternehmensstrategien einzubeziehen, ist eine positive Entwicklung weg von einem ausschließlich am Profit ausgerichteten System hin zu einem System, das die Menschenrechte und eine nachhaltige Umwelt als zentrale Bestandteile anerkennt.
So gibt es mit der Business Sustainable Development Commission eine Initiative, die sich aus den führenden Branchengrößen zusammensetzt, um einen Business Case zu entwickeln und damit die Umsetzung der SDGs zu erreichen. Die Anzahl an Ländern, die sich dazu bereit erklärt haben, eine freiwillige Prüfung zur Umsetzung der SDGs beim Hochrangigen Politischen Forum der UN durchzuführen, hat sich zudem im vergangenen Jahr verdoppelt und umfasst nun 43 Länder. Ein gemeinsamer Report des WWF und der ISEAL Alliance zeigt, wie Nachhaltigkeitsstandards dabei helfen können, den Prozess zur Umsetzung vieler SDGs voranzutreiben - und gleichzeitig zu Vorteilen für Unternehmen und Kleinerzeuger führen.
Nachhaltigkeit wird außerdem zunehmend eine Frage der Rechtspflicht. In Großbritannien sind Unternehmen mittlerweile rechtlich dazu verpflichtet, über ihre Bemühungen zur Abschaffung der Sklaverei in der gesamten Lieferkette zu berichten. In den USA wurde 2016 eine Gesetzeslücke geschlossen, die ein Verbot von Produkten nach sich zog, die mittels Kinderarbeit oder Sklaverei produziert wurden. In Frankreich wurde ein Gesetz gegenüber internationalen Konzernen erlassen, das sie verpflichtet, ihre Pläne zur Einhaltung der Menschenrechte zu veröffentlichen. Und es gibt weitere ähnliche Beispiele.
#2: Worte allein reichen nicht. Verbraucher wollen Taten sehen
Die Verbraucher von heute agieren sehr versiert, wenn sie sich erst einmal für eine Sache entschieden haben. Gut informierte Verbraucher wollen keine leeren Versprechungen, sie wollen Taten und Ergebnisse sehen. Und Unternehmen haben die technischen Mittel und Social Media, um ihnen zu zeigen, wie ihre Produkte entstehen.
Als Resultat daraus schließen sich viele Unternehmen mittlerweile Programmen für eine zertifizierte Rohstoffbeschaffung an - eines der Schlüsselinstrumente, um ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Gleichzeitig hilft ihnen eine Zertifizierung, Ergebnisse vorzulegen, die von unabhängiger Stelle bestätigt wurden. Mehrere große Unternehmen beziehen bereits zu 100 Prozent zertifizierte Rohstoffe.
Dennoch, so zeigt ein aktueller Bericht der Economist Intelligence Unit, besteht in einigen Bereichen die Gefahr, selbstgefällig zu werden. Während vier von fünf Unternehmen angaben, über verantwortungsvolle Lieferketten zu verfügen, befassten sich weniger als ein Viertel mit Kernproblemen wie Klimawandel oder Kinderarbeit. Bei 30 Prozent der befragten Unternehmen waren die Bemühungen um eine verantwortungsvolle Lieferkette über die letzten fünf Jahre sogar rückläufig. Ich würde gerne mehr Engagement seitens der Unternehmen sehen, nicht weniger.
Verbraucher werden sehr wahrscheinlich immer mehr von ihrer Entscheidungsfreiheit Gebrauch machen und nach Marken suchen, die zu ihren Werten passen. Eine aktuelle globale Studie von BBMG und GlobeScan ergab, dass zum ersten Mal seit 2009 mehr Verbraucher sagen, dass sie Unternehmen für ihr Verhalten abgestraft (28%), als sie dafür belohnt haben (26%).
Während eine klare Zuweisung der Verantwortlichkeiten ganz entscheidend ist, damit Unternehmen ihren Worten Taten folgen lassen können, ist vielen von ihnen oftmals unklar, welche Werkzeuge sie zur Erreichung ihrer anvisierten Nachhaltigkeitsresultate nutzen können oder wie sie diese Werkzeuge am effektivsten einsetzen. Das Accountability Framework, eine Initiative, die sich aus einer Koalition führender Umwelt- und Sozialorganisationen (einschließlich der Rainforest Alliance) entwickelt hat, zeigt Unternehmen einen klaren Weg in die Nachhaltigkeit auf - einschließlich wichtiger Meilensteine und Benchmarks zur Bewertung ihrer Fortschritte.
#3: Das Thema Zertifizierungen wird nach wie vor kritisch beäugt (und das ist gut so)
Sowohl die Partner innerhalb der Lieferketten als auch die Verbraucher stellen weiterhin die Frage, worin der spezielle Mehrwert von Zertifizierungen liegt. Meine Antwort darauf lautet, dass Zertifizierungen Einsichten in die Lieferketten liefern, die über andere Kanäle nicht zu erreichen sind.
Die Verbindungen, die Zertifizierungen innerhalb der Lieferketten herstellen - indem sie Farmer und Arbeiter mit Märkten und Akteuren der Zivilgesellschaft zusammenbringen - sind einzigartig und wirken sich positiv auf die Farmer sowie auf die Umwelt aus. Das bescheinigen zahlreiche unabhängige Studien. Zertifizierungen bieten ein Level an Transparenz, mit dem wenig andere Ansätze aufwarten können. Und: Sie bilden die Basis für ein System, das vollständig skalierbar ist und sowohl Farmer als auch Unternehmen einbindet.
Dieser Mehrwert von Zertifizierungen erfährt immer mehr Anerkennung. Das International Trade Center, eine gemeinsame Einrichtung der Welthandelsorganisation und der UN, stellt in seiner Untersuchung zur aktuellen Lage der nachhaltigen Märkte im Jahr 2017 (The State of Sustainable Markets 2017) fest, dass "nachhaltig angebaute Produkte, die nachweislich international anerkannten Standards entsprechen, mit ihrem rasanten Wachstum die konventionell angebauten Produkte überholen".
Zertifizierungen müssen permanent verbessert werden und es stimmt, dass verschiedene Elemente sich unterschiedlich stark auswirken oder unterschiedliche Herausforderungen mit sich bringen. Außerdem kann selbstverständlich kein Label eine hundertprozentige Nachhaltigkeitsgarantie leisten, da kein funktionsfähiges und weltweit agierendes System jeden Produzenten an 24 Stunden pro Tag und an 365 Tagen pro Jahr überwachen kann.
Davon abgesehen können Zertifizierungen alleine die vielen systemischen Nachhaltigkeitsherausforderungen, mit denen die Farmer konfrontiert sind, nicht lösen. Wenn eine Farm zertifiziert ist, heißt dies beispielsweise nicht zwingend, dass der Farmer und seine Arbeiter über ein stabiles und existenzsicherndes Einkommen verfügen. Denn die internationalen Preise für den Rohstoff sowie Marktschwankungen bleiben auch in Zukunft die Faktoren, die ihr Einkommen am meisten beeinflussen. Was Zertifizierungen jedoch leisten können, ist, dass sie die Farmer mit Wissen, Trainings und Möglichkeiten ausstatten, um ihr Einkommen zu verbessern - indem sie bessere und nachhaltigere Anbaumethoden anwenden, effizienter agieren und sich besser vernetzen.
Zertifizierungen sind ein wertvolles Werkzeug und können auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit viel bewegen. Am effektivsten können Zertifizierungen ihre Katalysatorwirkung für den nachhaltigen Wandel jedoch dann entfalten, wenn sie innerhalb eines größeren Kontexts in die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, NGOs, Regierungen und anderen Akteuren eingebunden werden.
#4: Produzenten wie produzierende Länder verlangen mehr Zusammenarbeit
Will man die größten Nachhaltigkeitsherausforderungen anpacken, muss man auf Partnerschaften und die Zusammenarbeit mit anderen setzen. Völlig zu Recht erwarten außerdem die Produzenten, dass das Thema Nachhaltigkeit aus einer ganzheitlicheren Perspektive betrachtet wird. So sollen auch die Produktionskosten sowie der Zugang zu für die Zertifizierung notwendigen Investitionen mit auf die Agenda kommen. In letzter Zeit sind eine ganze Reihe wichtiger Plattformen für die Zusammenarbeit entstanden. Erst kürzlich hinzugekommen sind zum Beispiel die Cocoa and Forests Initiative und Plattformen für Kaffee aus Kenia und Uganda - diese werden von der Global Coffee Platform mit Sitz in Bonn unterstützt.
Das aktuellste Beispiel der Kollaboration ist der im Januar 2018 erfolgte Zusammenschluss zwischen UTZ und der Rainforest Alliance. 2019 werden wir unser neues, einheitliches Zertifizierungsprogramm veröffentlichen. Es wird die Stärken der beiden Organisationen UTZ und Rainforest Alliance zusammenbringen und darauf aufbauen. Den Zertifizierungsprozess zu vereinheitlichen wird gleichermaßen neuen Farmern als auch den 1,9 Millionen Farmern, mit denen wir bereits zusammenarbeiten, zugutekommen - speziell den 182.000 Kakao-, Kaffee- und Teefarmern, die momentan sowohl UTZ- als auch Rainforest Alliance-zertifiziert sind. Sie werden effizienter in Nachhaltigkeit investieren können, weil sie so den administrativen Aufwand für die Implementierung zweier Standards und Zertifizierungssysteme vermeiden.
Ich hoffe, dies wird der Beginn eines neuen Konsolidierungstrends im Bereich der Nachhaltigkeitsstandards sein. Ich hoffe auch auf einen Trend der Zusammenarbeit nicht nur innerhalb der einzelnen Sektoren, sondern auch darüber hinaus. Es gibt enorme Möglichkeiten, Synergieeffekte im Bereich Anbau zwischen den Rohstoffen zu schaffen (viele Länder bauen zum Beispiel sowohl Kakao als auch Kaffee an). Diese Möglichkeiten wird die neue Rainforest Alliance in Zukunft verstärkt erschließen.
#5: Für transparente Lieferketten müssen wir Daten und Technik vermehrt nutzen
Digitalisierte Daten bieten große Chancen für Innovationen. Mobile Apps und Drohnen machen es beispielsweise schon heute einfacher, Herausforderungen der Nachhaltigkeit besser abzubilden und diese noch gezielter zu adressieren. Das verändert die Art und Weise, in der einige Audits durchgeführt werden.
Zertifizierungsprogramme müssen mittelfristig das Datenmanagement umfassend beherrschen. Daten sind das Schlüsselinstrument, um Maßnahmen für positive Veränderungen voranzutreiben. Bei der Rainforest Alliance testen wir den Einsatz von Drohnen, um zusätzliche Informationen über Anbauflächen zu sammeln. Außerdem können wir die durch die Drohnen erfassten Daten mit denen von Dritten abgleichen.
Darüber hinaus können Technologien effektiv zu Trainingszwecken eingesetzt werden sowie dafür, bei den Produzenten mehr Bewusstsein für das Thema Nachhaltigkeit zu schaffen. Anfang letzten Jahres hat die Rainforest Alliance ihre Training App für Farmer gelauncht. Mit ihrer Hilfe haben Farmer über Afrika, Asien und Lateinamerika hinweg Zugang zu Trainingsmodulen und -videos. Außerdem können sie sich durch die App mit anderen Farmern austauschen und ihre Best Practice-Methoden teilen.
Auch die Blockchain - bei der es sich kurz gefasst um eine neue, offene und dezentrale Datenbanktechnologie handelt, die Transaktionen überprüfbar macht und dauerhaft aufzeichnen kann - kommt bereits in ersten Lieferketten der Lebensmittelindustrie zum Einsatz. Zum Beispiel verwendet Provenance, ein britisches Startup, die Blockchain-Technologie, um die Herkunft und den Weg von Produkten wie Thunfisch und Kokosnüssen nachzuvollziehen.
Dennoch sollte bedacht werden, dass alle neuen Technologien auch Herausforderungen mit sich bringen. In einigen Branchen ist der Zugriff auf Daten aus Lieferketten nach wie vor schwierig, da viele Produkte aus Ländern mit unzureichender Dateninfrastruktur stammen. Und ohne eine nennenswerte Beteiligung der betroffenen Regierungen wird es schwierig sein, einige dieser modernen Technologien zu implementieren. Auch der Datenschutz bleibt eine Herausforderung: Sämtliche Vorgänge der Datenverwaltung müssen sich an die Regeln zu personenbezogenen Daten, die Vertraulichkeit kommerzieller Daten sowie Datenschutzgesetze und Best Practices halten. Das alles sind große Herausforderungen. Aber durch die Zusammenarbeit und das Bündeln von Expertisen aus verschiedenen Branchen sind sie zu meistern.
Ausblick
Ich glaube, dass wir 2018 mehr Nachhaltigkeit sehen werden. Auf der einen Seite steht die steigende Nachfrage der Verbraucher nach nachhaltigen Produkten - gepaart mit einer größeren Notwendigkeit, Themen wie den Klimawandel, die Abholzung von Wäldern und Kinderarbeit mit Nachdruck anzugehen. Auf der anderen Seite bietet der technologische Fortschritt den Produzenten ganz neue Wege, um nachhaltig zu agieren. Diese Dynamik wird sich nicht mehr umkehren. Worauf es in Zukunft noch stärker ankommen wird, ist Transparenz. Denn nur Transparenz kann dieses Gefüge zusammenhalten und ermöglicht es, die oftmals komplexen Strukturen innerhalb der sich diversifizierenden Lieferketten zu verstehen. Ich glaube außerdem, dass Zertifizierungen - eine eigene Reise auf dem übergeordneten Weg zu mehr Nachhaltigkeit - einen wichtigen Baustein in diesen Zeiten des Umbruchs darstellen. Auch ihr Anteil wird meiner Meinung nach im Jahr 2018, und darüber hinaus, weiterwachsen. Kontakt: UTZ c/o kalia kommunikation | utz@kalia-kommunikation.de | www.utz.org
Wirtschaft | Lieferkette & Produktion, 19.03.2018
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